Und sie fährt doch

Über die „schwere Geburt“ der Teilinbetriebnahme der Nord-Süd-Stadtbahn

11.12.2015 Meldung FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Am Wochenende geht der Südteil der neuen Nord-Stadtbahn mit der Linie 17 in Betrieb. An den schwierigen Weg bis zu diesem Ereignis erinnert der Vorsitzende der FDP-Fraktion Ralph Sterck:

"Wenn ich irgendwann meine Memoiren über meine politische Arbeit schreiben sollte, so widme ich der Teilinbetriebnahme der Kölner Nord-Süd-Stadtbahn nach dem verheerenden Unglück am Waidmarkt ein gesondertes Kapitel. Denn diese „schwere Geburt“ ist symptomatisch dafür, wie mit Initiativen umgegangen wird, wenn sie von der "falschen" Seite kommen und von welchen Zufällen wichtige Entscheidungen oftmals abhängen.

Im ersten Akt spielen die Kölner Verkehrsbetriebe die Hauptrolle. Vier Monate nach dem Einsturz den Stadtarchivs und allerlei Horrorszenarien über das mögliche Datum einer Gesamtinbetriebnahme der neuen U-Bahn fragte ich im Aufsichtsrat des Stadtwerkekonzerns, inwieweit eine Inbetriebnahme des jeweiligen nördlichen und südlichen Teilstücks der Strecke möglich sei. Es hieß, dies sei technisch nicht möglich und außerdem zu teuer.

Doch ich ließ nicht locker und schrieb an den damaligen KVB-Chef Walter Reinarz eine Mail, in der ich ein Fahrplanbeispiel für die Linie 5, die nach meinen Vorstellungen den Nordast befahren sollte, darstellte: 12.00 Uhr Abfahrt Dom/Hbf., 12.02 Uhr Ankunft Rathaus, 12.03 Abfahrt Rathaus, 12.04 Uhr Ankunft Heumarkt, 12.06 Abfahrt Heumarkt, 12.07 Uhr Ankunft Rathaus, 12.08 Uhr Abfahrt Rathaus und 12.10 Uhr Ankunft Dom/Hbf. usw.

Er gab sich zumindest insoweit geschlagen, als dass die Verkehrsbetriebe eine Studie in Auftrag gaben, um die Machbarkeit dieser Lösung und die damit verbundenen Kosten untersuchen zu lassen. Der Gutachter bestätigte, dass der Vorschlag umzusetzen und erheblich günstiger sei, als zuvor geschätzt. Die politischen Beschlüsse waren zügig gefasst, so dass die Strecke im Dezember 2012 bis zum Rathaus und ein Jahr später bis zum Heumarkt in Betrieb gehen konnte.

Erheblich schwerer wurde im zweiten Akt die gleiche Übung für den Südteil der Strecke zwischen Severin- und Schönhauser Straße. Die Stadtverwaltung erstellt eine entsprechende Beschlussvorlage, aber wegen der fast doppelt so hohen Kosten wie beim ersten Abschnitt gab es insbesondere bei der SPD Widerstand, der dazu führte, dass die erforderliche Schlusszeichnung durch Oberbürgermeister Jürgen Roters unterblieb.

Da der FDP-Fraktion der Entwurf des Beschlusses vorlag, brachte sie ihn im März 2012 als eigenen Antrag in den Rat ein, um das angepeilte Eröffnungsdatum Dezember 2014 zu erreichen. Doch der OB machte sein „Urheberrecht“ für den Text geltend und nahm die Initiative von der Tagesordnung des Rates. Mit diesem Eingreifen und der anschließenden Suche nach politischen Mehrheiten für die Teilinbetriebnahme Süd wurde der angestrebte Termin unmöglich gemacht.

Erst ein gutes Jahr später im Rahmen der nächsten Haushaltsplanberatungen war die Zeit für den dritten Akt gekommen. Ein Wechselbad der Gefühle für alle Befürworterinnen und Befürworter einer vorzeitigen Teilinbetriebnahme wurden die Haushaltssitzung am Vormittag des 30. April 2013 und die reguläre Arbeitssitzung am Nachmittag. Dabei hatten sich die sonst U-Bahn-kritischen Grünen zu der Maßnahme durchgerungen.

Die CDU hatte sich von der SPD „einkaufen“ lassen: Das Geld für die Teilinbetriebnahme sollte stattdessen zusätzlich in die Straßenunterhaltung gesteckt werden. Und so wurde vormittags mit den Stimmen von Sozial- und Christdemokraten die Inbetriebnahme abgelehnt. Nur dumm, dass die Roten ihrem grünen Koalitionspartner erzählt hatten, dass es gar kein zusätzliches Geld sei. „Entweder CDU oder Grüne werden hier von der SPD verarscht,“ rief Ulrich Breite in den Ratssaal.

In der Mittagspause stellte sich dann raus, dass es offensichtlich die CDU war, der die Unwahrheit gesagt worden war, und es gar keine zusätzlichen Straßenunterhaltungsmittel gab. Sie fühlte sich um die Gegenleistung für ihr Abstimmungsverhalten betrogen und vollzog eine einzigartige 180-Grad-Wende. Bei der Nachmittagssitzung setzten dann CDU, Grüne und FDP die Frage erneut auf die Tagesordnung und verhalfen diesem Projekt doch noch zum Durchbruch.

Dass die KVB anschließend tatsächlich planten, die neue Linie 17 nur während des Berufsverkehrs morgens und nachmittags für jeweils ca. zwei Stunden verkehren und ansonsten die U-Bahn-Stationen verwaisen zu lassen, hat – glaube ich – in noch keiner Zeitung gestanden. Ich habe hinter den Kulissen dagegen argumentiert, damit die Beteiligten gesichtswahrend selbst zu der Erkenntnis kommen konnten, dass dies ein Schildbürgerstreich gewesen wäre.

Nachdem die planungsrechtlichen und technischen Hindernisse aus der Welt geräumt wurden, geht die Teilstrecke am 13. Dezember mit einem Jahr Verspätung ganztägig in Betrieb. Damit kommt die Südstadt nach den zahllosen Entbehrungen der letzten 12 Jahre und dem Unglück am Waidmarkt in den Genuss dieser neuen Verbindung. Doch auf eine Entschuldigung der SPD, die dies für weitere mindestens acht Jahre verhindern wollte, wartet man bis heute vergebens. 

Die meisten Unternehmen gehen nicht pleite, weil sie falsche Entscheidungen treffen, sondern weil sie gar nicht entscheiden. Demnach wäre die Stadt Köln mit ihren langsamen Abläufen und teilweise irrationalen Abstimmungen schon lange in Konkurs. Die 13-monatige Diskussion in dieser Frage und die fast zufällige Mehrheit sind dafür ein erschreckendes Beispiel. Wie gut, dass dieses Kapitel meiner möglichen Memoiren doch noch ein Happy End hat."

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