"Da ist eine ungeduldige Mitte, die das Land wieder vorne sehen will"

Im Gespräch mit Johannes Vogel

07.05.2017 Pressemeldung KölnLiberal - Zeitschrift für Freie Demokraten in Köln

Johannes Vogel

Herr Vogel, das Jahr 2017 ist zum Schicksalsjahr der FDP ausgerufen worden. Entscheidende Wahlen stehen vor der Tür. Sind die Freien Demokraten gut aufgestellt?

Ja. Wir haben in den letzten Jahren einen Erneuerungsprozess durchlaufen. In jedem Moment stand dabei die Frage im Mittelpunkt: Warum muss es unsere Partei geben? Diese Frage haben wir inhaltlich und auch in Sachen Stil beantwortet. Heute sind wir ein verschworener Haufen an Überzeugungstätern. Das spüren die Menschen im Land. Wir punkten mit Konzepten und das macht uns messbar schlagkräftig: Seit 2015 konnten wir bei jeder Wahl dazugewinnen. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir am 14. Mai in NRW und am 24. September im Bund fortschreiben.

In den Niederlanden sind die Rechtspopulisten weniger erfolgreich gewesen als prognostiziert. Bei der bevorstehenden Präsidentenwahl in Frankreich könnte das anders aussehen. Welche Auswirkungen erwarten Sie vom Wahlausgang in Paris?

Eine rechtsautoritäre Marine Le Pen als französische Präsidentin – das würde alles in Frage stellen. Es ist nicht übertrieben zu sagen: 2017 geht es um die Grundkoordination Europas und damit der Welt, in der wir leben. Die gute Nachricht ist: 2017 kann auch das Jahr sein, in dem die Kräfte der Mitte sich durchsetzen. In den Niederlanden ist das schon gelungen. Je nach Institut liegt in Frankreich auch Emmanuel Macron vorne. Er ist ein junger Kandidat der Mitte, der Lust auf Zukunft hat und mit Frankreich ins 21. Jahrhundert will. Auch hier bin ich optimistisch. Und deshalb wollen in Deutschland wir Freie Demokraten auch stärker werden als die AfD.

In Düsseldorf scheint es für Rot-Grün nicht mehr zu reichen. Es wird angesichts der aktuellen Umfragewerte bereits über eine mögliche sozialliberale Koalition gesprochen. Wäre das eine Option für die FDP?

Wir lassen uns durch Umfragen nicht von der Arbeit ablenken. Wir bleiben konzentriert auf den Wahlkampf und werben für liberale Lösungen – nicht für Koalitionen. Aber die Wähler müssen wissen, woran sie sind: Weil liberale Inhalte als dritter Partner in einer sieben Jahre bestehenden Konstellation unrealistisch sind, haben wir beim letzten Landesparteitag eine Ampel-Koalition für NRW ausgeschlossen. Ansonsten wollen wir bei der Wahl jetzt erst mal möglichst viele Menschen überzeugen. Je nachdem was her aus kommt, sind wir dann mit Ausnahme der Ampel offen für Gespräche, weil wir unser Land ja verändern wollen. Genau darum geht es uns: einen echten Politikwechsel für NRW. Wenn wir diesen nicht durchsetzen können, gehen wir lieber in die Opposition – egal in welcher Konstellation.

Die aktuelle Diskussion über Islamistische Gefährder und die Abschiebung von Flüchtlingen berührt auch die liberalen Kernthemen Sicherheit und Freiheit. Wie kann hierbei am besten das Gleichgewicht gewahrt bleiben?

Grundsätzlich müssen wir in der Migrationspolitik endlich durch ein Einwanderungsgesetz nachvollziehbar drei Gruppen sortieren: Menschen, die aus humanitären Gründen mindestens vorübergehend unseren Schutz brauchen, Talente, die wir als alternde Gesellschaft und in Zeiten des Fachkräftemangels nach klaren Kriterien einladen wollen und denjenigen, für die gilt: weder noch. Wenn Menschen zur dritten Gruppe gehören, müssen sie konsequent zurückgeführt werden – das ist trotz aller Härten unumgänglich, denn ein Rechtsstaat setzt Regeln voraus, die auch relevant sind und zur Anwendung kommen. Bei den sicherheitspolitischen Fragen gilt: Bei bekannten Gefährdern muss der Rechtsstaat all Regelungen abzuschaffen. Auch Startups brauchen hierzulande bessere Bedingungen. Erste Maßnahme: ein bürokratiefreies erstes Jahr für Gründer, wovon vor allem auch die sogenannte „Cologne Bay“ profitieren würde. Ebenfalls auf der To do-Liste: Schnelles Internet und ein moderner Staat zum Beispiel mit Online-Bürgerämtern. Wir dürfen die Digitalisierung nicht verschlafen. Breitband im ganzen Land ist nur die Voraussetzung dafür, sie erfolgreich zu meistern. Außerdem: Jeder Kölner verbringt jährlich fast eine Woche Lebenszeit im Stau. Deswegen brauchen wir Investitionen in unser Straßennetz.

