Sterck zum Haushalt: "Tempo für Köln!"

11.04.2000 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Bürgermeister Fritz Schramma: Für die FDP-Fraktion spricht Herr Sterck. Ralph Sterck (FDP): Herr Bürgermeister! Meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, Ihnen von meiner Redezeit eine Viertelstunde zu schenken; das wäre dann eine Einsparung von 33 Prozent. Ich glaube, das passt ja heute hier zum Thema. Nach sechs Jahren übernimmt die FDP wieder Verantwortung für den Haushalt der Stadt Köln. Und das vorliegende Ergebnis nach den Verhandlungen zunächst mit unserem Koalitionspartner, der CDU, und anschließend gemeinsam mit den Grünen macht eines klar: Trotz angespannter Haushaltslage und trotz großer Einsparungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung ist es uns gelungen, in diesem Haushalt klare Schwerpunkte zu setzen. Köln wird nicht verwaltet, Köln wird gestaltet! Wir sind stolz, dass wir uns auf breiter Front mit unseren Forderungen durchgesetzt haben und in den nächsten Jahren mehr Geld für die Kultur, für die Jugend, für den Sport und für die Straßen zur Verfügung stellen können. (Beifall bei der FDP) Seit sechs Monaten passiert wieder was in Köln. (Volker Bulla [Bündnis 90/Die Grünen]: Tempo 100! – Heiterkeit bei Bündnis 90/Die Grünen) Mit einem hohen Tempo – Sie geben mir da genau das richtige Stichwort – haben wir uns einer Fülle von politischen Aufgaben gestellt. Viele Themen, die in den langen Jahren des politischen Stillstands unter dem Diktat der SPD liegen geblieben sind, werden nun entschieden. Viele Projekte haben wir mittlerweile auf den Weg gebracht. Einen der größten haushaltsrelevanten Erfolge haben wir ja schon in der letzten Ratssitzung durch das Projekt Lesen-Schreiben-Rechnen errungen – (Lachen bei Bündnis 90/Die Grünen) und dies gegen den erbitterten Widerstand des Schuldezernenten, der hier mit allen – nicht immer fairen – Mitteln gegen diesen Beschluss gekämpft hat. Herr Henseler hat es vorgezogen, schon weg zu sein. (Volker Bulla [Bündnis 90/Die Grünen]: Der Herr Henseler macht Schreibübungen!) Das ist mir lieber als so wie bei dem Kollegen Rüther; denn bei der Rede ist er eingeschlafen. Wenn die dafür zur Verfügung gestellten Mittel von der Opposition jetzt schon nach unserer sachkundigen Bürgerin im Schulausschuss „Kayser-Million“ genannt werden, können wir das nur als ein Kompliment für die Durchsetzungsfähigkeit unserer Susanne Kayser empfinden. (Beifall bei der FDP – Lachen bei Bündnis 90/Die Grünen) Die FDP hat sich im Haushalt 2000 auch für einen Bereich stark gemacht, der immer wieder gern in Sonntagsreden gelobt wird, dessen tatsächliche Unterstützung dann aber bei Haushaltsberatungen all zu leicht unter die Räder kam, und das ist der gesamte Bereich des Kölner Sports. Ich möchte gerne meine Rede vor dem Kölner Rat nutzen, um für das ehrenamtliche Engagement vieler Kölnerinnen und Kölner in den Sportvereinen und Sportgruppen zu danken. Deren Arbeit gerade im Kinder- und Jugendbereich besitzt ein hohen sozialpolitischen Stellenwert in den Bereichen kinder- und jugendgerechter Freizeitangebote, Integration und Toleranz gegenüber anderen Menschen. Die Erhöhung der Jugendbeihilfe für Sportvereine im Haushalt 2000 setzt darum ein Zeichen, dass wir dieses Engagement würdigen und unterstützten wollen. Sosehr wir Kölner Liberale den Neubau des Müngersdorfer Stadion begrüßen, ohne dabei die Interessen der Leichtathletik zu vergessen – das möchte ich an dieser Stelle dazusagen –, so sehr setzen wir uns für die vielen kleinen Sportanlagen und -hallen in Köln ein, die wie die Schulen bei der Instandhaltung und Instandsetzung von der SPD in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden sind. Zur Sanierung dieser von der SPD heruntergewirtschafteten Sportanlagen müssen wir viel Geld