GALILEO-Vorstellung beim LibAK Medienpolitik
13.04.2009 Meldung FDP-Kreisverband Köln
Von Dr. Eva Fiedler
Auf Initiative von Wout Nierhoff, dem Vorsitzenden des Liberalen Arbeitskreises Medienpolitik der FDP-Köln, waren am 2. Dezember 2008 zwei Experten des Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS dort zu Gast, um das satellitengesteuerte Navigationssystem GALILEO vorzustellen: Dr. Christoph Becker, Dipl.- Physiker bei EADS in Bonn und zuständig für die Kontaktpflege zum öffentlichen Auftraggeber sowie Ulrich Scheib, Dipl.-Volkswirt bei EADS Astrium in München und zuständig für die Geschäftsentwicklung von GALILEO.
Die politische Vision eines großen Europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns entstand bereits in den neunziger Jahren unter den damaligen Regierungschefs Blair, Chirac und Kohl. Am 10.07.2000 wurde diese Vision durch die Fusion von DASA, Aerospatiale-Matra und CASA zur EADS – European Aeronautic Defence and Space Company im Beisein der Regierungschefs Aznar, Jospin und Schröder zur Realität. Als größter europäischer Luft- und Raumfahrtkonzern belegt EADS heute mit einer Beschäftigten Zahl von ca. 118.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit nach Boeing den 2. Platz. Der Umsatz betrug im Jahr 2008 ca. 43 Mrd. €.
Zu den vier Sparten der EADS gehören:
a) EADS Airbus einschließlich Airbus Military mit den Passagier- (u.a. A380), Tanker- und militärischen Transportflugzeugen. In dieser größten Division von EADS arbeiteten Ende 2008 ca. 59.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
b) Des weiteren ist EADS Eurocopter, gegründet 1992 und heute ein deutsch-französisch-spanischer Konzern mit rund 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der weltweit führende Hubschrauberhersteller für zivile und militärische Zwecke.
c) Die Sparte EADS Defence & Security bündelt alle Verteidigungs- und Sicherheitsaktivitäten und nutzt dabei ihre Kapazitäten in Militärflugzeugen (z.B. Eurofighter), Lenkflugkörper-, Verteidigungs- und Kommunikationssystemen sowie in der Verteidigungselektronik.
d) EADS Astrium mit ca. 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Standorten in Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien und in den Niederlanden unterhält modernste Konstruktions-, Fertigungs- und Testanlagen für z.B. Wetter-, Radar-, und Telekommunikationssatelliten und baut die Trägerrakete vom Typ Ariane sowie die europäischen Elemente an der Internationalen Raumstation ISS. Astrium zählt zu den weltweit führenden Unternehmen der Raumfahrtindustrie. Hier ist auch das europäische Satellitennavigationssystem GALILEO-Projekt angesiedelt.
Zu den strategischen Zielen von EADS in den nächsten Jahren „Vision 2020“ gehören u.a. die Herstellung eines ausgewogeneren Portfolio-Gleichgewichts zwischen Airbus und den anderen Divisionen sowie der weitere Ausbau der Marktpräsenz außerhalb Europas, speziell in den Vereinigten Staaten und in Asien zur Sicherung und dem Erhalt der europäischen Fähigkeiten in der Luft- und Raumfahrtindustrie.
Ende der neunziger Jahre startete die EU in einer Gemeinschaftsinitiative von Kommission und der Europäischen Weltraumagentur ESA das GALILEO-Programm, um Europa von dem US-System GPS und dem russischen System GLONASS, die beide unter militärischer Kontrolle und vorrangig für militärische Konzepte konzipiert wurden, unabhängig zu machen.
Von Anfang an ist GALILEO, das unter ziviler europäischer Kontrolle steht, so angelegt, dass es mit GPS und GLONASS interoperabel und kompatibel ist. Die GALILEO-Nutzer werden in der Lage sein, die Signale aller Systeme über einen einzigen Receiver zu empfangen.
