Es fehlt nur fließend Wasser
02.11.2011 Meldung FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Liberale informieren sich vor Ort über 10 Jahre Straßenstrich Geestemünder Straße
Vor Ort informierte sich eine Gruppe interessierter Liberaler über den Kölner Straßenstrich anlässlich seines 10-jährigen Jubiläums. Dieser wurde nämlich im Oktober 2001 eingerichtet. Zum damaligen Zeitpunkt boten rund um den Reichenspergerplatz im Agnesviertel drogensüchtige Prostituierte ihre Dienste an. Die zentrale Lage des Platzes führte zu heftigen Konflikten mit Anwohnern und Passanten. Die Situation drohte zu eskalieren und die Politik war gefordert.
Die FDP brachte das Uetrechter Modell ins Spiel. Ein Modell, welches quasi Pate stand für die Geestemünder Straße. Hier wie dort wurde den Prostituierten unentgeltlich ein Gelände zur Verfügung gestellt. Polizei, Ordnungs- und Gesundheitsamt sowie der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) sind für die Einhaltung der Platzordnung und für den Schutz und die Betreuung der Prostituierten zuständig.
Monika Kleine, Geschäftsführerin beim SkF, sowie Sabine Reichert, die viele Jahre für den SkF als Sozialarbeiterin auf der Geestemünder Straße tätig war, betonen unisono, dass der Erfolg des Straßenstriches von dieser Kooperation abhängig sei. „Das Projekt würde scheitern, sobald einer der Partner die Zusammenarbeit aufkündigt“, so Monika Kleine.
Weniger Gewalttaten
Beim Rundgang über das Gelände geht es an Haltestellenhäuschen und Plastikstühlen vorbei. Hier warten die Frauen in der Zeit von 12.00 Uhr bis 2.00 Uhr auf ihre Freier, die meist per Auto anreisen. Ist man sich einig geworden, geht es dann in der Regel in eine der sogenannten „Verrichtungsboxen“. Diese Boxen ähneln Garagen und sind in einer alten Scheune untergebracht. Wenn das Auto nach vorne eingeparkt wird, lässt sich nur die Beifahrertür öffnen; die Fahrertür ist durch die Seitenmauer blockiert. Das dient ebenso wie die Alarmknöpfe der Sicherheit der Prostituierten.
Stolz berichtet Sabine Reichart, dass die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Prostituierte massiv gesunken sei: „Als wir noch am Reichenspergerplatz tätig waren, gab es jede Woche eine Gewalttat. Das reichte von Nötigung über Vergewaltigung bis zur Körperverletzung. Hier können die Frauen viel sicherer arbeiten.“
Auf der Geestemünder Strasse finden sich Prostituierte mit ganz unterschiedlichen Lebensbiographien. Vor allem drogensüchtige Frauen sollen hier in geschützter Umgebung arbeiten können. „Fast alle Frauen, die hier arbeiten, konsumieren Alkohol, Kokain oder zu Heroin“, sagt Sabine Reichart. Der Spitzenautomat im Sanitärbereich der Prostituierten ist sichtbarer Beleg für die Suchtprobleme der Frauen.
Bescheidene Bedingungen
Nach dem Rundgang über das Gelände geht es in die sogenannte Kantine. Sie findet sich in einem Container und ist Treffpunkt und Rückzugsmöglichkeit für die Prostituierten. Hier können sie sich aufwärmen und in Ruhe einen Kaffee trinken. Darüber hinaus steht hier immer eine Mitarbeiterin des SkF als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Nebenan sind die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes untergebracht, die die medizinische Versorgung übernehmen.
Die Bedingungen, unter denen die Sozialarbeiterinnen hier ihren Dienst tun, sind mehr als bescheiden. So fehlt beispielsweise ein Wasseranschluss und das Wasser muss in Kanistern herangeschleppt werden. Trotz dieser widrigen Umstände finden die Prostituierten in der Kantine immer ein offenes Ohr sowie Unterstützung in schwierigen Situationen.
„Dass dieses Projekt, das längst zu einem Kölner Modell geworden ist und von interessierten Gruppen aus ganz Deutschland besucht wird, seit 10 Jahren so geräuschlos funktioniert, ist gleichzeitig sein Erfolgsrezept“, erklärt die Sozialpolitische Sprecherin der FDP-Ratsfraktion Katja Hoyer. Trotzdem bedürfe es der ständigen Unterstützung, die man auch durch die Aktivitäten an der Brühler Landstraße nicht vernachlässigen dürfe. Und zum 10-jährigen sei fließend Wasser ein angemessenes „Geburtstagsgeschenk“ für die dort Engagierten.