in die Hand nehmen. Hätten die vorherigen Ratsmehrheiten kontinuierlich Mittel zur Instandsetzung und Instandhaltung in den Haushalt eingestellt, wäre dass die Stadt billiger gekommen. (Zustimmung bei der FDP) Wenn die SPD in einen Schreiben an die Kölner Sportvereine klagt, die jetzt von der neuen Mehrheit in den Haushalt 2000 dafür angesetzten 750.000 DM wären zu wenig – die Sozialdemokraten fordern 2 Millionen DM –, dann ist das Opportunismus in Reinkultur. (Beifall bei FDP und CDU) Denn als die SPD noch in der Verantwortung stand, ließ sie die Sportanlagen – wie auch die Schulen – verrotten. Nun, in der Opposition, fordert sie Geld zur Begleichung ihrer Sünden. Die Sportvereine, meine Damen und Herren, können jedoch zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden, und sie können sicher sein, dass die Sanierung der Sportstätten bei uns in guten Händen sind. (Beifall bei der FDP) Wir hatten uns für den Haushalt 2000 eines vorgenommen: Wir wollten neue Wege in der Drogenpolitik eröffnen. Dieses von uns in den Koalitionsvertrag geschriebene Ziel bleibt nämlich eine hohle Absichtserklärung, wenn die nötigen Mittel nicht bereitgestellt werden. (Christa Becker [SPD]: Eben!) Eine neue, liberalere Drogenpolitik fördert auf der einen Seite eine aktive Präventionsarbeit, die wir im Rahmen der zusätzlichen Mittel im Jugendbereich ausbauen werden. Auf der anderen Seite bekennen wir uns dazu, dass für die Opfer der Drogensucht das bereits vorhandene vielfältige Hilfsangebot erweitert werden muss. Drogenabhängigen Menschen muss der Weg zur Abstinenz erleichtert werden. Dazu ist es notwendig, die Hürde zur Nutzung der Einrichtungen der Drogenhilfe zu senken. Mit der neuen Drogenpolitik in Köln können wir mehr Hilfsbedürftige als bisher zum Einstieg in den Ausstieg aus der Drogensucht motivieren. Wir zeigen ihnen Wege auf, wie sie aus dem Teufelskreis von Drogen und Kriminalität herauskommen können. Dass wir durch diese Maßnahme auch noch die Kölner Öffentlichkeit von den unschönen Nebenerscheinungen – wenn sich zum Beispiel Drogenabhängige auf der Treppe zur Tiefgarage in der Altstadt eine Spritze setzen – schützen, ist ein weiterer erfreulicher Effekt. Die FDP hatte den Einstieg zur Einrichtung von Drogenkonsumräumen zu einer der wichtigsten Forderungen im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erklärt. Wir mussten uns in dieser Frage einer harten Auseinandersetzung mit der CDU stellen. Wenn man die Haushaltsrede des Kollegen Bietmann aus dem letzten Jahr liest – was ich natürlich getan habe –, wird man erkennen, dass die FDP ganze Arbeit leisten musste, um die CDU von ihrem Weg in der Drogenpolitik zu überzeugen. Professor Bietmann bezeichnete noch im letzten Jahr die Einrichtung von Konsumräumen als „unvertretbaren Ansatz“. (Jörg Detjen [PDS]: „Teufelszeug“!) Ich bin mir aber sicher, dass auch die CDU nach der ersten Anlaufphase die Erfolge dieses Projektes schätzen lernen wird. (Beifall bei der FDP) Die Frage des Etiketts – das kam gerade in der Rede von Herrn Bietmann zum Ausdruck – schätzen wir hier nicht so hoch ein. Ich gehe immer davon aus, dass ein guter Kompromiss dann zu Stande gekommen ist, wenn alle Beteiligten etwas abgeben müssen. Es wäre sicherlich falsch gewesen, hier den Weg der CDU zu gehen, nämlich einen solchen Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt anzusiedeln, weil die Hürde dadurch nicht gesenkt, sondern sicherlich erhöht worden wäre. Von daher bin ich stolz, dass wir diesen Ansatz hier verhindern können. Und ich bin sicher, dass die Fachverwaltung auf der Grundlage des Beschlusses des Finanzausschusses ein tragfähiges Konzept für Drogenkonsumräume mit den Trägern erarbeiten wird. Die erste Kölner Anlaufstelle für Drogenabhängige geben wir in die treuen Hände des Sozialdienstes Katholischer