Ziel ist es, mit Hilfe von GALILEO, dem größten High-tech Projekt der Europäischen Union, Chancen für Europa und damit auch für Deutschland in einem Zukunftsmarkt mit geschätztem Marktvolumen von ca. 450 Milliarden Euro zu eröffnen. Es geht also nicht nur um die Positionierung der europäischen Weltraumindustrie im internationalen Wettbewerb, sondern darüber hinaus um wirtschaftliches Wachstum. Dazu zählen neue Beschäftigungsfelder und neue Arbeitsplätze in den bereits existierenden und den noch entstehenden Märkten für satellitengestützte Anwendungsbereiche und Dienste.
Während GPS (USA) und GLONASS (Russland) von Anfang an für militärische Einsätze konzipiert wurden und nur zweitrangig im zivilen Bereich eingesetzt werden, soll GALILEO vornehmlich zivilen Zwecken dienen und Anwendung in folgenden Bereichen finden: Straßen- und Schienenverkehr, Luftfahrt, öffentlicher Personenverkehr, Seefahrt, Sicherheit, Energie, Telekommunikation, Finanzdienste, Versicherungen, Bauwesen, Landwirtschaft, Fischerei, Umweltschutz, Zivilschutz, Zeitbestimmung, Wissenschaft, Freizeit etc.. GALILEO bietet damit überall und für jedermann satellitengestützte Positionsbestimmung mit garantierter Zuverlässigkeit.
Die Differenzierung von GALILEO gegenüber den anderen Systemen wird darin bestehen, dass es mehrere, nämlich sowohl frei verfügbare als auch verschlüsselte Signale senden kann, die von den unterschiedlichsten Nutzergruppen wie beispielsweise Regierungen, Rettungsdienste usw. bis hin zu Privatpersonen empfangen werden können. Das bisherige GPS-System der USA stellt dem zivilen Nutzer bisher nur ein Signal zur Verfügung.
Die GALILEO-Dienste umfassen fünf Bereiche: den für die Massenmarkt-Anwendungen kostenlosen offenen Dienst (Open Service OS); den sicherheitskritischen Dienst (Safety-of-Life Service SoL) mit weltweit hoher Integrität bei sicherheitskritischen Anwendungen; den kommerziellen Dienst (Commercial Service SC), mit kostenpflichtigen Mehrwertdiensten bei höheren Leistungen; dem öffentlichen regulierten Dienst (Public Regulated Service PRS) für Regierungsanwendungen mit Zugangskontrolle und den Such- und Rettungsdienst (Search and Rescue Service SAR), Europas Beitrag zu den gemeinsamen internationalen Bemühungen im Bereich der humanitären Such- und Rettungsdienste.
Das GALILEO-System basiert einerseits auf einem Weltraumsegment mit 30 Satelliten, die in einer Höhe von ca. 24.000 km über der Erde kreisen werden und andererseits auf einem terrestrischen Segment mit bis zu drei Bodenkontrollzentren. Zwei davon sind bereits fertig gestellt und befinden sich zum einen in Deutschland, in Oberpfaffenhofen und zum andern in Italien, in Fucino. Die dritte Bodenstation, die in Spanien angesiedelt werden soll, ist noch in Planung. Das deutsche GALILEO-Kontrollzentrum (GCC) ist seit dem 8. September 2008 in Oberpfaffenhofen beheimatet. Es wurde jeweils zur Hälfte vom Land Bayern und dem Bund finanziert. Gesamtkosten: 16 Millionen Euro.
Einhundert Wissenschaftler und Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben dort inzwischen Einzug gehalten. Seit Dezember 2006 kreist der erste Testsatellit „GIOVE-A“-GIOVE als Abkürzung für Galileo In Orbit Validation Element oder italienisch für Jupiter - um die Erde und Ende April 2008 startete der von Astrium gebaute zweite Testsatellit „Giove-B“ mit erhöhter Leistungsfähigkeit und hoch präzisen Signalen ins All. An Bord des zweiten Satelliten wird u. a. eine Atomuhr getestet, die bis auf die Milliardstel Sekunde genau ist. Die Atomuhr geht in 2 Millionen Jahren um nur 1 Sekunde vor oder nach.
Bis 2010 sollen dann vier weitere Satelliten folgen und man plant bis 2013 sukzessive die noch fehlenden 26 Satelliten in rund 24.000 Kilometern Höhe installiert zu haben, die dann die Erde auf festgelegten Bahnen umkreisen werden.
