Teuteberg: „Zu lange herrschte Sprachlosigkeit“

Neue Generalsekretärin der FDP im Interview mit Tobias Peter

05.04.2019 Meldung FDP-Bundestagsfraktion

Frau Teuteberg, ist Christian Lindner ein guter Chef?

Ja. Er hat bewiesen, dass er unter schwierigsten Bedingungen führen, aber auch gut motivieren kann. Die Rückkehr in den Bundestag ist vor allem ihm zu verdanken.

Lindner und vor ihm Guido Westerwelle haben bereits als Generalsekretäre der Partei eine Prägung gegeben und sich auch jenseits vom Vorsitzenden profiliert. Was möchten Sie in der FDP gern ändern?

Ich möchte dazu beitragen, dass wir mit der gesamten Breite unserer Inhalte, aber auch der Vielfalt des Personals wahrgenommen werden. Es gibt unterschiedliche Erfahrungen und Temperamente in der FDP. Wir wollen mit unseren Themen Digitalisierung, Wirtschaft und Finanzen punkten, aber auch darüber hinaus neue Akzente setzen.

Wo muss die FDP konkret besser werden?

Einen Schwerpunkt meiner Arbeit sehe ich darin, die FDP in gesellschaftliche Wertedebatten einzubringen: Was bedeuten die Werte des Grundgesetzes für das Zusammenleben in einer Einwanderungsgesellschaft? Wie machen wir unsere Demokratie widerstandsfähig in Zeiten, in denen alte Gewissheiten schwinden und vermeintlich einfache Antworten locken? Da will ich mitreden und für die FDP hörbar Akzente setzen.

Sie sind 1981 in Königs Wusterhausen in der DDR geboren, Sie waren acht, als die Mauer fiel. Was werden Sie anders machen als ein Generalsekretär, der aus dem Westen kommt?

Als gebürtige Ostdeutsche bringe ich eine große Sensibilität für Umbruchsituationen mit. Ich habe – wie viele andere in den sogenannten neuen Bundesländern – gelernt, dass sich die Dinge rasant ändern können. Das geht mit einem Bewusstsein dafür einher, dass wir ständig etwas für das tun müssen, was uns in Deutschland wichtig ist: Freiheit, Demokratie und Wohlstand.

Was ist der größte Unterschied in der politischen Kultur zwischen Ost und West?

Streit ist ein wichtiges Wettbewerbsverfahren in der Demokratie. Genau das wird im Osten aber oft noch nicht akzeptiert. Dieses Harmoniebedürfnis gibt es im ganzen Land, aber in den neuen Bundesländern schauen besonders viele mit Geringschätzung auf die ganz normalen Auseinandersetzungen von Parteien. Es fehlt oft eine nüchterne Selbstverständlichkeit im Umgang mit einem Kernelement der Demokratie, den streitigen Debatten.

Ist die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel die Ursache des großen Erfolgs der AfD im Osten?

Die Migrationspolitik ist ein wichtiger Faktor, aber nicht die einzige Ursache. Es gibt im Osten bei einem Teil der Menschen noch immer ein tief sitzendes Unbehagen gegenüber dem demokratischen Prozess, der anstrengend ist und oft lange dauert. Viele Menschen haben das Gefühl, mehr als genug Veränderung erlebt zu haben. Sie fühlten sich durch den Flüchtlingszuzug überrumpelt. Die Kanzlerin, aber auch andere hätten da mehr auf die Bevölkerung zugehen und früh die Debatte suchen sollen, wie Integration zu bewältigen ist. Zu lange herrschte Sprachlosigkeit im Land. Und daraus wurde dann Verständnislosigkeit.

Der demografische Wandel trifft den Osten besonders stark, weil viele Jüngere in den Westen gegangen sind. Wie wollen Sie das umkehren?

Wir müssen mehr über die Stärken Ostdeutschlands sprechen und noch mehr aus ihnen machen. Wir haben eine tolle Hochschullandschaft, attraktive Städte. In ihnen müssen wir eine Gründerkultur befördern, die ermöglicht, dass junge Menschen nach dem Studium bleiben. Wir wollen die Dinge nicht depressiv angehen, sondern wir haben allen Anlass zur Zuversicht.

Parteichef Lindner hat den Schülern, die gegen die aktuelle Klimapolitik demonstrieren, die Kompetenz, die Zusammenhänge voll zu durchblicken, abgesprochen und gesagt, das sei „eine Sache für Profis“. Hätten Sie das auch so gesagt?

In der Sache bin ich mir einig mit Christian Lindner: Wir nehmen die Proteste ernst und wir sind für die Einhaltung der Klimaziele von Paris. Das heißt aber auch: Wir beklatschen das Engagement der Schüler nicht einfach, was sicher billig Punkte brächte, sondern führen eine Debatte darüber, was wirklich realistische Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel sind. Alle in einer Demokratie sind Profis, an der Debatte teilzunehmen: die Schüler, aber auch wir. Das hat Christian Lindner auch nicht in Abrede gestellt. Uns geht es aber zusätzlich darum, dass am Ende auch die besten Mittel ausgewählt werden, um voranzukommen – etwa, indem der Emissionshandel auf Verkehr und Wärme ausgeweitet wird. Der Markt kann helfen, dass wir sparsamer mit unseren Ressourcen umgehen.

Sollte Kanzlerin Merkel die Schüler zum Gespräch einladen?

Ich fände es gut, wenn die Kanzlerin den direkten Draht suchen würde. Ich bin jedenfalls bereit, mich mit demonstrierenden Schülern zu treffen und auszutauschen.

Interview entnommen der KStA vom 25.04.2018

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