Männer. Wir werden aber auch darauf drängen, dass nach den ersten Erfahrungen mit dieser Einrichtung das Angebot erweitert wird und auch die anderen Träger der Drogenhilfe eingebunden werden. (Beifall bei der FDP) Doch damit ist nicht Schluss mit neuen drogenpolitischen Maßnahmen: Die Stadt Köln wird sich auch an dem dreijährigen Modellprojekt der heroingestützten Behandlung von Drogenabhängigen beteiligen. Dies ist nach unserer Ansicht ein weiterer Baustein, mit dem die Betroffenen und die Öffentlichkeit von der Beschaffungskriminalität befreit werden können. Auch – darauf hat der Kollege Rüther hingewiesen – wenn die Finanzmittel für dieses Projekt im vorliegenden Entwurf auf null stehen, möchte ich für die FDP-Fraktion heute und hier ankündigen: Die Kölner Liberalen stehen zum Ratsbeschluss für das Modell und werden der Realisierung in Köln und der Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel zustimmen. Wir wissen, dass einige Mitglieder der CDU-Fraktion aus grundsätzlichen Überlegungen dem nicht zustimmen werden. Wir akzeptieren diese Überzeugung, auch wenn wir sie nicht teilen. Darum wird es in dieser Frage keinen Koalitionszwang geben, sondern – wie in den Haushaltsplanberatungen vereinbart – eine freie Abstimmung. Unsere Rolle in den hinter uns liegenden Haushaltsplanberatungen ist auch der Öffentlichkeit deutlich geworden: Der „Express“ schreibt, die FDP habe bekommen, was sie wollte, in der „Kölnischen Rundschau“ wird kommentiert, der FDP sei es gelungen, mehr als die Rolle eines Mehrheitsbeschaffers einzunehmen, und „20 Minuten Köln“ erkennt gar die Handschrift der FDP im Haushalt. Ein Ergebnis, mit dem wir sehr zufrieden sein können und das es uns leicht macht, diesem Haushalt hier und heute zuzustimmen. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, die Kölnerinnen und Kölner haben mit der Kommunalwahl einer neuen Mehrheit den Auftrag erteilt, die Geschicke dieser Stadt in die Hand zu nehmen. Alle haben vor der Wahl gesagt, was sie nach der Wahl machen wollen. Wir selbst sind angetreten, eine frische, freche, fröhliche und freie Politik zu machen. Nach einem halben Jahr kann ich für die FDP feststellen, dass wir unsere Versprechen eingelöst haben und beherzt an die Umsetzung der Projekte gegangen sind, für die wir von den Wählerinnen und Wählern den Auftrag erhalten haben. (Zuruf Jörg Detjen [PDS]) Wir verhelfen einer neuen Verkehrspolitik zum Durchbruch, die den Autofahrer nicht mehr als den Prügelknaben der Nation sieht, sondern die das faire Miteinander der verschiedenen Verkehrsträger ermöglicht. Dazu gehört für uns einerseits, den Autofahrer nicht durch ungerechtfertigte Eingriffe in den Verkehrsfluss oder höhere Parkgebühren, die wir aus diesem Grunde auch verhindert haben, zu schikanieren. (Beifall bei der FDP) Und es werden in Köln wieder Straßen repariert und gebaut. Andererseits attraktivieren wir den Öffentlichen Personennahverkehr durch den Ausbau des Services und der Strecken. Wir haben die Gewerbesteuer für weitere fünf Jahre eingefroren und so für die Wirtschaft kalkulierbare Rahmenbedingungen geschaffen. Die Gebührenhaushalte, meine Damen und Herren, wurden wieder auf eine solide Grundlagen gestellt, nachdem die SPD dies in den vergangenen Jahren aus wahltaktischen Gründen versäumt hatte und alle Rücklagen aufgezehrt wurden. Für verantwortungsvolle Finanzpolitik steht in unserer Fraktion der Name Manfred Wolf. Wir machen eine wirtschaftsfreundliche Politik insbesondere für den Mittelstand. So hat Christtraut Kirchmeyer den von den Grünen geforderten autofreien Samstag während der Messetage im September verhindert (Barbara Moritz [Bündnis 90/Die Grünen]: Gott sei Dank!) – wenn wir im Protokoll festhalten könnten, dass Frau Moritz „Gott sei Dank“ gesagt hat, wäre ich dankbar –, und sie hat bei den der