Zurück zum Maastricht-Vertrag!

Von der Kunst kluger Ordnungspolitik

24.09.2015 Pressemeldung KölnLiberal - Zeitschrift für Freie Demokraten in Köln

„Der Euro wird Europa nicht vereinigen, sondern spalten.“ Das prognostizierte der sozialliberale Vordenker der Freien Demokraten Ralf Dahrendorf vor der Einführung der Gemeinschaftswährung. „Das Projekt Währungsunion erzieht die Länder zu deutschem Verhalten, aber nicht alle Länder wollen sich so verhalten wie Deutschland. Für Italien sind gelegentliche Abwertungen viel nützlicher als feste Wechselkurse, und für Frankreich sind höhere Staatsausgaben viel sinnvoller als starres Festhalten an einem Stabilitätskriterium, das vor allem Deutschland nützt.“ Und weiter: „Aber der Preis (für die Euro-Mitgliedschaft Italiens) ist sehr hoch, und es kann sich schon bald herausstellen, daß er zu hoch ist – psychologisch, politisch und ökonomisch.“
(Der Spiegel: Alle Eier in einem Korb, 11.12.1995).

Ein anderes großes liberales Leitbild war der gleichen Ansicht. 23.04.1998 erklärte der Wirtschaftsliberale Otto Graf Lambsdorff im Deutschen Bundestag, warum er der Einführung des Euro nicht zustimmen kann: „Ich habe die endgültige Zustimmung davon abhängig gemacht, dass die Kriterien des (Maastricht-)Vertrages strikt eingehalten werden und dass ihre Dauerhaftigkeit gesichert wird. Ich habe Zweifel, ob die Kriterien (von Italien) wirklich strikt eingehalten wurden. Stichwort: „Kreative Buchführung“. Trotzdem könnte ich heute zustimmen. Die politischen Argumente sind gewichtig, die stabilitätspolitischen Erfolge im Vorlauf zum Euro beeindruckend. Gilt das auch für die Nachhaltigkeit? Leider nein.“

Ralf Dahrendorf und Otto Graf Lambsdorff hatten Recht. Die Euro-Zone ist gespalten in Gläubiger und Schuldner. Die Reformerfolge einiger Krisenländer wurden erkauft mit steigenden Staatsschulden und dem dauerhaften Bruch des Maastricht-Vertrags in fast allen Ländern der Euro-Zone. Durch den Verlust des rechtlichen Ordnungsrahmes ist an die Stelle zukunftsgerichteter Politik kurzatmige Rettungspolitik getreten, die ohne die beispiellosen Interventionen der EZB bzw. die Politisierung des Geldsystems gänzlich handlungsunfähig wäre.

„Was schlecht für die Wirtschaft ist, kann nicht gut für die Politik sein“ Der Euro kann nur dann überleben, wenn die Politik den Weg zurück zum Maastricht-Vertag geht, aus den Fehlern lernt und das Regelwerk grundlegend reformiert. Dahrendorf und Otto Graf Lambsdorff geben wichtige Hinweise, wie dieser Weg beschritten werden kann:

I.) Bei der Grundlegung der Währungsunion muss der Vorrang des ökonomisch Machbaren vor dem politisch Erwünschtem herrschen. Kluge Ordnungspolitik setzt sich die Gesetze des Marktes als Rahmen.

II.) Kluge Ordnungspolitik setzt sich außerdem das Recht als Rahmen, nur innerhalb dessen politische Konflikte friedlich ausgetragen und entschieden werden können.

Mehr Markt wagen!

