Lindner: Schwulen- u. Lesbenpoltik ist Menschenrechtspolitik
16.07.2006 Reden FDP-Landtagsfraktion NRW
Rede des FDP-NRW Generalsekretärs Christian Lindner, MdL, anlässlich der Abschlusskundgebung zum CSD 2006 auf dem Kölner Heumarkt Liebe Freundinnen und Freunde! 100% NRW – das ist heute nicht nur irgendein Motto. Ihr habt es mit Leben, mit prallem Leben gefüllt! Wir Liberale wollen aber nicht nur beim CSD 100%ige Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen. Wir wollen, dass sich niemand mehr verstecken oder selbst verleugnen muss – und zwar nie und nirgendwo. Schwule und Lesben gehören zu NRW – zu einem 100%igen NRW. Ich freue mich daher ganz besonders, dass zahlreiche Schwulen- und Lesbenorganisationen die große Feier zum 60-jährigen Geburtstag des Landes NRW im kommenden Monat bereichern werden. Ihr zeigt, dass Ihr ein selbstverständlicher Teil unseres Landes seid. Ohne Euch wäre NRW nicht so bunt! Ohne Euch würde NRW etwas fehlen! Politik für Schwule und Lesben ist Menschenrechtspolitik. Parteiengezänk ist hier fehl am Platz. Das sage ich deutlich auch in Richtung derjenigen, die die von allen Parteien befürwortete Gründung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung haben scheitern lassen. Uns Liberalen ist es ein Anliegen, auch an die in der Vergangenheit – insbesondere im Dritten Reich – an Homosexuellen verübten Verbrechen zu erinnern. Deshalb unterstützen wir die "Initiative Queer Nations", die an die Tradition Hirschfelds anknüpfen will und sich für ein Forschungsinstitut zur Homosexualität einsetzt. Wir wollen insbesondere die Förderung von schwulen und lesbischen Selbsthilfeprojekten in Nordrhein-Westfalen dauerhaft sichern. Manche haben dagegen die schwierige Haushaltslage des Landes nutzen wollen, um eine Rolle Rückwärts in die 50er Jahren zu machen. Deshalb hat die FDP entschieden gegen eine überproportionale Kürzung der Landesmitteln gekämpft. Wir brauchen in NRW eine aktive Minderheitenpolitik! Und wir waren erfolgreich – aber nur dank Eurer Unterstützung, dank der vielen Briefe und E-Mails, dank der guten Argumente. Ich will mich deshalb heute bei allen bedanken, die sich eingesetzt haben – vor allem beim Schwulen Netzwerk und beim KLuST. Dass die Kürzungen reduziert werden konnten, verdankt sich auch Eurem Einsatz! Heute kann ich hier für die Regierungskoalition sagen: Im nächsten Jahr wird das Land diese Arbeit uneingeschränkt unterstützen. Ihr habt Euren Beitrag zur Sanierung des Haushalts geleistet, es wird jetzt keine weitere Kürzung geben! Das aktive Eintreten für die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe braucht aber noch mehr Förderer. Und wir brauchen mehr Unabhängigkeit von den öffentlichen Mitteln. Ich lade für die FDP deshalb Schwarze, Grüne, Rote und alle, die guten Willens sind, ein, über die Gründung einer Förderstiftung für die schwul-lesbische Arbeit zu beraten. Es kann nicht so bleiben, dass Antidiskriminierungsarbeit alleine abhängig ist von einem maroden Landeshaushalt! Wir brauchen hier neue Wege, die wir gemeinsam suchen können! Wir sehen heute, dass Hunderttausende für die rechtliche Gleichstellung und die gesellschaftliche Akzeptanz von Schwulen und Lesben auf die Straße gehen. Diese Solidarität werden wir seitens des Landes unterstützen und ausbauen. Wenn ich bedenke, dass das erste Kölner Fest zum CSD ein Bierstand in der Stephanstraße mit etwa 500 Teilnehmern war, sind wir heute schon einen beachtlichen Schritt weitergekommen. Dennoch dürfen wir nicht aufhören, uns für 100% ige Gleichberechtigung einzusetzen. Lebenspartner haben nahezu dieselben Pflichten wie Eheleute – aber noch lange nicht dieselben Rechte. Wir Liberale wollen die immer noch vorhandenen Benachteiligungen im Steuer-, Beamten- und Familienrecht abbauen. Seit Jahren engagieren wir uns für ein gemeinsames Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner. Da werden wir auch nicht locker lassen – denn wer die gleichen Pflichten hat, muss auch die gleichen Rechte haben! Der Einsatz gegen Diskriminierung ist für uns unverzichtbarer Bestandteil unserer Bürgerrechtspolitik. Ein deutscher Alleingang mit einem "Allgemeinen Gleichstellungsgesetz" wird aber mehr Probleme schaffen als lösen. Daher fordern wir europaweite Antidiskriminierungsstandards – insbesondere im Arbeitsrecht. Bei allem Handlungsbedarf, der bei uns besteht, müssen wir auch den Blick über die Grenzen richten. In 75 Staaten ist Homosexualität eine Straftat - im Iran oder im Sudan sogar mit Todesstrafe bedroht. Aber nicht nur in fernen Ländern, sondern auch vor unseren Toren, sogar mitten in Europa, werden grundlegende Menschenrechte von Lesben und Schwulen mit Füßen getreten. Insbesondere Russland, das sich gerne im Kreise der G8 sonnt, hat anlässlich der diesjährigen Feierlichkeiten zum CSD deutlich gezeigt, dass es in Sachen Toleranz und Rechtstaatlichkeit noch viel zu lernen hat. Unterschiedliche Lebensentwürfe sind der autoritären Politik Putins ein Dorn im Auge. Der Mann ist eben kein "lupenreiner Demokrat". Wer aber akzeptiert werden will im Kreise der Demokraten, der muss sich vor allem daran messen lassen, wie er Minderheiten schützt und ihnen die Ausübung ihrer Grundrechte ermöglicht. Die Einmischung aller Demokraten ist gefragt, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Die volle Teilhabe aller Menschen unabhängig von der sexuellen Präferenz muss aber auch bei uns noch mehr im Bewusstsein der Menschen verankert werden. Und ich bin sicher, dass Ihr, dass der diesjährige CSD einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat. Hier geht es zu weiteren Meldungen und Initiativen der FDP zum Thema Lesben und Schwule.