Schramma: 125. Geburtstag des Ehrenbürgers Theodor Heuss
30.01.2009 Reden Stadt Köln
Rede des Oberbürgermeisters Fritz Schramma anlässlich der Veranstaltung zum 125. Geburtstag des Kölner Ehrenbürgers Theodor Heuss am 30. Januar 2009 im Foyer des Spanischen Baus des Rathauses in Köln
Sehr geehrter Herr Minister Prof. Pinkwart,
meine Damen und Herren,
„Man muss das als gegeben hinnehmen: Demokratie ist nie bequem.“
Dieses Zitat unseres Ehrenbürgers Theodor Heuss ist für mich wie ein Vermächtnis, an das ich mich oft erinnere, gerade dann, wenn manches doch schwierig und kompliziert erscheint. Und vielleicht hilft uns dieser Satz ja auch, wenn wir an die Schwierigkeiten denken, die sicher in diesem Jahr noch auf uns zukommen. Angesichts der wirtschaftlichen Lage und der damit einhergehenden Sorgen und Ängste wünscht sich ja so mancher vielleicht eine starke Hand, die alles für uns regelt, damit es – so die Hoffnung – schnell und effizient zugehe im Staat. Gerade in einer solchen Situation kann die Erinnerung an den Mann, den die Geschichtswissenschaften neben Konrad Adenauer und Willy Brandt (und Helmut Schmidt?) zu den größten Staatsmännern der Bundesrepublik Deutschland zählt, hilfreich sein. Denn Theodor Heuss hat von Demokratie nicht nur gesprochen, er hat sie gelebt und vorgelebt.
Am 31. Januar 1884 erblickte er in der Weinstadt Brackenheim im Landkreis Heilbronn als jüngster Sohn eines Straßenbaumeisters das Licht der Welt.
In der Zeit der Weimarer Republik machte sich der promovierte Nationalökonom einen Namen als Publizist und Liberaler. So analysierte und kritisierte er in seiner Publikation "Hitlers Weg" bereits 1932 den Nationalsozialismus historisch, politisch und soziologisch. Wie kritisch das Denken von Theodor Heuss war, das sich hier äußerte, wurde spätestens nach 1933 deutlich, als das Buch von den Nationalsozialisten öffentlich verbrannt wurde. Und diese unabhängige und kritische Haltung von führte auch dazu, dass 1942 die Nationalsozialisten den deutschen Zeitungen verbaten, etwas von Theodor Heuss abzudrucken.
Nach dem Krieg konnte Theodor Heuss sein großes Engagement für die Werte der Demokratie endlich ungehindert zur Geltung bringen, und das tat er auch sehr eindrucksvoll, mit großartigem Einsatz und aus voller Überzeugung. In dieser Zeit bewegten ihn besonders die Erinnerungen an das Unrecht des Terror-Regimes der Nationalsozialisten, aber auch die Wohnungsnot und der Hunger der Menschen, die in die zerstörten Städte zurück kehrten.
Und er arbeitete zunächst als Kultusminister in Württemberg-Baden, wo er seit Juni 1946 auch Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung war. Im September wurde er zum Vorsitzenden der am 6. Januar 1946 in Stuttgart neu gegründeten "Demokratischen Volkspartei" (DVP) in der amerikanischen Besatzungszone gewählt.
Seit September 1948 war er Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Parlamentarischen Rat in Bonn. Am 12. Dezember kam es in Heppenheim zum Zusammenschluss der westdeutschen liberalen Parteiverbände zur Freien Demokratischen Partei (FDP). Theodor Heuss wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt.
Nach der ersten deutschen Bundestagswahl am 14. August 1949 wurde Heuss Mitglied des Bundestages. Und am 12. September wählte ihn die Bundesversammlung ins Höchste Amt, das in der Bundesrepublik Deutschland errungen werden kann. Theodor Heuss war der erste deutsche Bundespräsident.
Der "Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland" (Bundesverdienstkreuz in mehreren Stufen) geht ebenso auf ihn zurück, wie die Einführung des Deutschlandliedes zur Nationalhymne - unter der Maßgabe, dass lediglich die dritte Strophe gesungen werden darf.
Wie beliebt Theodor Heuss war und wie sehr seine Arbeit geschätzt wurde, wurde auch am 17. Juli 1954 deutlich, als er von der Bundesversammlung ohne Gegenkandidat für weitere fünf Jahre als Bundespräsident gewählt wurde.