Stadt zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Ausweitung des Ladenschlusses auf maximale Ausnutzung gepocht. (Jörg Detjen [PDS]: Das werden wir noch sehen!) Wir wollen eine offene Stadt ohne Ladenschluss und Sperrstunde. (Zustimmung bei der FDP) Auch das überdimensionierte Einkaufszentrum im Coloneum im Interesse der Venloer Straße platzen zu lassen, schreiben wir unserem Erfolgskonto gut. Wir küssen städtebauliche Großprojekte aus ihrem Dornröschenschlaf wach. Am Donnerstag wird der Stadtentwicklungsausschuss den Startschuss für die Kranhäuser am Rheinauhafen geben. Danach steht die Vollendung des Dom/Rhein-Projektes mit dem Ausbau des Bahnhofsvorplatzes und des Breslauer Platzes bei uns Liberalen ganz oben auf der Tagesordnung. (Christian Schirmer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Alles Ihr Verdienst!) Im Rahmen des ICE-Terminals wird das von uns schon in der vorletzten Periode vorgeschlagene Laufband entlang der Hohenzollernbrücke realisiert. Und wir fragen uns, ob wir der Messe nicht die städtebauliche Geste eines 150 Meter hohen Turmes als Gegenstück zum Dom auf der anderen Rheinseite erlauben sollten. (Jörg Detjen [PDS]: Nein! – Christian Schirmer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Sterck-Tower!) Wir haben eine neue Wohnungsbaupolitik begonnen, die auch wieder das Bedürfnis breiter Bevölkerungsschichten nach einem Eigenheim befriedigt. Hier ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten – vielleicht sogar aus parteitaktischen Gründen – der eklatante Fehler gemacht worden, diese Gruppe, die für den sozialen Mix in unserer Stadt und für die Steuerkraft unserer Stadt von großer Bedeutung sind, ins Umland zu vertreiben. Wir machen der Schulsanierung Dampf, um den durch eine verantwortungslose Finanzpolitik verursachten Reparaturstau, den wir vor uns herschieben, abzubauen. Bildung ist der Rohstoff der Zukunft für unser Land. Daher brauchen wir mehr Kohle für Bildung. Auch wenn dieser Aufruf insbesondere in Richtung der verfehlten Bildungspolitik im Land Nordrhein-Westfalen geht, so muss die Stadt Köln wenigstens akzeptable räumliche Rahmenbedingungen schaffen. (Beifall bei der FDP) Wir sind die Lobby der Kultur. Hier wird die FDP auch in Zukunft den Kulturinteressierten dieser Stadt als Moderator und Mitstreiter zur Seite stehen. Wenn man heute dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ glauben darf, hat sich ja gerade in der Frage einer Findungskommission für den Chef-Sessel beim Museum Ludwig unser kulturpolitischen Sprecher Ulrich Wackerhagen durchgesetzt. Außerdem bereiten wir den Boden für den Bau des Hauses und Museums der jüdischen Kultur auf der unbebauten Fläche am Rathausvorplatz. Wir wollen die Verwaltung von der Spitze an verschlanken und zu einem leistungsfähigen Dienstleistungsunternehmen für den Kunden Bürger machen. Dietmar Repgen hat im Vorfeld der Ratsentscheidung vom Dezember die Zielgröße von sieben Dezernenten für die Stadtspitze als Richtschnur durchgesetzt. Wir schaffen in Köln ein noch liberaleres Klima der Toleranz gegenüber den Minderheiten, mit denen wir gemeinsam in Köln leben. Darauf achtet insbesondere unser Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. (Christian Schirmer [Bündnis 90/ Die Grünen]: Jetzt haben Sie aber alle genannt!) – Ja, das ist schön. Da gab es aus meiner Sicht bei der früheren Stadtführung viel Scheinheiligkeit, wenn ich an die Berührungsängste gegenüber dem CSD und der Regenbogenfahne von Seiten der Stadtspitze oder die Verhinderung eines städtebaulichen Identifikationspunktes für die islamische Bevölkerungsgruppe durch den Bau einer Moschee denke. In letzterer Frage hat übrigens am Freitag im Rathaus auf Einladung der FDP-Fraktion die erste Kölner Moscheekonferenz mit den islamischen Spitzenverbände getagt, um dieses