„Noch Luft nach oben“
23.06.2009 Meldung FDP-Kreisverband Köln
Kleines Wirtschaftsforum der FDP Fraktion im Rathaus
Von Wolfgang Baumann
Kleines Wirtschaftsforum statt Große Fraktion – im Rahmen der sonst zu dieser Zeit stattfindenden Fraktionssitzung luden der Fraktionsvorsitzende Ralph Sterck und der wirtschaftspolitische Sprecher Marco Mendorf zu einer interessanten Gesprächsrunde ein. Anwesend waren am Mittwochabend, 20.05., neben den Mitgliedern der Großen Fraktion auch viele Besucher. Als Referenten konnten gewonnen werden: Christian Buchweitz vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln und zwei Vertreter der Industrie- und Handelskammer Köln: Hauptgeschäftsführer Dr. Herbert Ferger und Dr. Matthias Mainz, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft und Statistik.
Vor Beginn der Gesprächsrunde stellte Buchweitz eine aktuelle Studie zur Wirtschaftskraft der Stadt Köln vor: Das zweite wissenschaftliche Regionalranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) im IW Köln. Die Studie berücksichtigt zahlreiche ökonomische Indikatoren wie Kaufkraft, Bruttoinlandsprodukt je Einwohner oder Ausbildungsplatzdichte.
Wie auch vergleichbare Studien von anderen Instituten zeigt das Regionalranking: Köln ist vor allem Mitte. In einer Stadt, die sich ohnehin gerne als die Mitte von Deutschland betrachtet, vielleicht nicht so überraschend. Ein Grundproblem sollte man dabei aber nicht übersehen: Die Stadt wird in der Öffentlichkeit kaum als attraktiver Wirtschaftsstandort wahrgenommen. Bei Köln denkt man zuerst an Lebensfreude, Toleranz und kulturelle Vielfalt. „So schön und wichtig das ist“, erklärte Buchweitz, „für die Qualität eines Wirtschaftsstandortes reicht das nicht aus“. Leider gelinge es den Kölnern nicht, „ihr positives Lebensgefühl auch auf die Wirtschaft zu übertragen“.
Das habe zur Folge, dass Köln hier im Vergleich zu vielen anderen Großstädten wie etwa Hamburg weit hinter seinem eigentlichen Potenzial zurückbleibe, so Buchweitz, da sei „noch viel Luft nach oben“. Köln habe aus wirtschaftlicher Sicht insgesamt keine wirklichen Stärken anzubieten, allenfalls eine recht gute Dynamik bei Gewerbeanmeldungen und auch eine ausgewogene Alterstruktur. Da tröste es wenig, dass die Stadt hier auch keine echten Schwächen zeige, „mal abgesehen von der Rekordverschuldung“: die liegt bei etwas über 3.000 Euro je Einwohner, während der bundesweite Schnitt bei knapp 1.500 liegt. Hinzu kommt ein erhebliches Sicherheitsproblem: Köln hat die meisten Straftaten in ganz NRW.
Insgesamt sei Köln als Standort zwar nicht wirklich schwach, aber auch nicht wirklich stark, da drohe ein Erstarren in der ewigen Mitte: „Diese Mittelfeldposition kommt in fast allen Untersuchungspunkten voll durch“, sagte Buchweitz.
Fazit in der gerne gebrauchten Fußballersprache: Für Köln als Wirtschaftsstandort reicht es zwar locker zum Klassenerhalt, aber damit kann man nicht zufrieden sein. Die schmackhaften und lukrativen Fleischtöpfe der Champions-League erreicht man so nicht. Zumal die Studie auf Datenmaterial von 2008 beruht und negative Auswirkungen der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise noch gar nicht richtig erfasst sind. Ein weiteres Abrutschen ins untere Mittelfeld ist also keineswegs unwahrscheinlich. Um das zu verhindern und wieder einen Weg nach oben zu finden, müsse sich Köln „auch als Wirtschaftsstandort besser vermarkten und zum Beispiel Projekte in der Verkehrsinfrastruktur oder am Rheinauhafen ausbauen“, statt zu sehr auf „softe Standortfaktoren wie Lebensfreude zu setzen“.
Vielleicht auch gar nicht als einzelne Stadt allein, sondern über regionale Zusammenschlüsse mit vergleichbaren Partnerstädten wie zum Beispiel Düsseldorf. Auf diese bislang „vernachlässigte“ Möglichkeit wiesen auch die beiden IHK-Vertreter hin. Eine „Wirtschaftsregion Rheinland“ mit Schwerpunkt Köln/Düsseldorf könne erfolgreicher nach außen vermarktet werden, sagte Herbert Ferger, „schon deshalb, weil Düsseldorf insbesondere im Ausland viel stärker als wirtschaftlich attraktiver Standort gilt“. Matthias Mainz wies zudem auf die „sehr negative Arbeitsmarktentwicklung“ hin, die Köln als einzelne Stadt in der Außenwahrnehmung sehr belaste. Für Christoph Buchweitz ist das ein „kölntypischer Klotz am Bein“, andere Großstädte würden Probleme mit gering Qualifizierten oder auch hohen Migrationsanteilen offenbar besser lösen.
Wirkliche Schwierigkeiten für eine erweiterte „Wirtschaftsregion Rheinland“ erwartet Ferger nicht, aber man müsse endlich mal die „Grundfrage richtig angehen: was machen andere vergleichbare Städte hier besser? Eine Antwort sehe ich im Zusammengehen von mehreren Partnern, die sich auf Augenhöhe begegnen und im gemeinsamen Außenauftritt individuelle Stärken zeigen können“. Davon könnten alle Beteiligten nur profitieren.
Geographische Fragen sieht er als „das geringste Problem, denn wer in der Region dazugehören will, soll dazugehören“. So sei etwa Duisburg nicht nur „Ruhrpott“, sondern liege bekanntlich auch am Rhein. Ferger würde sich wünschen, dass solche Überlegungen „künftig viel genauer analysiert werden, um gemeinsam aus dem Mittelfeld herauszukommen“. Und leicht ironisch erklärte Ferger abschließend zur ewigen Rivalität zwischen Köln und Düsseldorf: „Der Wirtschaft – im Sinne von industrieller Wirtschaft – ist es herzlich egal, ob jemand lieber Kölsch oder Alt trinkt“.