"In Köln mangelt es an Qualität"
05.02.2009 Meldung FDP-Kreisverband Köln
LibAK Medienpolitik zu Gast beim Wienand-Verlag
Von Dr. Eva-Marie Fiedler
Ende November war der Liberale Arbeitskreis Medienpolitik der FDP mit seinem Vorsitzenden Wout Nierhoff zu Gast beim Wienand-Verlag in Köln-Lindenthal. Der Wienand-Verlag wurde 1949 gegründet und ging 1978 vom Vater auf den Sohn, den heutigen Verleger Michael Wienand über. Zu seinem Unternehmen gehörte eine mittelgroße Druckerei mit 50 Angestellten, die 2001 erst in eine Partnerschaft überführt und 2002 dann endgültig verkauft wurde. Seitdem widmet sich Michael Wienand zusammen mit seinen zehn Mitarbeitern ausschließlich dem Verlegen von Büchern und Zeitschriften.
Thematische Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Kunst vor 1900, die Klassische Moderne und die Zeitgenössische Kunst sowie Fotografie, Kulturgeschichte und Design. Darüber hinaus gibt er die Zeitschrift 'lebensart' heraus, die seit acht Jahren zweimal pro Kalenderjahr in einer Auflage von 100.000 Exemplaren erscheint. Des weiteren veröffentlicht er einen zweisprachigen Köln-Führer, den 'KölnGuide', der in Deutsch und Englisch erscheint und sich vornehmlich an Touristen wendet. Diese Veröffentlichung wird viermal jährlich in Zusammenarbeit mit dem Amt für Wirtschaftsförderung, KölnTourismus und City-Marketing herausgebracht.
Empfangen wurden die Mitglieder des LibAK Medienpolitik der FDP-Köln vom Verleger persönlich, der nach einem Rundgang durch die Verlagsräume in seiner imposanten Bibliothek die verschiedenen Unternehmensschwerpunkte vorstellte. Dabei skizzierte er die inhaltlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen und Perspektiven für inhabergeführte mittelständische Verlage und berichtete von seinen ganz persönlichen Vorstellungen mit Blick auf das Verlegertum und den Stellenwert von Kunst und Kultur in und außerhalb Kölns.
Mit dem bereits erwähnten Verkauf der Druckerei 2002 steht Wienand nicht alleine da. Auch größere Unternehmen wie Bachem, Greven & Bechtold und viele reine Druckereien sind vom Markt verschwunden - da war Wienand durch den Verkauf noch in einer komfortablen Lage. Die Konzentration auf die rein verlegerische Tätigkeit erlaubte es Wienand, sich mit ganzer Kraft auf die inhaltliche und gestalterische Arbeit an seinen Editionen zu konzentrieren. Sein erklärtes Ziel ist es, die Menschen wieder mehr für Kunst und Kultur zu begeistern: Seiner Auffasung nach sind Kunst und Kultur nicht nur ästhetisch wertvoll, sondern leisten auch einen unverzichtbaren Beitrag zur Vermittlung ethisch-gesellschaftlicher Werte.
So hat Wienand 2004 das Buch 'Kinder zum Olymp' publiziert, das von Karin von Welck und Margarete Schweizer herausgegeben wurde. Die Beiträge verschiedener Autoren eröffnen interessante Einblicke in die aktuelle wissenschaftliche Forschung zum Thema Kulturvermittlung, vor allem für Kinder und Jugendliche. So z.B. aus den Blickwinkeln der Kulturpolitik, des Kulturmarketing, der Psychologie und Pädagogik. Insgesamt werden in der Publikation mehr als 80 Projekte vorgestellt: hier reicht der Bogen von der musikalischen Früherziehung bis hin zur eigens produzierten Fernsehsendung. Dem Verleger Michael Wienand ist es ein Grundbedürfnis, Wege zu finden, um Kindern und Jugendlichen Kunst und Kultur attraktiv zu vermitteln und ihnen so Eigenschaften wie Kreativität, Leistungsbereitschaft und Toleranz zu vermitteln.
Kopfzerbrechen bereitet Wienand die Schnelllebigkeit der Zeit, die sich in der Kommunikationstechnik und der IT-Branche in besonderem Maße zeige: Alles sei so viel schneller geworden und Schnelligkeit gehe in der Regel auf Kosten der Qualität. Demzufolge sei der Druck, unter dem die Verleger inzwischen stünden, sehr groß. Um ein Buch herzustellen, brauchte man früher häufig mehrere Jahre. Heutzutage - und dabei verweist er beispielsweise auf die von ihm vorgelegte Edition 'Henri de Toulouse-Lautrec. Noblesse des Gewöhnlichen' - geschehe dies in einem Produktionszeitraum von nur noch drei bis vier Monaten. Heute werden, so Wienand weiter, viel mehr Bücher produziert, als der Markt haben wolle. Deshalb lägen oft die schönsten Bücher im Ramsch. "Je aufwändiger wir die Bücher gemacht haben, umso eher landen sie dort", konstatiert Wienand.