Projekt zu verwirklichen. (Beifall bei der FDP) Oberbürgermeister Harry Blum hat in den von mir genannten Bereichen viel angestoßen und bewegt. Nur über den Bau der Moschee habe ich leider nicht mehr geschafft mit ihm zu reden. Doch ich bin mir sicher, dass diese Idee seine Unterstützung gefunden hätte. Ich denke mit Anerkennung an ihn, wenn ich in diesen Tagen in der Stadt unterwegs bin und die ersten sprudelnden Brunnen und abends die beleuchteten Gebäude sehe. An der Tatsache, dass er der FDP in einem seiner 100-Tage-Interviews das Kompliment machte, sie habe sich in den Koalitionsverhandlungen gut positioniert, zeigt sich die geistige Nähe zwischen uns Liberalen und Harry Blum. Unsere politische Kraft dahin gehend einzusetzen, die von ihm angestoßenen Projekte zu vollenden, war meine Aufforderung an die politisch Handelnden hier in Köln im Rahmen der Trauerfeier. Dies ist Verpflichtung für die weitere Arbeit der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln. Dies sollte für Verpflichtung uns alle sein. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, Köln ist die liberalste Stadt Deutschlands. Das war das Ergebnis eines Städtevergleichs. Wie wichtig es ist, dass diese Liberalität auch durch eine Fraktion im Rat der Stadt vertreten ist, sehen sie nicht nur an den bereits genannten Themen. Ohne uns würde Köln eine Kraft fehlen, die Positionen bezieht, die sonst in der Kölner Kommunalpolitik nicht vertreten werden. Wir sind die Lobby der Marktwirtschaft, die hinterfragt, ob Leistungen unbedingt vom Staat bzw. hier von der Stadt erbracht werden müssen. Der Kämmerer legt jährlich seine Schallplatte mit der Forderung nach mehr Aufgabenkritik auf. Der Staat hat sich zu viele Aufgaben aufgeladen. Er hat zu viele Regeln erlassen ohne Rücksicht auf die Kosten und die Bürokratie für ihn selbst, für die Wirtschaft und letztlich für die Bürgerinnen und Bürger. Der Bürokratiestaat muss wieder schlanker werden, um effizienter zu werden. Die Aufgaben des Staates auf das Notwendige zu beschränken und einen besseren kunden-, also bürgerorientierten Service zu bieten und Leistungen zu garantieren, das ist das Hauptziel von Privatisierung, Deregulierung und Bürokratieabbau. Die Kommunalpolitik muss sich immer fragen: Was kann entfallen? Was können andere mindestens genau so gut? „Make or buy“ heißt das auf Neudeutsch. Für jede Aufgabe, die die Stadt und ihre Gesellschaften für sich beanspruchen, muss der Beweis der Notwendigkeit erbracht werden. Nicht der Privatisierung darf die Beweislast auferlegt werden, sondern der Staatlichkeit. Es darf in diesem Zusammenhang aber keine Scheinprivatisierungen geben, bei denen schlicht nur die Rechtsform geändert wird, die Kapitalmehrheit und der Einfluss aber bei der öffentlichen Hand bleiben. Im Bund hat die vergangene Bundesregierung große Liberalisierungsprozesse in den Bereichen Post, Telekommunikation, Bahn und Energiewirtschaft auf die Schiene gebracht. Die Kommune hat hier Nachholbedarf. Jeder Verbraucher sieht heute – auch ohne dass er sich Telekom-Aktien gekauft hat – in seinem eigenen Portmonee, welche Erfolge die Privatisierungen für ihn gebracht haben. Erst durch die neue Mehrheit nach der Kommunalwahl wurden in Köln einige dringend notwendige Reformen angestoßen, zu denen die SPD nach 43 Jahren sozialdemokratischer Erstarrung nicht mehr in der Lage war. Beherzt hat die neue Mehrheit in der Frage der Abfall- und Abwasserentsorgung sowie beim Tourismus im Herbst letzten Jahres die Weichen gestellt. Der Einzige, der den Schuss immer noch nicht gehört zu haben scheint, ist wohl SPD-Kollege Rüther, der sich gegen den Verkauf von NetCologne mit dem Argument der Daseinsvorsorge sträubt. (Norbert Rüther [SPD]: Herr Sterck, das ist irreführend! Genau an der Stelle irren Sie sich!) – Wenn ich das von