"Der Zug ist auf dem falschen Gleis"
10.12.2008 Meldung Kölnische Rundschau
Raimund Neuß sprach mit dem FDP-Gesundheitsexperten Daniel Bahr über die elektronische Gesundheitskarte Im nächsten Jahr soll die elektronische Gesundheitskarte nun wirklich eingeführt werden, heißt es. Glauben Sie daran, dass dieses Versprechen Wirklichkeit wird? Nein. Man kann solche Großprojekte nicht übers Knie brechen. Bei der Karte sind noch viel zu viele Fragen ungelöst, die Einführung wurde wiederholt verschoben. Das, was jetzt in der Region Nordrhein angekündigt ist, ist ohnehin noch nicht die Elektronische Gesundheitskarte. Das ist eine Krankenversichertenkarte mit Foto, weitere Funktionen gibt es ja erst einmal nicht. Und von den Krankenkassen höre ich, dass sie große Schwierigkeiten damit haben, die Patienten zum Einsenden ihrer Fotos zu motivieren. Welche offenen Fragen beschäftigen Sie denn besonders? Erstens: Bis heute liegt keine aktuelle Kosten-Nutzen-Bewertung vor. Wir können nicht absehen, ob diese Karte unterm Strich Kosten spart oder zum Milliardengrab wird. Ist es für diese Frage nicht schon viel zu spät? Der Zug ist doch auf dem Gleis. Aber wenn ein Zug in die falsche Richtung fährt, müssen wir ihn doch stoppen! Viel wichtiger als die Kosten ist mir der zweite Punkt: der Datenschutz. Aus diesem Grund hat die FDP anders als alle anderen Fraktionen, auch die Grünen, gegen die Karte gestimmt. Nach Angaben des Fraunhofer-Instituts ist alles sicher. In der Theorie vielleicht. Aber in Flensburg wurden Tests abgebrochen, weil die Patienten Schwierigkeiten mit der PIN-Eingabe hatten. Patienten sind doch nicht überwiegend junge Berufstätige wie Sie und ich, die mit PINs und Passwörtern jonglieren, sondern viele ältere, kranke und behinderte Menschen. Große Bedenken habe ich gegen die Datenhaltung auf zentralen Servern. Es wird zwar immer versprochen, dass Dritte darauf keinen Zugriff haben, aber wenn Daten einmal da sind, entsteht der Druck, sie zu nutzen. Die elektronische Patientenakte soll zwar freiwillig sein. Aber die bisherigen Kosten-Nutzen-Berechnungen deuten darauf hin, dass gerade die freiwilligen Anwendungen den Nutzen bringen. Also könnte der Gesetzgeber versucht sein, sie zur Pflicht zu machen, um die Kosten hereinzuholen. Das wollen wir nicht. Deshalb fordere ich, dass erst die technischen und datenschutzrechtlichen Bedenken vollends geklärt werden, bis die Karte eingeführt wird. (08.12.2008)