Unterbringung und Integration von Flüchtlingen in Köln

10.09.2015 Beschlüsse der Ratsgremien FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Die Antragsteller haben gebeten, folgenden Dringlichkeitsantrag in die Tagesordnung der Ratssitzung am 10. September 2015 aufzunehmen, der mit großer Mehrheit beschlossen wurde.

Weltweit erleben wir die größte Flüchtlingsbewegung nach dem II. Weltkrieg mit derzeit über 60 Mio. Menschen auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Zerstörung und menschenunwürdigen Lebensbedingungen in ihren Heimatländern. Deutschland ist das Land in Europa, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Die Bundesregierung hat zuletzt die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge in 2015 auf 800.000 Menschen nach oben korrigiert.

Auch Köln erreicht eine deutlich höhere Zahl von Flüchtlingen als ursprünglich prognostiziert. Wurde Anfang des Jahres noch mit einer Zahl von 300 Menschen pro Monat gerechnet, wurde diese jetzt mit 800 Flüchtlingen pro Monat beziffert. Angesichts der sich in den letzten Monaten verschärfenden internationalen Krisenlage steht die Stadt Köln nun – wie viele andere Kommunen auch – vor der großen Herausforderung, die gestiegene Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen und kurzfristig für eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung Sorge zu tragen. 

Dies stellt die Verwaltung vor erhebliche Herausforderungen, die nur gemeinsam mit der gesamten Stadtgesellschaft gelöst werden können, damit Köln weiterhin eine menschenwürdige Unterbringung und Integration der Flüchtlinge gewährleisten kann. 

In dem Zusammenhang würdigt der Rat besonders das große Engagement der Kölnerinnen und Kölner, die in vielen Initiativen eine beeindruckende Kölner Willkommenskultur aufgebaut haben und jeden Tag praktisch leisten. 

In den Ratssitzungen am 16.12.2014 und am 24.3.2015 hat sich ein breiter Konsens der demokratischen Fraktionen des Rates zusammengefunden, der die Verwaltung mit notwendigen Maßnahmen zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen beauftragte sowie Forderungen nach Kostenübernahme für die Flüchtlingsunterbringung und einer gerechten Zuweisungspraxis an Land und Bund richtete. 

Darauf aufbauend schlagen die Antragsteller dem Rat folgenden Beschluss vor: 

Beschluss: 

I. 
Der Rat bekräftigt seinen Beschluss vom 16.12.2014 (AN/1784/2014) zur Unterbringung von Flüchtlingen in Köln und bittet die Verwaltung, den aktuellen Sachstand hinsichtlich der Umsetzung der einzelnen Beschlusspunkte dem Ausschuss Soziales und Senioren, dem Integrationsrat, dem JHA und dem Hauptausschuss periodisch berichten. Insbesondere soll hierbei auch über die Ergebnisse zu den im Rat in seiner Sitzung am 24.03.2015 beauftragten Mindeststandards berichtet werden. Dabei erfordert der in den vergangenen Monaten noch einmal gestiegene Zustrom von schutzsuchenden Menschen, dass die Verwaltung ihr besonderes Augenmerk auf folgende Punkte legt:

1. Absolut vorrangig ist, mehr geeignete Wohnobjekte und Grundstücke sowohl für die temporäre als auch dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen zu mobilisieren, um die Unterbringung in Turnhallen und Zelten zu vermeiden. Dazu wird die Verwaltung beauftragt: 

a. die Stadtwerke und ihre Tochterunternehmen sowie städtische Unternehmen aufzufordern, der Verwaltung eine Aufstellung ihrer leerstehenden Gebäude sowie Freiflächen bis Ende Oktober 2015 vorzulegen. 

b. Verstärkt und fortlaufend städtische Liegenschaften für die Flüchtlingsunterbringung prioritär zu prüfen und die Ergebnisse dem Ausschuss Soziales und Senioren, dem Liegenschaftsausschuss und dem Betriebsausschuss Gebäudewirtschaft vorzulegen. 

c. mit der GAG Immobilien AG und moderne Stadt GmbH, sowie ggf. gemeinsam mit der TH Köln, Fakultäten für Architektur und Bauingenieurwesen, bis Ende des Jahres 2015 konkrete Vorschläge zu erarbeiten, wie kurzfristig die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge in Einfachbauweise realisiert werden kann. 