Ihnen höre, ist das Musik in meinen Ohren. Wenn Sie sich mal an die Zeiten erinnern, wo Sie im Postamt bei der Deutschen Bundespost einen Telefonanschluss beantragten, werden Sie mir Recht geben, dass Private Telekommunikation besser und billiger anbieten kann. (Zustimmung bei der FDP) Daher fordern wir, den Verkauf von NetCologne noch in diesem Jahr unter Dach und Fach zu bringen, da dies keine staatliche oder städtische Aufgabe ist. (Beifall bei der FDP) Neben der Telekommunikation befindet sich der Energiemarkt im Umbruch. Diese Veränderung zu Gunsten des Verbrauchers betrifft auch uns als Kommune insofern, als die schönen Zeiten – hier setze ich das Wort „schön“ in Anführungszeichen –, in denen die Stromkunden die KVB-Fahrgäste subventionierten, bald der Vergangenheit angehören werden. Und wir hatten uns gerade an diese bequeme Form der Umschichtung gewöhnt, weil wir uns so nicht so viel Gedanken über einen wettbewerbsfähigen Öffentlichen Personennahverkehr zu machen brauchten. Diese Zeiten sind vorbei, liebe Vergangenheitsromantiker von der SPD-Fraktion, und sie kommen nie wieder. Und da geht auch der Vorwurf, wir würden das Werkzeug – wie Sie es jetzt genannt haben – der Stadt verkaufen, ins Leere. Anders herum wird ein Schuh daraus: Wir müssen uns jetzt um eine Veräußerung bemühen, denn die Halbwertzeit dieses städtischen Kapitals verkürzt sich von Monat zu Monat. Und um es für die zu sagen, die naturwissenschaftlich nicht so bewandert sind: Das, was Sie, Herr Rüther, heute Werkzeug nennen, wird durch einfaches Nichtstun morgen oder übermorgen nur noch Legosteine sein. Das gilt für NetCologne wie für die GEW. (Beifall bei der FDP) Aus unserer Sicht sollten die GEW in drei Sparten aufgeteilt werden: Strom, Gas und Wasser. Dann kann man für jede Sparte den effektivsten Weg wählen, wobei beim Strom sicher am schnellsten Handlungsbedarf besteht. Hier sollte einzeln über die Stromerzeugung, das Netz und den Kundenservice entschieden werden. Von der Stromerzeugung muss sich die GEW trennen, denn diese Leistung können andere schon viel billiger erbringen. Inwieweit das Strom- und Telefonnetz als Infrastruktur in städtischen Händen bleiben sollten wie die Straßen und die Schienen, darüber lasse ich gerne mit mir reden. Aber schon für den Kundenservice im Telefon-, Energie- oder auch Abfallbereich kann ich das nicht mehr erkennen. Zu diesen großen Bereichen der Reformvorhaben muss auch die KVB zählen. Wir haben ja wegen unserer ordnungspolitischen Bedenken gegen die Beteiligung der KVB an der Schilling-Gruppe nicht nur Beifall bekommen, um es vorsichtig auszudrücken. Aus unserer Sicht ist es zu kurz gesprungen, wenn sich ein städtisches Unternehmen wie die KVB an einem privaten beteiligt, das damit seinen größten Kunden zum Mitgesellschafter macht und so die Mitbewerber langsam aber sicher aus dem Markt drängt. (Zustimmung bei der FDP) Nun höre ich immer wieder den Einwand, es gäbe in diesem Bereich überhaupt keinen mittelständischen Mitbewerber mehr. Ja, meine Damen und Herren, woran liegt das denn? Muss es nicht vielmehr unser Ziel sein, dieses mittelständische Engagement wieder zu fördern? Sollte sich die KVB nicht auf die koordinierende, logistische Funktion im Busbereich zurückziehen und den Fahrbetrieb linienweise an Mittelständler vergeben und so Arbeitsplätze sichern? (Beifall bei der FDP) Wir könnten uns dem Druck der ÖTV beugen und abwarten, was uns von europäischer Seite an Wettbewerb an dieser Stelle noch alles verordnet wird. Mit dem Erfolg, dass wir einen wettbewerbsfähigen Anbieter bekommen – vielleicht sogar aus dem Ausland –, und nach einer Ausschreibung haben wir dann alle KVB-Fahrer auf der Straße stehen. Doch so leicht dürfen wir es uns in der Verantwortung für die Arbeitnehmer und für die Interessen der Stadt Köln nicht machen. Nicht