Der Nutzen des GALILEO-Systems liegt, abgesehen von dem politischen Ziel, zum GPS-System eine globale Alternative bereitzustellen, die nicht unter militärischer Kontrolle ist, im wesentlichen in den technologischen und kommerziellen Anwendungsmöglichkeiten. Dabei können die GALILEO-Signale auch mit anderen GNSS- (GPS, GLONASS) oder Nicht-GNSS-Systemen (z.B. GSM, UMTS) kombiniert werden, um leistungsfähigere Dienstleistungen für spezielle Anwendungen zu ermöglichen.
Konkrete Anwendungsbereiche wären dann, so Ulrich Scheib, z.B. höhere Sicherheit und verbesserte Genauigkeit im Landeanflug sowie eine Automatisierung der Landwirtschaft. Das heißt, in etwa zehn Jahren könnte die Feldarbeit satellitengesteuert erfolgen und der Lanwirt brauchte nur noch zu überwachen. Das wäre bequem, kostensparend und umweltschonend, da die Maschine nach einer Bodenanalyse nur so viel Saatgut und Dünger wie nötig verteilen würde.
Ein weiterer Bereich wäre der digitale Notruf, über den der Besitzer eines Receivers nicht nur Hilfe rufen, sondern gleichzeitig seine exakte Position mit Hilfe des Navigationsgerätes an den Rettungsdienst übermitteln könnte.
Auf die Frage Wout Nierhoffs nach der Finanzierung wurde festgestellt, dass GALILEO eigentlich zu großen Teilen aus der freien Wirtschaft finanziert werden sollte. Ein Zusammenschluss von Unternehmen, die die neue Technik später vermarkten würden, sollte sie mitfinanzieren. Doch Unstimmigkeiten über die Geschäftskonzepte und vor allem über die Risiko-Bewertung in dieser frühen Programmphase führten im Mai 2007 zum Scheitern der Public-Private-Partnership-Pläne(PPP).
Nach langem Ringen war daraufhin beschlossen worden, das Navigationssystem komplett aus öffentlicher Hand zu finanzieren, wobei die PPP-Option für den späteren Betrieb noch weiter in Betracht gezogen wird. Ende April 2008 gab das Europäische Parlament grünes Licht für die Ausschreibung dieses Milliardenprojekts. Die Ausschreibungskriterien der EU verlangen generell eine Einhaltung der WTO Richtlinien. Nur bei sicherheitspolitischen Projekten ist sie auf EU-Mitgliedsländer beschränkt. Einen Raketenstartdienst darf nur anbieten, wer über einen europäischen Startplatz verfügt. Erster Kandidat ist demzufolge die ARIANE-Trägerrakete, mit gut einem Fünftel deutscher Fertigungsanteile.
Die EU will bis 2013 insgesamt 3,4 Milliarden Euro bereitstellen. Bei den ausgeschriebenen Projekten handelt es sich entsprechend dem Aufbau von GALILEO um folgende sechs Bereiche: Systemunterstützung, Satellitenbau, Bodenkontrolleinrichtung, Missionskontrolleinrichtung, Start der Satelliten und Betrieb der Kontrollzentren.
Ein Auftrag ist bereits an EADS Astrium vergeben, nämlich die ersten vier von insgesamt dreißig geplanten Satelliten zu bauen. Auf die Frage von Eva Fiedler nach den Auswahlkriterien der Unternehmen und nach der Positionierung Deutschlands verweist Ulrich Scheib auf die Ergebnisse der im Wettbewerb von der ESA im Auftrag der EU durchgeführten Vorauswahl, bei der streng nach technischer und industrieller Glaubwürdigkeit und entsprechenden Fähigkeiten bewertet wurde. Deutschland ist dabei in 3 Segmenten gut vertreten: In der Systemunterstützung: Italien mit Deutschland; im Satellitenbau: Deutschland; bei den Bodeneinrichtungen: Großbritannien und Frankreich; bei den Startdiensten: Frankreich; bei den Kontrollzentren: Deutschland und Italien sowie zukünftig Spanien.