d. die Landesregierung aufzufordern, Ausnahmegenehmigungen zur flexibleren Handhabung von Bauvorschriften bei der Errichtung von Wohnraum für Flüchtlinge zu erlassen. Dazu gehört auch, dass geringfügige Über- oder Unterschreitungen vorgegebener Wohnungsgrößen außer Acht gelassen werden 

e. und die logistischen, zeitlichen, finanziellen und vergaberechtlichen Rahmenbedingungen für den Bau von Holzständerbauten in Ergänzung zu den derzeit nicht lieferbaren Wohncontainerbauten für die Unterbringung von Flüchtlingen darzulegen. 

f. die personelle Verstärkung von betroffenen Dienststellen und Ämtern (insbesondere Wohnungsamt, Ausländerbehörde usw.) einzuleiten. 

g. die rechtlichen Grundlagen für die Anwendung des § 19 Ordnungsbehördengesetz NRW für die mögliche Nutzung geeigneter Immobilien kurzfristig darzustellen. 

2. Die Verwaltung wird beauftragt, einen Betreuungsschlüssel von 1:80 für die Betreuung von Flüchtlingen zugrunde zu legen. Dies gilt vorrangig für die soziale Betreuung. Darüber hinaus ist auf ein Betreuungsnetz von ehrenamtlichen Helfer*innen und Hausmeistern sowie Sicherheitsfirmen zurückzugreifen. Besondere Anstrengungen sind für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, wie z.B. Traumatisierte, Frauen, Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrung, sowie Flüchtlinge mit LSBT-Hintergrund zu unternehmen. 

3. Zudem ist ein besonderes Augenmerk zu legen auf die Betreuung der aktuell und mittelfristig in Köln ankommenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Hier muss eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung und Versorgung gewährleistet werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher zum 01.01.2016 soll eine bedarfsgerechte Personalausstattung und Platzzahl geschaffen werden, um die Betreuung der Kinder und Jugendlichen während ihres Aufenthalts in Köln zu gewährleisten. 

In diesem Zuge appelliert der Rat an alle Träger der Jugendhilfe, sich am dringend benötigten Platzausbau für Kinder und Jugendliche zu beteiligen.

4. Das Jobcenter und die Bundesanstalt für Arbeit werden gebeten, die Anstrengungen für die Qualifizierung und Vermittlung von Flüchtlingen zu verstärken. 

5. Der Rat der Stadt Köln appelliert an die Landesregierung, die aktuell vom Bund bereitgestellten Mittel in vollem Umfang an die Kommunen weiter zu geben. 

II. 
Unter Berücksichtigung dieser Bausteine und Rahmenbedingungen wird die Verwaltung gebeten, das „Konzept zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen“ vom 14.07.2011 (1891/2011 Anlage 1) zu einem gesamtstädtischen ressortübergreifenden Handlungsprogramm zur Unterbringung, Betreuung und Integration von Flüchtlingen weiterzuentwickeln, das die genannten Schwerpunkte setzt, die geschilderten drastischen Entwicklungen bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge berücksichtigt und den besonderen, sich aktuell noch einmal besonders abzeichnenden Herausforderungen Rechnung trägt. Die Ergebnisse der beschlossenen Erarbeitung von Mindeststandards sollen in das Programm einfließen. 
Da davon auszugehen ist, dass ein großer Anteil von Flüchtlingen mittel- bis langfristig in Köln bleiben wird, ist das Handlungsprogramm um den Punkt „ Integration“ (kulturelle Orientierung, Sprachkompetenz und Bildung, Gesundheit, berufliche Orientierung und Eingliederung) zu ergänzen. 

III. 
Die Verwaltung wird beauftragt einen Kölner Flüchtlingsgipfel unter Einbeziehung des Runden Tischs für Flüchtlingsfragen durchzuführen, um notwendige Maßnahmen und Kooperationen zur Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge zu optimieren. Daran sollen u.a. die kirchlichen Träger und engagierten Gemeinden, die Wohlfahrtsverbände, der Integrationsrat, die Willkommensinitiativen, die Stadtwerke, die GAG AG, das Wohnungsbauforum, die Antoniter-Siedlungsgesellschaft mbH Köln, die Aachener Siedlungsgesellschaft mbH Köln, die Fachbereiche Architektur, Bauingenieurwesen und Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln teilnehmen.

gez. Dr. Barbara Lübbecke
SPD-Fraktionsgeschäftsführerin

gez. Niklas Kienitz
CDU-Fraktionsgeschäftsführer

gez. Jörg Frank
GRÜNE-Fraktionsgeschäftsführer

gez. Michael Weisenstein
DIE LINKE-Fraktionsgeschäftsführer

gez. Ulrich Breite
FDP-Fraktionsgeschäftsführer

gez. Thomas Hegenbarth
Piraten-Gruppensprecher

gez. Thor Zimmermann
DEINE FREUNDE

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