nur diese großen kommunalen Reformprojekte stehen an. Wenn es um Aufgabenkritik und Privatisierung geht, muss sich die Stadt Köln fragen lassen, warum sie Gaststätten hat, warum sie Wochenmärkte organisiert und einen Großmarkt unterhält, (Christian Schirmer [Bündnis 90/ Die Grünen]: „Ratskeller“!) warum die Volkshochschule neben sinnvollen Kursen zur Weiterbildung auch Freizeitgestaltung subventioniert? Oder warum halten die Stadtwerke noch Beteiligungen an der Kölner Außenwerbung oder an Radio Köln? Letzteres ist auch im Sinne der Gewaltenteilung höchst bedenklich. Diese Reihe könnte beliebig fortgesetzt werden. Es wundert mich fast, dass die Anhänger der Staatswirtschaft in diesem Hause nicht die Einrichtung eines städtischen Aldi oder eines städtischen McDonald’s fordern, weil das doch Daseinsvorsorge ist und man vielleicht damit Geld verdienen kann. (Jörg Detjen [PDS]: Herr Sterck, wir werden darüber nachdenken! – Norbert Rüther [SPD]: Sie haben die Friedhöfe vergessen!) – Ja, darüber können wir auch noch mal reden. Dass mit den erzielten Erlösen von Privatisierungen die Verschuldung der Stadt zurückgeführt werden kann und wir so durch gesparte Zinsen und Tilgungen neue Spielräume für die Kommunalpolitik erreichen, sei hier nur noch einmal in Erinnerung gerufen. Hohe Schulden und Schuldendienste beschränken nicht nur den Handlungsspielraum der Stadt, sie sind ein Verstoß gegen den Generationenvertrag. (Beifall bei der FDP) Die FDP fordert daher vom künftigen Oberbürgermeister die Einsetzung eines Privatisierungsbeauftragten. Dessen Aufgabe soll es sein, die städtischen Beteiligungen, Aufgaben und Regelungen dahin gehend zu durchforsten, wovon sich die Stadt trennen kann, um neue Spielräume zu erhalten. Meine Damen und Herren, die FDP hat die Rolle, die ihr die Wählerinnen und Wähler mit der Kommunalwahl zugedacht haben, genutzt, um Tempo zu machen. Durch alle Bereiche dieser Stadt ist ein spürbarer Ruck gegangen, der für viele Bürgerinnen und Bürger zu einer echten Aufbruchstimmung geführt hat, weil sich das Gefühl verbreitete, dass jahrelange Erstarrung und Stillstand aufgebrochen wurden. Mit den ersten 194 Tagen dieser neuen Mehrheit können wir wahrlich zufrieden sein. (Beifall bei der FDP) Aus diesem Grunde plakatieren wir in diesen Tagen selbstbewusst für die Landtagswahl „Seit 1999: Tempo für Köln. Ab 14.5.2000: Tempo für NRW.“ Damit empfehlen wir dem Land den Wechsel, der in Köln so viel frischen Wind gebracht hat. Demokratie lebt vom Wechsel. Dieser hat Köln nach 43 Jahren SPD-Führung gut getan, er würde auch Nordrhein-Westfalen gut bekommen. Dass der komplette Wechsel nach dem Muster Kölns gelingt, kann man dem Land nur wünschen. Wir als FDP werden in jedem Fall unseren Teil dazu beitragen. Dann steht nach den Sommerferien die Oberbürgermeisterwahl an. Ich bin sicher, dass die Kölnerinnen und Kölner den eingeschlagenen Weg bestätigen werden. Ein Wahlsieg der SPD wäre nämlich ein Treppenwitz der Geschichte, da diese immer noch mit den Rezepten von gestern an die Probleme von morgen geht. Die SPD in Köln hat mit einer inhaltlichen Erneuerung nach der Wahlschlappe noch gar nicht begonnen. (Beifall bei der FDP) Dass dies auch personell gilt, zeigt der Personalvorschlag der Sozialdemokraten. Während die anderen Parteien mit frischen und unverbrauchten Kandidaten antreten, holt man hier eine Kandidatin aus der Kiste, die laut Presseberichten den Höhepunkt ihrer politischen Karriere schon hinter sich hat. Daran ändert auch die neue Express-Frisur nichts – wobei ich sagen muss, dass mir der Herr Bürgermeister ohne Schnäuzer auch ganz gut gefallen hat. (Heiterkeit) Aber wir sehen ja an den Wahlplakaten von Herrn Rüther, was man fototechnisch alles machen kann. Der Wahlsieg einer SPD-Kandidatin würde gegen die Ratsmehrheit zu einem