"Der Dom ist das Maß"
Interview der Kölnischen Rundschau mit Reinhard Houben
21.08.2022 Pressemeldung Kölnische Rundschau
Reinhard Houben ist Unternehmer aus Köln und wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. Über die Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Köln infolge von Energiekrise, Lieferengpässen und Pandemie sprachen mit ihm Moritz A. Rohlinger und Ingo Schmitz.
Das Wort Krise steht zurzeit über allem: Energiemangel, Inflation, Pandemie. Wie hart wird das den Wirtschaftsstandort Köln treffen?
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind wir Getriebene – auch im Politikbetrieb. Wir müssen reagieren und können kaum agieren. Um Köln ist mir dabei aber nicht bange. Kölns Stärke war immer, nicht monopolistisch von einer Branche abzuhängen. Auch gibt es einen breiten Mittelstand. Ich sehe zudem mit Beruhigung, dass man für Ford in Köln eine vernünftige Lösung gefunden hat. Das Ford hier nicht nur E-Autos entwickelt, sondern auch produziert, ist eine gute Nachricht. Köln hat zudem einen Schwerpunkt in Kunst, Kultur und Medien. Auch das ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.Die hier ansässige Versicherungswirtschaft dürfte nicht zu stark von der Krise betroffen sein.
Sie sprechen die Versicherungsbranche an: Die DEVK hat mit Wegzug gedroht, weil sie befürchtet, für ihre Expansion nicht wie gewünscht in die Höhe bauen zu können. Spielt die Stadtverwaltung da mit dem Feuer?
Diese Debatte erzeugt eine schlechte Außenwirkung. Dass ein solches Thema überhaupt so weit kommt, dass es in breiter Öffentlichkeit debattiert wird, finde ich problematisch. Um das zu verhindern, hätte die Verwaltung umgehend auf einen Kompromiss hinarbeiten müssen, anstatt den Konflikt auf die Spitze zu treiben. Dass es soweit gekommen ist, dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen der Dauerbrenner Entbürokratisierung. Bei diesem Thema ist es um Köln nicht besonders gut bestellt. Zum anderen die Selbstverliebtheit. Einige in der Stadtverwaltung agieren, als sei Köln unschlagbar, als gebe es keine Alternativen zu dieser Stadt. Das halte ich für einen groben Fehler.
In der DEVK-Debatte hängt alles an einem Höhenkonzept, dass auf sich warten lässt. Wo sehen Sie die Grenze bei Bauprojekten in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens?
Da muss man mal klar sagen: So ein Konzept ist kein Hexenwerk, sondern eine Frage des politischen Willens und der Durchsetzungsfähigkeit einer Stadtverwaltung. Mein Vorschlag: Der Dom ist das Maß, höher muss es in Köln nicht sein.
Dass der Streit um die Expansion bis zur Wegzugsdrohung eskaliert ist, erweckt den Eindruck, Köln hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Braucht es angesichts der aufziehenden Herausforderungen nicht dringend ein Umdenken?
Es braucht in der Verwaltungsspitze mehr als bisher eine Idee davon, was man für Köln möchte. Köln ist seit vielen Jahren einfach zu selbstzufrieden.
Was müsste denn Köln unternehmen, um sich für die Zukunft aufzustellen?
Wir müssen sicherstellen, dass wir die geringen Gewerbeflächen, die wir noch haben, auch wirklich zur Verfügung stellen.
Die Adern einer starken Wirtschaft sind die Wirtschaftswege. Im Zuge der Verkehrswende wird beispielsweise auch darüber debattiert, die Leistungsfähigkeit der Rheinuferstraße zu verringern. Engt Köln seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit so nicht ein?
Wir haben gerade eine in die Irre führende Situation, weil wir durch die Pandemie immer noch weniger Verkehr haben, als vorher. Dadurch entsteht der trügerische Eindruck, es gebe Raum für solche Projekte. Ich bin der Überzeugung, es gibt ein böses Erwachen. Wenn wir wieder in ein größeres Wirtschaftswachstum kommen, werden wir merken, wie stark wir unsere Verkehrsadern beschnitten haben.
Wie könnte das verhindert werden?
Hätten wir beispielsweise einen Ost-West-Tunnel für die Stadtbahn und eine Verbindung über die Messe nach Mülheim raus – um nur zwei Projekte zu nennen – hätten wir Spielraum für Verkehrseinschränkungen. Aber so beschneiden wir die Verkehrswege ohne vernünftige Alternativen zu haben. Das wird sich auch auf den Arbeitsmarkt negativ auswirken, denn wir steuern auf Zeiten zu, in denen Arbeitgeber viel mehr Anstrengungen unternehmen müssen als bisher, um Fachkräfte zu halten. Dann besteht die Gefahr, dass gesuchte Fachkräfte abwandern, weil sie nicht mehr jeden Tag eine Stunde auf der Zoobrücke stehen wollen. Was ich selbst erlebt habe: Handwerker aus dem Umland lehnen Aufträge in Köln ab, weil es sich bei zu langer An- und Abfahrt nicht mehr für sie lohne.