Während die Buchproduktion ein mit Leidenschaft aber auch ein wenig Wehmut besetztes Thema ist, wird die Begeisterungsfähigkeit des Verlegers umso deutlicher, wenn er auf sein Magazin 'lebensart' zu sprechen kommt. Das Magazin ist aus dem Wunsch entstanden, Köln mit seinen vielen spezialisierten Fachgeschäften attraktiver darzustellen. Im aktuellen Heft zum Thema 'Köln genießt', das im Herbst/Winter 2008/2009 erschienen ist, findet man z.B. ein aufwändig recherchiertes Verzeichnis von "Genußanbietern", die sich häufig mit kleinen Läden, die sehr spezialisiert sind, im Premiumsegment positioniert haben. Sie bieten Produkte jenseits des Mainstream an und akzentuieren Individualität und Qualität.
In der nächsten Ausgabe von 'lebensart' wird ein Hauptthema "Green City" heißen. Hier geht es um Produkte und Anbieter, die sich den Themenfeldern "Nachhaltigkeit" und "Lifestyle of Health and Sustainability (= LOHAS) widmen. Michael Wienand hofft, dass die Menschen angesichts der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise anfangen, darüber nachzudenken, wie sie selbstverantwortlich leben können, ohne auf Luxus verzichten zu müssen.
Wienands viermal jährlich in einer Auflage von 250.000 Exemplaren erscheinender zweisprachiger 'KölnGuide' für in- und ausländische Touristen beinhaltet u.a. vier Stadtrundgänge, Hinweise auf aktuelle Veranstaltungen sowie Tipps zur Gastronomie, zu Hotels und zum Kunst- und Kulturangebot in Köln. Auch hierbei wird der anspruchsvolle Gast angesprochen, der Köln als Kulturmetropole mit Charme und einer Fülle von attraktiven Facheinzelhändlern erleben soll.
Abschließend stellte Michael Wienand weitere Betrachtungen zu seiner Heimatstadt an: so ist er der Meinung, dass es Köln oder den Kölnern offensichtlich an Qualität mangele. Als Beleg dafür verweist er auf den mangelhaften Zustand der Straßen und Plätze, dem Fehlen herausragender Architektur und dem Skandal, solche "Scheußlichkeiten" wie den Musicaldome oder das "Kommerz Hotel" überhaupt zu genehmigen. Als gelungen emfpindet er dagegen die Gestaltung des Rheinauhafens und auch die Treppe vor dem Hyatt-Hotel. Froh ist er auch über die Entscheidung der Stadt Köln, das für den Bau des Fußballmuseums vorgesehene Grundstück nicht kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen.
Große Hoffnung setzt er auf den "Masterplan" des Büros Speer, eine Privatinitiative Kölner Unternehmen, die, so hofft Wienand, genug Einfluß entwickeln kann, "Politik und Verwaltung auf die Umsetzung festzunageln". Außerdem habe man tatenlos zugeschaut, wie die leider inzwischen "ehemalige Kunststadt Köln" Künstler, Sammler, Galerien und Sammlungen an andere Städte - vornehmlich an Berlin - verloren habe.
Angesprochen auf den in den Rat der Stadt Köln von der FDP eingebrachten Vorschlag, einen ehrenamtlichen Kurator zu bestellen, der im direkten Kontakt mit Künstlern und Mäzenen deren Interessen und Vorstellungen zum Zwecke einer besseren und effektiveren kommunalen Kulturpolitik bündeln und artikulieren soll, äußerte er sich skeptisch. Das sei zwar von der Idee her ein guter Ansatz, doch reiche eine ehrenamtlich tätige Person nicht aus, um dann in Politik und Verwaltung wirklich etwas bewirken zu können. Eines der Hauptprobleme für die Sammlungsabwanderungen sieht er aber auch in den Partikularinteressen der Museumsdirektoren: "Es fehlt ein starker Generaldirektor, der die Interessen bündelt. Der Kulturdezernent kann auch nicht alles leisten."
"Mir macht Kunst und Kultur Lust und mit ihrer Hilfe ließe sich nicht nur für die Stadt, sondern eben auch für die Menschen ganz allgemein wieder viel an Lebensqualität und Sinnhaftigkeit zurückgewinnen", so Wienand. Ethische und gesellschaftlich relevante Werte seien nicht zuletzt durch den immer weiter sinkenden Einfluss der Kirchen und Vereine verloren gegangen und müssten nun kompensiert werden.
Auf die Frage Wout Nierhoffs, was sich nach Wienands Meinung in Köln grundsätzlich ändern müsse und was die Politik dazu beitragen könne, antwortet Michael Wienand erneut sehr dezidiert: "In Köln mangelt es an Qualität." Dies "nicht nur im öffentlichen Bereich, sondern insbesondere auch durch Privatinitiativen zu ändern und Köln wieder zu einer wahren Kunst- und Kulturstadt zu machen, die sich mit Berlin und München messen kann" - das hat sich der engagierte und kritische Verleger Michael Wienand zur Lebensaufgabe gemacht.