Jugendkriminalität und minderjährige Intensivstraftäter
17.04.2003 Initiativen FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Neue Wege zur Bekämpfung der Jugendkriminalität und minderjähriger Intensivstraftäter in NRW: Köln als Modellstandort in der Prävention und Sanktionierung von Jugend- und Kinderkriminalität Die Kölner Polizei (insbesondere der leitende Polizeidirektor Granitzka) schlägt bei den steigenden Zahlen bei der Jugendkriminalität in Köln Alarm. So hat sich der Taschendiebstahl von 5.194 Fällen in 1999 auf 11.543 Fälle in 2002 mehr als verdoppelt. Der Anteil tatverdächtiger Minderjähriger ist mit 54 % besonders hoch. Es vergeht kein Tag an dem in der Medienberichterstattung nicht über Gewalt- und Raubdelikte berichtet wird. Auch hier ist der Anteil laut Statistik des Kölner Polizeipräsidiums von tatverdächtigen Minderjährigen bei Straßenraub mit 58 % und Tageswohnungseinbruch mit 40 % extrem hoch. Steigende Jugendkriminalität ist ein bundesweites Phänomen. Doch die Zahlen belegen, dass das Ausmaß und der Anstieg in Köln besonders bedrückend ist. Die Polizei sieht sich von der Politik im Stich gelassen. Hier ist die Kölner Politik aber im erheblichen Maße von der Landespolitik abhängig, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen schafft. Aber auch die Möglichkeiten, die Köln hat, werden vernachlässigt. In der Bekämpfung der Jugendkriminalität sind eindeutig ideologische Schranken in der Landesregierung, aber auch in der Kölner Verwaltung und Justiz, dafür verantwortlich, dass nichts passiert. Wir müssen zwei ausgeprägte Kölner Phänome differenzieren: · minderjährige Intensivstraftäter bei der allgemeinen Straßenkriminalität: Nach der Kölner Ermittlungskommission „TASNA“ (serbo-kroatisch für „Tasche“) ist das Volumen der Taschendiebstähle in Köln 10 mal höher als im Landesdurchschnitt. Rund 80 % der ermittelten minderjährigen Tatverdächtigten in Köln kamen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wir haben in diesem Bereich kein allgemeines Jugendproblem, sondern das einer ethnischen Gruppe. · minderjährige Intensivstraftäter mit Körperverletzungsdelikten („Murrat“): Bei minderjährigen Intensivstraftätern mit Körperverletzungsdelikten fällt besonders die Rate der gefährlichen und schweren Körperverletzung von 22,49 % auf. Fazit: Die zunehmende Gewaltbereitschaft junger Menschen kann nicht länger nur als das Austesten von Grenzen oder als ein entwicklungsbedingtes Phänomen verharmlost werden. Wir brauche neue Wege in der Prävention, aber auch neue Sanktionsmethoden bei der Kinder- und Jugendprävention in NRW: Einführung eines „Warnschussarrests“ Die FDP-Ratsfraktion Köln unterstützt den Reformvorschlag der baden-württembergischen Justizministerin zur Einführung eines „Warnschussarrests“. Dadurch soll den Jugendgerichten die Möglichkeit eingeräumt werden, neben der Verurteilung zu einer Jugendstrafe auf Bewährung auch einen Jugendarrest zu verhängen. Viele verurteilte Jugendliche sehen in einer Jugendstrafe auf Bewährung keine spürbare Sanktion, sondern einen „Freispruch zweiter Klasse“. Sie werden sich deshalb des Ernstes ihrer Lage nicht bewusst und realisieren nicht, welche Konsequenzen weitere Straftaten haben. Durch den Vollzug eines Arrestes von bis zu vier Wochen am Anfang der Bewährungszeit kann dem Jugendlichen deutlich vor Augen geführt werden, dass der Staat von ihm eine grundlegende Verhaltensänderung erwartet. Stärkung des vereinfachten Jugendstrafverfahrens Die FDP-Ratsfraktion Köln