I.) Das Kernstück des Maastricht-Vertrags ist die Nicht-Beistandsklausel. Kein Land darf für die Schulden eines anderen Landes aufkommen. Diese ökonomisch notwendige Regel wurde durch den Einsatz der Rettungsschirme und die Geldpolitik der EZB außer Kraft gesetzt. Der Weg zurück zu ihr führt über eine Insolvenzordnung, welche die Freien Demokraten bereits 2011 gefordert haben und nun anlässlich der Eskalation der Griechenland-Krise erneut thematisieren. Aus dem Verlauf der Euro-Krise haben wir allerdings gelernt, dass es keine wirklich politisch unabhängigen Instanzen geben kann, die zum Beispiel darüber bestimmen könnten, wann ein Land als zahlungsunfähig gilt. Selbst die EZB übertritt ihr Mandat, indem sie zum Beispiel den griechischen Staat über Notkredite vor der Insolvenz rettet. Tatsächlich ist zur objektiven Insolvenzfeststellung nur eine Institution in der Lage: der freie Kapitalmarkt. Entziehen die Anleger unter Berücksichtigung ihrer Haftungsrisiken der Politik eines Landes das Vertrauen, drückt sich das in allmählich steigenden Zinsen am Anleihemarkt aus, über den sich die Staaten finanzieren. Diese Preissignale dienen als Frühwarnsystem, um politische Fehlentscheidung möglichst frühzeitig zu korrigieren. Für den Fall, dass ein Land seine Schulden nicht mehr bedienen kann, muss ein fester Rahmen für die Verhandlungen zwischen Schuldner und privaten Gläubiger geschaffen werden.

II.) Führt ein Staat dauerhaft keine geeigneten Reformen durch und bleibt deshalb vom Kapitalmarkt abgeschnitten, muss automatisch eine Austrittsordnung greifen, die u.a. die Einführung einer neuen Währung im Krisenland regelt sowie die damit zusammenhängenden Ansprüche der privaten Gläubiger. Christian Lindner forderte in Anlehnung an Hans-Werner Sinn deshalb völlig zu Recht eine „atmende Währungsunion“, aus der Mitglieder nach festen, allgemeingültigen Regeln ein- und wieder austreten können. Durch die Möglichkeit der Abwertung der neuen Währung können Reformen zeitweise effizient unterstützt werden. Außerdem bleibt die Stabilität des Euro von der Pleite eines Mitgliedstaates weitgehend unberührt, da die Entwicklungen an den Kapitalmärkten für alle Marktteilnehmer transparent sind und Zeit für entsprechende Anpassungen besteht. Ein Stabilitätsmechanismus, der an den Sachzwang der Märkte statt an den jeweiligen politischen Willen gekoppelt ist, könnte die Einführung des Euro für die Nicht-Euroländer der EU attraktiver machen. Und schließlich fördern neue Landeswährungen den Währungswettbewerb nicht nur mit dem Euro, sondern auch untereinander.

III.) Damit sich die Preise an den Kapitalmärkten frei entwickeln können, forderten die Freien Demokraten bereits, dass die Bewertung von Risiken der Staatsanleihen nicht von gesetzgeberischenVorgaben beeinflusst werden dürfen. Das ist der richtige, marktwirtschaftliche Weg. Darüber hinaus aber muss die EZB reformiert werden, damit sie im Notfall nicht mehr als Retter letzter Instanz auftreten und weder die freien Preissignale des Marktes aushebeln, noch die Anlegerrisiken vergemeinschaften kann. Aus diesem Grund müssen ihr Anleihekäufe untersagt werden und ihr Mandat strikt auf die Preisstabilität beschränkt bleiben. Außerdem müssen die Target-Salden, die Kredite nationaler Notenbanken gegenüber dem EZB-System, wie in den USA einmal im Jahr ausgeglichen werden. Und schließlich muss es der EZB untersagt sein, die Insolvenz von Banken und Staaten durch Notkredite zu verhindern. Die Kunst kluger Ordnungspolitik liegt in der Selbstbeschränkung der politischen Macht, denn es sind die Gesetze der Märkte und das Recht, die Wohlstand schaffen und Frieden und Freiheit sichern.

Thomas Rausch
Mitglied des StBV-Vorstandes Nippes

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