Erdbebensicherheit bei Bauten in Köln
17.09.2001 Anfragen FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Zur Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 21.09.2001 stellte die FDP-Fraktion folgende Anfrage: Ein Bericht des Handelsblattes vom 24.1.2001 war überschrieben mit „Köln sollte nicht so hoch hinausbauen“. Der Artikel handelte von Erdbebenvorsorge in Deutschland. Auch die Kölner Presse hat sich bereits mit diesem Thema beschäftigt (z. B. Kölner Stadt-Anzeiger vom 24.2.2001 und 25.6.2001). Im Handelsblatt hieß es: „Gerade die dicht besiedelte und hoch industrialisierte niederrheinische Bucht mit Köln als Zentrum zählt zu den erdbebengefährdeten Gebieten in Deutschland.“ Es sei im Kölner Stadtgebiet nicht ratsam, Hochhäuser mit mehr als zehn Stockwerken zu bauen. Denn die rund 50 bis 100 Meter dicken Sedimentschichten, auf denen Köln liege, verstärkten die Erdbebenwellen genau im Resonanzbereich der Hochhäuser. Ohne entsprechende Vorkehrungen könnten diese bei einem Beben mit einem flachen und nahegelegenen Bebenherd so sehr in Schwingungen geraten, dass sie gefährdet seien. „Low probability - high risk“, geringe Wahrscheinlichkeit bei hohem Schadensrisiko, beschreibten Erdbebenexperten die Situation in Deutschland. Ein Szenario der Münchner Rückversicherungsgesellschaft AG habe ergeben: Ein mittelstarkes Beben mit einem Wert von nur 6,4 auf der Richter-Skala, aber einem Herd relativ dicht unter der Oberfläche könne in der Kölner Gegend 94 Mrd. DM Schaden anrichten, ungefähr soviel wie das Beben im japanischen Kobe. Ein Beben der Stärke 6,7, das Geologen als durchaus möglich einstuften, käme auf ein Potential von 180 Mrd. DM. Für die relative Erdbebenunsicherheit der Kölner Hochhäuser macht der Autor des Berichtes das nordrhein-westfälische Baurecht verantwortlich: „Denn Nordrhein-Westfalen schenkt in seinem Baurecht der Erdbebensicherheit keine Aufmerksamkeit.“ Zwar gebe es die DIN-Norm 4149, die festlege, wie Gebäude in den unterschiedlich gefährdeten Zonen gegen Erdstöße zu sichern seien. Doch anders als das ebenfalls betroffene Baden-Württemberg habe NRW diese Norm nicht zur verbindlichen Vorschrift erhoben. Wir fragen die Verwaltung: 1. Wie beurteilt die Verwaltung die dargestellte Situation? 2. Welche Maßnahmen zur Erdbebensicherheit von Hochbauten aber auch z. B. des Gasversorgungsnetzes in Köln oder von Staudämmen im Kölner Umland wurden in der Vergangenheit ergriffen? 3. Welche Möglichkeiten sieht die Verwaltung, auf das Land dahingehend einzuwirken, dass die genannte DIN-Norm 4149 in das Baurecht übernommen wird? 4. Welche Möglichkeiten hat die Verwaltung, die strengeren Vorschriften der genannten DIN-Norm 4149 im Baugenehmigungsverfahren auch ohne die landesbaurechtliche Festschreibung den Bauherren abzuverlangen? 5. Inwieweit spielen Überlegungen der Bodenbeschaffenheit bei der Erarbeitung des Kölner Hochhauskonzeptes ein Rolle? Antwort der Verwaltung zu Frage 1: Die im Handelsblatt dargelegte „relative Erdbebenunsicherheit“ wird auf Ursachen wie „dichte Besiedlung und spezieller Baugrund“ zurückgeführt. Dies ist grundsätzlich zutreffend. Die im weiteren geschilderte Schadenswahrscheinlichkeit erscheint unter dem Eindruck des Erdbebens von Izmir (Stärke 7,8 Richterskala) mit über 15.000 Todesopfern und einem wirtschaftlichen Schaden von mehr als 35 Milliarden DM auch nachvollziehbar. Weitere schwere Erdbeben in Armenien (Stärke 6,9 im Dezember 1988), Nordkalifornien (Stärke 7,1 im Oktober 1989) und Kobe (Stärke 7,2 im Januar 1995) lassen