Die Reformschritte waren viel zu klein
Interview mit dem Kölner Bundestagsabgeordneten Reinhard Houben in der KölnLiberal
05.02.2025 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Herr Houben, die Ampelkoalition ist Geschichte. Nun bleibt eine ganze Reihe von Gesetzen liegen, die nicht mehr verabschiedet werden. War dieses plötzliche Ende wirklich nötig?
Nein, es gab eine Chance, sich auf einen Haushalt für 2025 zu verständigen, aber dafür hätten SPD und Grüne zu Einsparungen bereit sein müssen. Am Ende ließ es sich nicht vermeiden. Es gibt Grenzen des politischen Anstands. Wenn der politische Gegner versucht, eine Person oder eine Partei zu brechen, muss man sich zurückziehen.
Der Bundeskanzler ist schuld?
Olaf Scholz hatte an jenem Mittwoch von der FDP verlangt, die Schuldenbremse zu lockern. Er wollte eine Notsituation erklären, wo es gar keine gab. Er suchte einfach Geld für die Ukraine, für die Senkung der Netzentgelte und die Förderung von E-Autos. Das war aber keine Notlage. Das Aufweichen der Schuldenbremse wäre ein glatter Verfassungsbruch gewesen und die Regierung wäre damit nach wenigen Wochen oder Monaten in Karlsruhe gescheitert.
Christian Lindner blieb also keine Wahl?
Es war konsequent und richtig, dass er diesen Weg der Neuverschuldung abgelehnt hat. Dabei hatte die FDP angeboten, gemeinsam mit den Sozialdemokraten und Grünen einen geordneten Weg zu gehen. Wir wollten einen Nachtragshaushalt für 2024 beschließen und danach den Weg für Neuwahlen öffnen. Dies wurde von Olaf Scholz abgelehnt. Ich finde es übrigens bemerkenswert, dass der neue Finanzminister gar keinen Mehrbedarf sieht und keine Notlage erklären will.
Olaf Scholz hat danach im Fernsehen und später auch im Bundestag schwere Vorwürfe gegen Christian Lindner erhoben. Das klang so, als ob man sich in der Ampel schon lange auseinandergelebt hatte.
Es war unangemessen, wie sich Bundeskanzler Olaf Scholz öffentlich über seinen ehemaligen Partner und Finanzminister geäußert hat. Ein solcher politischer Stil entspricht nicht meiner Vorstellung einer respektvollen politischen Auseinandersetzung. Wir sollten alle darauf bedacht sein, nicht in solche Sprachmuster zurückzufallen. Das ist nicht würdig für Demokraten.
Wie ist es denn Ihnen persönlich ergangen? Immerhin haben Sie drei Jahre lang mit Robert Habeck als Wirtschaftsminister zusammengearbeitet. Hatte sich da auch so ein Unmut aufgestaut?
Es ist ja kein Geheimnis, dass die Vorstellungen von Robert Habeck und die der FDP ziemlich weit auseinander liegen. Wir haben immer wieder viel deutlichere Maßnahmen angemahnt, um die Wirtschaft in Deutschland wieder in Schwung zu bringen. Dies kann man auch in unserem Wirtschaftspapier nachlesen. Aber persönlich muss ich sagen, dass ich in der Vergangenheit wirklich gut und freundschaftlich mit Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen zusammengearbeitet habe.
Es gibt nun einige – auch in der FDP –, die meinen, die Ampel sei von Anfang an ein Irrtum gewesen und man hätte diese Koalition gar nicht eingehen dürfen.
Das sehe ich nicht so. Diese Mehrheit hat in den letzten drei Jahren auch eine Menge getan, um unser Land nach dem Mehltau der Merkel-Jahre wieder in Schwung zu bringen. Zu unseren Erfolgen zählen zum Beispiel drei Pakete zur Steuerentlastung, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, BAföG-Reform und Startchancenprogramm, die Erhöhung der Minijobgrenze, die Ratifizierung des Handelsabkommens mit Kanada, das Deutschlandticket, die
Streichung der EEG-Umlage und die Senkung der Stromsteuer und nicht zuletzt die Erhöhung des Verteidigungshaushalts. Außerdem muss man daran denken, dass Reformen im gesellschaftlichen Bereich mit der Union niemals möglich gewesen wären, wie zum Beispiel beim Werbeverbot zum Schwangerschaftsabbruch.
Das heißt, alles war gut?
Nein, es ist auch klar, dass die Reformschritte viel zu klein waren. Wir hätten noch mehr Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung gebraucht, mehr Bürokratieabbau, mehr Steuersenkungen, mehr Einsparungen, noch geringere Energiepreise und so weiter, aber das war bei SPD und Grünen nicht durchzusetzen. Was als Reformkoalition begann, endete als Reförmchenkoalition.
Und durch den Bruch der Koalition bleiben nun auch einige Aufgaben unerledigt.
Ja, das ist so, deshalb hatte die FDP ja den geordneten Weg zu Neuwahlen empfohlen. Die Verantwortung dafür, dass wir nun keinen Haushalt haben und neue Projekte nicht finanziert werden können, liegt alleine bei Olaf Scholz.Es gibt aber auch Vorschläge, denen ich keine Träne nachweine, zum Beispiel der Verlängerung der Mietpreisbremse, der Kindergrundsicherung oder dem Tariftreuegesetz von Arbeitsminister Heil. Es hätte viel Bürokratie gebracht, aber wenig Wirkung gehabt.
Macht die FDP jetzt auf Fundamentalopposition?
Nein, wir prüfen die Vorlagen der Regierung darauf, ob sie liberaler Politik entsprechen. Wenn das der Fall ist, sind wir dabei. So haben wir kurz vor Weihnachten dem Ausgleich der kalten Progression und der Erhöhung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags zugestimmt, ebenso der rechtlichen Absicherung des Bundesverfassungsgerichts und der Verlängerung des Deutschlandtickets.
Christian Lindner will nach der Bundestagswahl wieder Finanzminister werden. Wie will er das erreichen? Kommt dann die Ampel zurück?
Das schließe ich aus. Die Gemeinsamkeiten sind abgearbeitet. Wir sind in Opposition zu Rot-Grün und machen im Wahlkampf deutlich, dass Rot-Grün unserem Land schadet. Welche neuen Mehrheiten möglich sind, wissen wir erst nach der Wahl.
[Das Gespräch führte Christian Moritz.]