ständigen Stillstand statt zu neuem Aufbruch, den unsere Stadt so dringend braucht, führen. Doch bis dahin muss die politische Arbeit des Rates und seiner Gremien weitergehen. Ich fordere die Oppositionsparteien in diesem Rat dazu auf, aus dem Tod des Oberbürgermeisters kein politisches Kapital schlagen zu wollen. Wir haben, Herr Rüther, zumindest bis zur Neuwahl eines Oberbürgermeisters einen Auftrag vom Wahlvolk bekommen, den Sie, wenn Sie gute Demokraten sind, akzeptieren sollten. Ich fordere unseren Koalitionspartner auf, jetzt mit den Reformprojekten nicht nachzulassen, denn die Bürgerinnen und Bürger wollen die Arbeit fortgesetzt wissen. (Beifall bei der FDP) Die anstehende OB-Wahl darf nicht zu einer weiteren Lähmung der Kommunalpolitik in Köln führen. Damit wir uns allen und den Kölnerinnen und Kölnern einen langen kräftezehrenden Wahlkampf ersparen und wir möglichst schnell wieder klare Verhältnisse in Köln bekommen, hat sich unser Kreisvorstand in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, die Wahl auf den 27. August vorzuziehen. (Beifall bei der FDP) Ich würde mich freuen, wenn dieser Vorschlag Ihre Unterstützung finden würde. Wie wir selbst uns für den ersten Wahlgang personell positionieren, werden wir in aller Ruhe nach der Landtagswahl entscheiden. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss Herrn Kämmerer Böllinger danken. Nicht nur dass er mit der Vorlage dieses Haushaltes die Stadt mal wieder um die Klippe des Haushaltssicherungskonzeptes des Regierungspräsidenten herumgeschifft hat, er hat uns Ratsneulingen auch sehr überparteilich geholfen, durch das Dickicht des Haushaltsdschungels hindurch zu finden. (Beifall bei der FDP) Im ganzen Ritual der Haushaltsplanberatungen müssen sich die Beteiligten fragen lassen, ob es wirklich die richtige Arbeitsteilung ist, wenn die Verwaltung die Kürzungsvorschläge macht und die Ratspolitiker nur umverteilen. Wir waren mit dem Anspruch angetreten, im Haushalt mehr einzusparen als auszugeben. So sahen auch die Ergebnisse unserer Haushaltsklausursitzung noch eine Ausgabenreduzierung vor. Doch dieser gewonnene Spielraum wurde dann im Rahmen der Beratungen von den Mehrausgabewünschen von CDU und Grünen verfrühstückt. Auch die Politik muss ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten, auch wenn das von einzelnen Interessengruppen nicht gern gesehen wird und es öffentliche Kritik gibt. Da sind die Liberalen immer etwas resistenter als die Volksparteien. Da ist es doch schön, wenn wie in Zeiten einer großen Koalition in dem SPD-Lieblingsstadtteil Bocklemünd/Mengenich wie in der CDU-Siedlung Neubrück jeweils in Eintracht der prominenten Direktgewählten und ihrer nicht minder prominenten Gegenkandidaten die Stadtbibliotheken erhalten bleiben. Vielleicht haben wir eine Hoffnung, darüber auf Grund der Vertagung noch einmal neu nachzudenken. Wir werden an dem Ziel, das wir in den Koalitionsvertrag haben schreiben lassen, die Nettoneuverschuldung bis 2010 auf null zu fahren, festhalten, auch wenn wir diesem Ziel durch die Sondersituation in diesem Jahr nicht unbedingt näher gekommen sind. Doch dazu sind noch ganz andere Maßnahmen erforderlich, als wir sie bisher praktiziert haben. (Zustimmung bei der FDP) Insgesamt möchte ich allen in der Verwaltung, in unserer Partei und in der Bürgerschaft danken, dass sie dazu beigetragen haben, dass die Liberalen wieder Tritt in der Kommunalpolitik gefasst haben. Ich denke, die FDP hat aus dem auch für unsere Handlungsfähigkeit unglücklichen Verhältnis zwischen Zahl der Mandate und politischer Verantwortung in den vergangenen sechs Monaten das Beste gemacht. Wir machen weiter so: Frisch, frech, fröhlich und frei! Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei Teilen der CDU)

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