Die Hauptauftragnehmer sollen dabei laut Beschluss der EU breit unter den europäischen Raumfahrtunternehmen verteilt werden, in begrenztem Umfang sind auch Beschaffungen außerhalb Europas zulässig. Grundsätzlich sollen die besten Angebote zum Zuge kommen, doch keine Unternehmensgruppe darf den Zuschlag für mehr als zwei der sechs Segmente bekommen. Außerdem sollen mindestens 40 % der Aufträge an Subunternehmer vergeben werden, so dass kleinere und mittlere Firmen ebenfalls davon profitieren. Auf diese Art und Weise soll für Wettbewerb gesorgt und Abhängigkeiten der EU von einzelnen Unternehmen verhindert werden.
Von Wout Nierhoff nach den Vorstellungen für eine zukünftige Forschungsinnovationspolitik in NRW und der der Bundesrepublik Deutschland insgesamt befragt, führt Scheib aus, dass man es vermeiden sollte, alles machen zu wollen. Abstimmungsprozesse zwischen Forschung, Industrie und Politik müssten besser von statten gehen, z.B. über Wissenszentren, so wie das hier in NRW z.B. in Zusammenarbeit mit der TH Aachen u.a. geschehe. Nach Meinung der Fachleute müssten regionale Initiativen aus Effizienzgründen national besser abgestimmt werden.
Zu den Signalen befragt, wiesen Scheib und Becker darauf hin, dass die Signalfrequenzen von einem UN-Gremium festgelegt und von der ESA, der European Space Agency, definiert werden. Dies muß dann von der EU-Kommission bestätigt werden, bevor es von der Industrie umgesetzt werden kann. Mit Blick auf die Frage nach einem EU-einheitlichen Signal für den militärischen Bereich, konstatiert Ulrich Scheib dessen Unverzichtbarkeit; auch wenn dies problematisch in der Umsetzung ist. Das Problem bestehe im Nichtvorhandensein einer europäischen Institution, die von allen EU- Mitgliedstaaten akzeptiert wäre. Es gibt zwar eine European Defense Agency, jedoch besitzt diese keine eigenen Kompetenzen.
Auf die Frage Wout Nierhoffs nach dem zu erwartenden Aufwand für die Systempflege, berichteten Becker und Scheib, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines Satelliten ca. 12 Jahre beträgt. Insofern bedarf es einer kontinuierlichen Budgetlinie, damit GALILEO nachhaltig existieren könne. Man rechne damit, pro Jahr 1-2 Satelliten nachzubauen, die ihrerseits wieder gepflegt und gewartet werden müssten. Die Signale würden stärker werden und demzufolge schwieriger zu fälschen sein. Permanente Verbesserungen im Sicherheits- und Kontrollbereich seien unabdingbar.
Anwendungsideen rund um das Thema Satellitennavigation können dabei im Rahmen der seit 2004 jährlich stattfindenden EUROPEAN SATELLITE NAVIGATION COMPETITION (ESNC) in die Ideenbank GALILEO Masters eingereicht werden. 2008 fand GALILEO Masters zum 5. Mal in 13 weltweit angesiedelten High-Tech-Regionen statt, darunter in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Die Adressaten waren/sind im allgemeinen Firmen, Unternehmer, Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Privatpersonen.
Der Frage von Heike Schmitz-Menn nach den Risiken eines solchen Navigationssystems für den privaten Nutzer hielt Ulrich Scheib entgegen, dass die Sicherheitsanforderungen an das Programm sehr hoch seien und stetig verbessernde Kontrollmechanismen eingeplant sind. Als passives System ist das Überwachen und Aufspüren von Personen nur dann möglich, wenn diese über ein Empfangsgerät verfügten, das ihre Position aktiv weitergeben kann. Dies bestimmt der Nutzer in der Regel aber selbst. Das Prinzip der Satellitennavigation ermöglicht dem Nutzer eine eigene Ortsbestimmung mit Hilfe der Satelliten, es ermöglicht NICHT dem Satelliten, einen bestimmten Nutzer aktiv zu orten.
Auf die abschließende Frage von Eva Fiedler nach den weltweiten Konkurrenzbestrebungen in Sachen satellitengestützter Navigationssysteme wurde festgestellt, dass neben den bereits bestehenden GPS, GLONASS und demnächst GALILEO zur Zeit vor allem China an einem solchen baue und weitere Länder noch folgen würden.