In seiner zehnjährigen Amtszeit hat Heuss der Institution des Bundespräsidenten durch Würde, Persönlichkeit und Geist ein weit über die formalen Rechte des Amts hinausgehendes Gewicht gegeben. Und er hat maßgeblich dazu beigetragen, Ressentiments in der Weltöffentlichkeit gegen die Deutschen abzubauen. Dass Deutschland nach dem Krieg und dem menschenfeindlichen Terror der NS-Zeit schon so bald wieder als geachteter Gesprächspartner wahr- und angenommen wurde, das ist zu einem großen Teil auch seinem umsichtigen und weitsichtigen Wirken zu verdanken.
Seine Anerkennung in der Bundesrepublik war so groß, dass überlegt wurde, eine Änderung des Grundgesetzes herbeizuführen und damit eine 3. Amtszeit für ihn zu erwirken. Heuss selbst lehnte dies ab, da er keinen Präzedenzfall schaffen wollte. Auch hierin zeigt sich, wie ich finde, ein Demokratieverständnis, das vorbildlich ist.
Aber wir erinnern uns heute hier in Köln nicht nur an einen großen Staatsmann. Wir erinnern und zugleich an einen großen Kölner Ehrenbürger, der unserer Stadt sehr verbunden war.
Die hungernden Menschen in den Ruinen unserer zum größten Teil zerstörten Stadt hinterließen bei Heuss einen starken Eindruck. Als er im Winter 1946/47 das erste Mal das Nachkriegsköln mit seinen Bewohnern sah, sei das erschütternder als in anderen deutschen Städten gewesen, so erinnerte sich Heuss später. Umso mehr war er beeindruckt vom Wandel des Stadtbildes und den städteplanerischen Ansätzen in Köln, die sich im Wiederaufbau der 50er Jahre erkennen ließen.
Er bewunderte auch einen überparteilichen Kölner Bürgersinn, der sich bei der Durchsetzung vieler Projekte bewährte. Eine „Kölsche Fraktion“ mit Abgeordneten verschiedener Parteien im NRW-Landtag und im Bundestag war zur Stelle, wenn die Interessen der Domstadt wahrzunehmen waren. Daher konnte so manches Vorhaben der Stadt schneller begonnen und vollendet werden als ursprünglich angenommen wurde. Eine solche „Kölsche Fraktion“, die würde – so meine ich - auch heute unserer Stadt oft gut tun.
Die Ehrung von „Papa Heuss“ - wie er liebevoll genannt wurde – als Kölner Ehrenbürger 1959 stand ganz im Zeichen des demokratischen Neubeginns in Köln: In den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten hatten die Politiker, die schon in der Weimarer Republik Politik gestaltet hatten, den demokratischen Wiederbeginn bestimmt; in der Bundesrepublik wie in Köln. Die folgende Generation erwies diesen Persönlichkeiten Achtung und Dankbarkeit.
Oberbürgermeister Theo Burauen lobte die Erfahrung, das Wissen und die Prinzipientreue dieser Politikergeneration. An Heuss schätzte er besonders, wie es ihm gelungen war, das Ansehen der jungen Bundesrepublik Deutschland zu festigen.
Der Ehrenbürgerbrief erwähnt, dass der Bundespräsident in seiner Amtszeit Köln besonders oft besucht hatte, sei es nun als Gast im Wallraf-Richartz-Museum, im Gürzenich, im Museum Schnütgen, in den Kölner Kirchen oder in der Gedächtnisstätte in der zerstörten Kirche St. Alban, die im Beisein des Bundespräsidenten eingeweiht worden war.
Die höchste Würde, die unsere Stadt verleihen kann, besiegelte die intensive Freundschaft, die sich in den Nachkriegsjahren zwischen dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland und Köln entwickelt hatte. Dass wir heute hier mit dieser Festveranstaltung an Theodor Heuss erinnern, zeigt, dass diese besondere Verbundenheit in den Herzen und Gedanken der Kölnerinnen und Kölner bis heute lebendig ist.
Und das ist gut so, denn, wie ich eingangs erwähnt habe, ist es immer wieder wichtig, sich vor Augen zu führen, dass Freiheit, Demokratie und Toleranz nicht selbstverständlich sind. Dass die Werte, auf denen unsere Verfassung beruht, getragen sein müssen von den Überzeugungen der Bürgerinnen und Bürger. Und dass sie verwirklicht werden müssen durch das Engagement solch großer Persönlichkeiten, wie Theodor Heuss eine war.
Lassen Sie mich enden, so wie ich begonnen habe: Mit einem Zitat unseres Ehrenbürgers, das, wie ich meine, gerade in unsere derzeitige Situation sehr gut passt.
„Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.“ Darum lassen Sie uns – auch und gerade jetzt – weiterhin optimistisch sein. Dann werden wir auch weiterhin stark sein.
Möge das Gedenken an Theodor Heuss uns dabei helfen! Und möge es uns motivieren, dass wir uns weiterhin einsetzen, für unseren Wohlstand, aber auch für unsere Demokratie!