Wandel der Erwerbsformen im digitalen Zeitalter

15.12.2007 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Fachgespräch mit Dr. Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit Von Wolfgang Baumann Die rasante technologische Entwicklung beschleunigt einen Strukturwandel am Arbeitsmarkt, der aber nicht grundsätzlich zu völlig anderen Erwerbsformen führt, sondern sehr branchenabhängig ist. In eher traditionellen Bereichen wird hauptsächlich die sozialversicherungspflichtige Festanstellung fortbestehen, während insbesondere in der kreativen Medienbranche das klassische Arbeitnehmerverhältnis weiter zurückgehen wird. Hier wird die zunehmende Digitalisierung den Strukturwandel am stärksten befördern, was aber auch ganz neue Chancen hervorbringen kann. Zu diesem Ergebnis kam im Stapelhaus eine interessante Gesprächsrunde des Liberalen Arbeitskreises Medien unter Vorsitz von Wout Nierhoff, bei der Dr. Werner Eichhorst, stellvertretender Direktor Arbeitsmarktpolitik vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) zu Gast war. Dr. Eichhorst begegnet Prognosen, die schon im nächsten Jahrzehnt die klassische Festanstellung als absolute Ausnahme sehen, mit Skepsis: „Das traditionelle Arbeitnehmerverhältnis wird sicher nicht aussterben“, stellt er fest, „aber der Charakter der Arbeit ändert sich zunehmend“. Geprägt von einer „gewissen Ortlosigkeit“, die sich aus ganz neuen Formen der Zusammenarbeit ergibt, werden persönliche Treffen „vor Ort“ in Zeiten von E-Mails und Videokonferenzen zwar immer seltener. Das ändere aber nichts an der Bedeutung von persönlichen und ganz realen Kontakten auch am „digitalen Arbeitsmarkt“. Auch zunehmende Mischformen zwischen fester und freiberuflicher Arbeit würden nichts daran ändern, dass gute persönliche Kontakte auch weiterhin „ganz analog geknüpft werden müssen“. Das werde gerade für Freiberufler, die überwiegend vom heimischen Arbeitszimmer aus arbeiten, immer wichtiger. Solche Formen der Arbeit finden sich vorwiegend im kreativen Medienbereich, so Dr. Eichhorst. „Diese Form der Selbstständigkeit ist geradezu typisch für Medienberufe“, stellt er fest. Das sei aber keineswegs ein Zeichen für deren Bedeutungsverlust, im Gegenteil: „Die beschleunigten Arbeitsprozesse mit wachsendem Zeit- und auch Informationsdruck führen immer mehr dazu, dass die Bedeutung von informationsverarbeitenden Berufen aus dem hochqualifizierten Mediensektor zunimmt.“ Solche Berufe seien zudem ein „sehr großstadttypisches Phänomen“. Mehr als 40 Prozent der Erwerbstätigen aus der kreativen Medienbranche – von Journalismus über Werbung bis Grafik und Design – konzentrieren sich auf nur sieben deutsche Großstädte wie zum Beispiel Berlin oder Köln. Fast die Hälfte aus dieser Gruppe arbeitet selbstständig und gut Zweidrittel von ihnen hat einen akademischen Abschluss. Das Zusammentreffen von ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen und hoher Qualifikation nicht nur im Mediensektor befördere die politischen Gerechtigkeits-Diskussionen um „zu hohe Lohnspreizung und Mindestlöhne.“ Das ist für Dr. Eichhorst „immer ein zweischneidiges Ding“, bei dem neue Risiken und neue Chancen eng beieinander liegen. Einerseits könne ein quasi völlig liberalisierter und unregulierter Arbeitsmarkt in Teilen dazu führen, dass die genannte Lohnspreizung zwischen hochqualifizierter und gering qualifizierter Arbeit noch zunimmt, was die Gerechtigkeitsdebatten weiter verschärfen würde. Andererseits würde eine Zunahme an Regulierung nicht nur „die Möglichkeiten einer flexiblen Selbstständigenkultur behindern“, sondern auch die „Möglichkeiten für Festanstellungen erschweren“. Neue Regulierungen würden die derzeitige positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bremsen. Dr. Eichhorst verwies hier abschließend auf eine aktuelle Studie des IZA im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, nach der die Zahl der insgesamt Erwerbstätigen in Deutschland erstmals die Schwelle von 40 Millionen überschritten hat. „So erfreulich das ist“, sagt Dr. Eichhorst, „die Deregulierung am Arbeitsmarkt muss von der Politik weiterhin konsequent vorangetrieben werden, ganz unabhängig von der technologischen Entwicklung und neuen freiberuflichen Arbeitsformen“. Zum Bonner IZA: Als unabhängiges, privates Wirtschaftsforschungsinstitut konzentriert sich das IZA auf die ökonomische Analyse der nationalen und internationalen Arbeitsmärkte. Unter Leitung seines Direktors, Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann, betreibt das IZA intensive Grundlagenforschung auf allen relevanten Gebieten der Arbeitsökonomie. Darüber hinaus berät das IZA die Politik zu aktuellen Arbeitsmarktfragen. Gefördert durch die Deutsche Post World Net, kooperiert das IZA eng mit der Universität Bonn und anderen universitären Forschungseinrichtungen.

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