Gebauer: Für Erhalt eines fairen und leistungsgerechten Schulsystems
01.10.2014 Reden FDP-Landtagsfraktion NRW
Yvonne Gebauer, Bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, in einer Aktuellen Stunde im Landtag Nordrhein-Westfalen
- Es gilt das gesprochene Wort -
„Gegenstand dieser aktuellen Stunde ist das vom VBE in Auftrag gegebene und am Freitag vorgestellte Gutachten von Herrn Dr. Rösner, Bildungsforscher und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität in Dortmund. Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne mit dem Zitat eines anderen Bildungsforschers, nämlich Prof. Dr. Dollase beginnen. Es lautet: „NRW-Schulpolitik basiert auf falschen Annahmen über die Realität, die leider auch aus der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden.“ An diese Mahnungen fühlte zumindest ich mich am vergangenen Freitag teilweise erinnert. Man darf sich beim Blick in das Gutachten doch schon wundern, wie „wissenschaftlich“ hier agiert wird, nämlich wer, beziehungsweise was alles als wichtige wissenschaftliche Quelle herhalten muss.
Die FDP-Fraktion hat seit der rot-grünen Regierungsübernahme 2010 und nach dem Scheitern der rot-grünen Minderheitsregierung 2012 gemahnt und gefordert: „Das Gymnasium darf nicht sterben“. Damals - und daran hat sich seitdem nicht viel geändert - wurde von Seiten der SPD, der Grünen, aber auch von Verbänden behauptet, das Gymnasium sei gar nicht gefährdet. Aber mit diesem Gutachten und den sich ableitenden Forderungen des VBE bestätigt sich sehr wohl unsere Befürchtung einer Salamitaktik zur Abschaffung des Gymnasiums. Sprich: dem scheibchenweisen Aus dieser Schulform.
Dass es sich bei den Forderungen des VBE vom Freitag nicht nur um die Einzelmeinung einiger Pioniere rot-grüner Bildungsideologie handelt, wurde in den Pressemitteilungen der Fraktionen von SPD und Grünen auch deutlich.
Was schlägt das Gutachten vor? Beabsichtigt ist offenkundig, dass Gymnasien nunmehr von zwei Seiten in die Zange genommen werden sollen. Die erste Maßnahme ist die direkte Attacke auf bestehende Gymnasien im ländlichen Raum. Sie sollen einfach in Gesamtschulen umgewandelt werden, wenn vor Ort neben dem Gymnasium zum Beispiel keine Realschule mehr besteht. Der Argumentation des Gutachtens folgend sei das vielfältige Schulangebot dann nicht mehr komplett und Kinder müssten auspendeln. Um das zu verhindern, sollen nach dem Willen von Prof Rösner und dem VBE die Gymnasien in Gesamtschulen umgewandelt werden.
Bemerkenswert ist, dass dieser Schlussfolgerung die waghalsige These zugrunde liegt, dass in jeder noch so kleinen Kommune jeder weiterführende Bildungsgang vertreten sein müsse. Darüber hinaus wird gezielt verharmlosend davon gesprochen, dass es sich nur um wenige Standorte handele. In Wahrheit aber soll hier ein argumentativer Automatismus etabliert werden: Läuft eine Schulform des vielfältigen Schulsystems aus, muss der Rest eben auch weg – und dass, obwohl es immer Kommunen gegeben hat, die nicht alle drei Schulformen vorgehalten haben. Hier soll ein weiteres Tor eröffnet werden, um in Zukunft möglichst viele Gymnasien auf dem Land zu schließen.
Natürlich ist die Sicherung eines weiterführenden Schulangebots in Kommunen aus den vielfältigsten Gründen wichtig und richtig. Und natürlich schließt das auch neu gegründete Sekundarschulen mit ein. Und natürlich muss man auch z.B. über die Weiterführungsgrößen von Schulen diskutieren, die in anderen Bundesländern geringer sind. Aber, es kann und darf nicht sein, dass die bereits bestehenden Bevorzugungen weniger Schulformen dann auch noch verschärft werden sollen. Bei Verbesserungen müssen alle Schulformen faire Bedingungen erhalten – bei Klassengrößen, bei Errichtung, bei Teilstandorten oder bei Fortführungsregelungen.
Die zweite Attacke auf das Gymnasium ist schleichender: Der Bildungsauftrag des Gymnasiums soll nämlich von innen ausgehöhlt werden. Bereits vor der Sommerpause haben der Philologenverband und die Landeselternschaft der Gymnasien gewarnt, dass Rot-Grün die pädagogische Ausrichtung des Gymnasiums infrage stelle.
Rot-Grün hat bereits jegliche Zugangskriterien an Gymnasien gestrichen. Und nun greift der VBE die Forderung aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag von 2010 auf, dass jeder aufgenommene Schüler zu einem Abschluss geführt werden muss. Ein solches Vorgehen wird alle NRW-Abschlüsse schleichend entwerten. Wenn alle aufgenommenen Schüler zu einem Abschluss geführt werden müssen, werden Schulen massiv unter Druck gesetzt. Es zählt nicht mehr das Erfüllen von Leistungsstandards, sondern Schulen geraten unter Rechtfertigungsdruck, wenn Schüler Ziele nicht erreichen. Die logische Folge wird das Drehen an Noten sein. Zwischen den Schülern wird es keine Vergleichbarkeit, keine Leistungsgerechtigkeit mehr geben. Hier wird tatsächlich an der leistungslosen Schule mit Vollkaskomentalität gearbeitet. Und, damit wird aber nicht nur jeder Schüler an Gymnasien aufgenommen, es muss auch jeder Schüler am Gymnasium verbleiben und zu einem Abschluss geführt werden.
Der Bildungsauftrag des Gymnasiums, leistungsstärkere Schüler auf die Hochschule vorbereiten, wird somit ad absurdum geführt. An der Tür bleibt lediglich der Name Gymnasium stehen, in Wahrheit ist das Gymnasium dann aber eine Gesamtschule. Und hier schließt sich dann auch wieder der Kreis mit der Forderung des VBE nach der Umwandlung von Gymnasien in Gesamtschulen.
Die Schließung von Hauptschulen ist vielerorts oftmals leider nur noch eine Formsache; die Realschule steht bereits – durch die rot-grüne Bildungspolitik – auf der Liste der bedrohten Schulformen.
Die FDP-Fraktion erwartet deshalb von der Landesregierung ein deutliches Bekenntnis zum Fortbestand der Schulform des Gymnasiums unter Beibehaltung seines Auftrages. Nämlich der vertieften Allgemeinbildung und der Vorbereitung auf ein Hochschulstudium.“