jedoch erkennen, dass die Schadensfälle in wirtschaftlich schwächeren Regionen hauptsächlich durch die Verwendung von Baustoffen minderer Qualität und durch nicht sachgerechte Bauausführung verursacht wurden. Wesentlich höhere Schäden mit wesentlich mehr Todesopfern in diesen Gebieten begründen dies. Bei dem nähergelegenen Erdbeben in Roermond (Stärke 5,9 im April 1992) waren keine Menschenleben zu beklagen. zu Frage 2: Die DIN 4149 Bauten in deutschen Erdbebengebieten, Teil1 (Lastannahmen, Bemessung und Ausführung üblicher Hochbauten), Ausgabe April 1981, wurde in Nordrhein-Westfalen am 7. Juli 1997 bauaufsichtlich eingeführt. Die im Handelsblatt gemachte Aussage „denn Nordrhein-Westfalen schenkt in seinem Baurecht der Erdbebensicherheit keine Aufmerksamkeit“ ist somit falsch. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die DIN 4149 bereits im April 1982, d.h. bereits 15 Jahre vor der rechtsverbindlichen Einführung durch Runderlass des Ministeriums für Landes- und Stadtentwicklung als Empfehlung veröffentlicht wurde. Die DIN 4149 war im Arbeitsausschuss des Normenausschusses Bauwesen (NABau) vollständig überarbeitet worden und ersetzte die DIN 4143(alt) vom Juli 1957. Die bis zum Zeitpunkt der bauaufsichtlichen Einführung gebauten Gebäude sind normalerweise nicht für den „Lastfall Erdbeben“ bemessen. Ausmaß und Art der Schäden des Bebens von Roermond lassen jedoch erkennen, dass auch vor bauaufsichtlicher Einführung der oben erwähnten Norm offensichtlich bereits „erdbebengerecht“ geplant und gebaut wurde. Nach der DIN 4149 ist für Gebäude in deutschen Erdbebengebieten der Erdbebenzonen 1 – 4 die Standsicherheit auch für den Lastfall Erdbeben nachzuweisen . Durch entsprechende Bodenparameter wird hierbei der Einfluss des Baugrunds bei Ermittlung der Horizontalbeschleunigung berücksichtigt. Für Köln ist gemäß Beiblatt 1 zu DIN 4149 die Erdbebenzone 2 anzusetzen. Zusätzliche Maßnahmen zur Erdbebensicherheit des Gasversorgungsnetzes sind nach erster Einschätzung nicht erforderlich, da eine Vielzahl von Absperrorganen an den Gasübergabestationen, in den Netzstrecken, Sollbruchstellen in den Hausanschlüssen und separate einzelne Hausabsperrungen ein Höchstmaß an Sicherheit darstellen. Detaillierte Aussagen zu dieser Problematik können jedoch nur die Versorgungsträger selbst machen. Maßnahmen zur Erdbebensicherheit von Staudämmen sind für Erd- oder Steindämme bzw. Staumauern selbst nicht realisierbar. Ein wirksamer Personenschutz kann sich nur auf den möglichen Abflussbereich konzentrieren, d.h. die möglichen Überflutungsgebiete sind von Ansiedlungen freizuhalten. Weitergehende Aussagen können in diesem Zusammenhang ebenfalls nur von den zuständigen Talsperrenverbänden eingeholt werden. zu Fragen 3 und 4: Wie bereits unter 2 ausgeführt, ist die DIN 4149 bauaufsichtlich eingeführt. zu Frage 5: Bei der statischen Berechnung für Bauten in Erdbebengebieten werden 3 Bauwerksklassen unterschieden. Zur Bauwerksklasse 2 gehören unter anderem auch Hochhäuser, d.h. Gebäude bei denen der Fußboden des obersten Aufenthaltsraumes mehr als 22m über der festgelegten Geländeoberfläche liegt. Die Festsetzungen der DIN 4149 zwingen den Tragwerksplaner zur Berechnung einer Horizontalbeschleunigung unter Berücksichtigung der Erdbebenklasse, der Gebäudeklasse und insbesondere eines Baugrundfaktors in Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen. Der Baugrundfaktor wird dabei in unklaren, nicht abschätzbaren Situationen durch ein sachverständiges Baugrundinstitut festgelegt.