In den Umfragen der Meinungsforscher stehen die Freien Demokraten erfreulich gut da. Aber nach Brexit, Trump und der Wahl im Saarland scheinen die Institute mit ihren Voraussagen nicht mehr immer ganz richtig zu liegen. Haben Sie auch andere Indikatoren zu Verfügung, ob die FDP bei den Wählerinnen und Wählern tatsächlich gute Chancen hat?

Absolut! Anfang April waren wir als FDPNRW mit einer ersten Wahlkampf-Tour im ganzen Land unterwegs. Alle Veranstaltungen waren bestens besucht und nicht nur die zahlenmäßige Resonanz war eindeutig. Die Gespräche zeigten mir: Da ist eine ungeduldige Mitte, die das Land wieder vorne sehen und Zukunft gestalten will. Den Weg gehen wir gemeinsam, belegt durch zahlreiche Neueintritte. Allein in der FDP-NRW begrüßen wir über 700 Neumitglieder seit Ende Januar – so viele haben wir sonst in einem halben Jahr nicht.

Wenn wir am 14. Mai in NRW erfolgreich sein werden, wie wird es dann bis zur Bundestagswahl weiter gehen?

Genauso wie bis jetzt. Das heißt: hohe Konzentration und harte Arbeit als Team. Für den Bund werden wir wie für NRW ein starkes Programm haben, das wir mit einer tollen Kampagne den Menschen präsentieren. Aber an alle fleißigen und ehrenamtlichen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern im Dauereinsatz des Jahres 2017 sei gesagt: Natürlich dürfen wir uns im Mai nach einem starken Ergebnis freuen und kurz durchatmen. Bis dahin gilt aber: Jeder Tag zählt, noch ist nichts entschieden!

Eine persönliche Frage: Sie kommen ja wie Christian Lindner aus Wermelskirchen. Wie kommt es, dass dieser Ort so zur Talentschmiede für die Liberalen wurde?

(lacht) Gute Frage, da muss wohl irgendwas im bergischen Wasser sein. Bis vor kurzem hatten wir da sogar noch einen FDP-Bürgermeister. Nein, im Ernst: Eine wunderschöne Heimat, aber eine echte Erklärung für diese Häufung habe ich auch nicht.

Sie wohnen zur Zeit in Nippes. Wie kam es dazu?

Wenn man in Wermelskirchen aufwächst, ist Köln die Großstadt, an der man orientiert ist. Daher lag der Gedanke nahe, als ich 2014 entschieden habe, meinen Lebensmittelpunkt von Berlin wieder nach NRW zu verlagern. Eine logistische Herausforderung kam hinzu: Mein erster beruflicher Einsatzort in der Bundesagentur für Arbeit als Leiter Strategie der internationalen Abteilung war in Bonn, wo sie sitzt. Meine Aufgabe als FDP-Generalsekretär in NRW führt mich oft nach Düsseldorf, meine politische Wahlheimat ist Olpe im Sauerland – da liegt Köln auch noch genau in der Mitte.

Und was gefällt Ihnen an Köln und Nippes besonders?

Köln ist einfach die urbanste, vielfältigste Stadt in NRW. Und für Nippes gilt das nach meinem Gefühl besonders: Hier passiert im Moment viel, zu den urkölnischen Einflüssen und der starken türkischen Prägung kommt immer Neues dazu, gleichzeitig ist die Stimmung entspannt – das mag ich sehr. Die relativ zahlreichen Gründerzeit-Häuser sind wunderschön, die Flora ist nah, in der oder um die ich jeden Morgen je nach Uhrzeit laufe. Und dann haben wir auch noch das beste Sushi-Restaurant in Köln. Was will man mehr?

Zu guter Letzt: Gibt es noch etwas, was Sie den Kölner Freien Demokraten schon immer mal sagen wollten?

Bleibt wie ihr seid und nutzt das vielfältige Potenzial dieser weltoffenen, unternehmenslustigen, optimistischen Stadt. Wir können als erneuerte Freie Demokraten auch in den großen Städten noch stärker werden. Unser stärkster Kreisverband, wir zählen auf Euch! Und wann immer ich helfen kann: Sagt Bescheid!

Herr Vogel, herzlichen Dank für das Gespräch.

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