fordert die Stärkung des vereinfachten Jugendstrafverfahrens. Dieses ist ein geeignetes Mittel, jugendlichen Wiederholungstätern durch eine zeitnahe Sanktion zu verdeutlichen, dass bei einer erneuten Straftat die Verhängung einer Freiheitsstrafe droht. Durch die Reform des Jugendgerichtsgesetzes sollen die Richter nicht länger auf ein freiwilliges Erscheinen des Angeklagten angewiesen sein. Durch den Erlass eines Vorführ- oder Haftbefehls soll in Zukunft die konsequente Durchführung des Verfahrens und damit eine nachhaltige erzieherische Wirkung erzielt werden. Haus des Jugendrechts Die FDP fordert die Einführung von Modellprojekten zur Intensivierung der Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendhilfe. Wenn Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendhilfe unter einem Dach eng zusammenarbeiten, können jugendliche Straftäter frühzeitig durch gezielte, individuelle Hilfsangebote von der schiefen Bahn geholt werden. Zudem werden durch die Vernetzung aller am Jugendstrafverfahren Beteiligten die Bearbeitungszeiten um mehr als die Hälfte reduziert und gleichzeitig die individuellen Maßnahmen besser aufeinander abgestimmt. Die ersten Ergebnisse eines entsprechenden Modellprojekts „Haus des Jugendrechts“ in Stuttgart-Bad Cannstatt lassen dieses auch für Nordrhein-Westfalen interessant erscheinen. Durch das Haus des Jugendrechts konnte die Dauer des Verfahrens von der Anzeige bis zum Richterspruch von 230 Tagen auf 86 Tage verkürzt werden. Die staatsanwaltlichen Verfahren, die früher 52 Tage dauerten, werden nun in knapp zehn Tagen erledigt. Die FDP-Landtagsfraktion wird das Modell auf die Agenda des Landtags setzen. Der Auftrag von CDU und FDP, dieses Modell auch für Köln von der Verwaltung zu prüfen, verlief - milde ausgedrückt - im Sande. Angeblich zieht da die Justiz nicht mit. Ziel muss doch sein, dass die Strafe für einen Rechtsbruch umgehend folgen, aber die nötige Hilfe soll ebenfalls nicht lange auf sich warten lassen. So kann vermieden werden, dass die Gestrauchelten zu Mehrfachtätern werden. Projekt Chance Das bundesweit einmalige „Projekt Chance“ ermöglicht einen am Erziehungsgedanken orientierten modernen Jugendstrafvollzug in Baden-Württemberg. Junge Straftäter im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, die erstmals zu einer Jugendstrafe ohne Bewährung verurteilt werden, erhalten eine Chance auf Rückkehr in ein Leben ohne Kriminalität. Durch ein intensives soziales Training, eine gründliche schulische Ausbildung und einen dichten Tagesablauf sollen die vorhandenen Entwicklungsstörungen behoben und die soziale Kompetenz gestärkt werden. Um den Jugendlichen nach der Entlassung einen nahtlosen Übergang ins Berufsleben zu ermöglichen, arbeitet das „Projekt Chance“ eng mit der baden-württembergischen Wirtschaft zusammen. Geschlossene Heimunterbringung für Intensivstraftäter unter 14 Jahren Baden-Württemberg besitzt Einrichtungen zur geschlossenen Heimunterbringung von Intensivstraftätern unter 14 Jahren. Wenn die Ordnungsbehörde und Justiz in Köln und NRW nicht mehr weiter weiß, versuchen sie, dort Intensivstraftäter unterzubringen. Neueste Variante ist auch die Unterbringung in Einrichtungen in den USA. Die Landesregierung in NRW muss endlich den Weg freimachen, dass geschlossene Heimunterbringung mit pädagogischen Konzepten genehmigt werden. Christian Lindner, MdL, jugendpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW Ulrich Breite, Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln