Kraft gratuliert den Liberalen
Nordrhein-Westfalens FDP feiert in Köln ihren 70. Geburtstag
10.11.2016 Pressemeldung Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau
Kölner Stadt-Anzeiger
Selbstermutigung einer "vitalen Opposition"
Nordrhein-Westfalens FDP feiert in Köln ihren 70. Geburtstag
Von Harald Biskup
Nie war sie so wertvoll wie heute - die Partei, der häufiger als jeder anderen politischen Kraft in Deutschland das Totenglöckchen geläutet worden ist. In dieser Einschätzung waren sich FDP-Chef Christian Lindner und die liberalen Altvorderen Gerhart Baum und Burkhard Hirsch - bei allen sonstigen Meinungsverschiedenheiten - absolut einig, als sie am Sonntag in der Kölner Flora den 70. Geburtstag der nordrhein-westfälischen FDP feierten. Gerade in einer Zeit, die viele Menschen als unsicher bis bedrohlich empfänden, würden die Freien Demokraten gebraucht, und sei es nur als "vitale Opposition".
Zu ihrem Jubiläum präsentierte sich die Partei, der Überzeugungen immer wichtiger gewesen seien als Dienstwagen (Landesgeschäftsführer Johannes Vogel), ausgesprochen optimistisch und selbstbewusst. "Haben Sie im November 2086 schon was vor?" fragte Vogel launig. "Dann steht unser 140. Geburtstag an."
Eher staatstragend fiel die Rede von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aus, die auch im Namen der SPD gratulierte. Sie erinnerte an die Verdienste bedeutender NRW-Liberaler wie Willi Weyer oder Horst-Ludwig Riemer, die dem Land gutgetan hätten. Die Regierungschefin lobte Riemer dafür, dass er als Wirtschaftsminister früh in den Strukturwandel investiert habe. Innenminister Weyer sei sehr vorausschauend gewesen, als er die Einführung der Verkehrshinweise im WDR angeregt habe. Zur Mitwirkung der FDP im derzeitigen Landtag meinte Kraft, an Lindner gewandt, "auch wenn wir uns manchmal herzlich fetzen", sei der Umgang stets von gegenseitigem Respekt geprägt. Zwar schieße der Partei- und Fraktionschef "manchmal etwas übers Ziel hinaus, aber als Opposition darf man das." Lindner versuchte sich im Gegenzug an einer Charmeoffensive, die große Heiterkeit auslöste: "Sie sind ja eine Persönlichkeit, die viel Solidarität mit Schwächeren zeigt."
Im aktuellen Teil seiner Rede kritisierte Lindner, ohne die AfD namentlich zu erwähnen, "Kräfte, die Ressentiments salonfähig machen und zurück in die Abschottung wollen". Aus dieser Ecke heraus werde die FDP als "Alt-Partei" diffamiert. In Wirklichkeit sei sie eine "Traditionspartei, die über Jahrzehnte Weisheiten gespeichert" habe. Kritisch nahm sich Lindner die CSU vor. Sie versuche mit ihren jüngsten Leitkultur-Beschlüssen, den Rechtspopulisten Konkurrenz zu machen. "Das Grundgesetz ist nicht getauft. Uns ist egal, ob jemand den Koran oder die Bibel liest, solange er sich an unsere Regeln hält."
Natürlich gab es auch den Rückblick auf sieben Jahrzehnte liberaler Politik. Walter Scheel, Otto Graf Lambsdorff, Guido Westerwelle und immer wieder Hans-Dietrich Genscher. Sie alle hätten, so Baum, Pionierleistungen vollbracht, "an die wir anknüpfen sollten". Ihn sorge eine Grundgesetz-Gleichgüligkeit, die manchmal in Feindlichkeit umschlage.
Nur einmal fiel der Name Jürgen Möllemann. "Bei allen Verirrungen" habe er auch Großes geleistet, sagte der frühere Bundes-Vize Andreas Pinkwart und gab zum Besten, wie Möllemann seinen innerparteilichen Dauer-Rivalen Baum und Hirsch nahegelegt habe, sich doch auf einen gemeinsamen Listenplatz zu einigen. Wie um Baums und Hirschs Ruf als Tandem zu bestätigen, bekam Kraft das sozialliberale Vermächtnis der beiden Altvorderen ("Der Baum und der Hirsch") in Buchform überreicht - natürlich handsigniert und ganz ohne Hintergedanken für künftige Optionen.
Kölnische Rundschau
Kraft gratuliert den Liberalen
Die Ministerpräsidentin ist Ehrengast beim Geburtstag der NRW-FDP
Von Andreas Dyck
Das schönste Kompliment macht manchmal ausgerechnet die Konkurrenz: "Ich kann nur sagen: Im Landtag ist Ihre Opposition wirklich nie bequem", lobte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Arbeit der nordrhein-westfälischen FDP, die am Sonntag in der Kölner Flora ihr 70-jähriges Bestehen feierte. Auch wenn, so schob sie nach, die Liberalen dort manchmal mit Superlativen über das Ziel hinaus schießen würden.
Es zeugt von Selbstvertrauen, sich zur eigenen Geburtstagsfeier den politischen Gegner für ein Grußwort einzuladen. Wo sie im Düsseldorfer Landtag sonst mit Krafts Landesregierung den verbalen Schlagabtausch suchen, holten sich die Freidemokraten die SPD-Politikerin nun als Ehrengast ins Haus. Beide Seiten wollten damit trotz der ein oder anderen Stichelei auch deutlich machen: In schwierigen Zeiten müssen Demokraten zusammenstehen.
1946 hatten sich Liberale in Opladen zur Freien Demokratischen Partei zusammengeschlossen und sich in den Nachkriegsjahren für eine freie Marktwirtschaft starkgemacht. Aus NRW kamen große Liberale wie Hans-Dietrich Genscher und Walter Scheel. Auch zahlreiche Bundesvorsitzende der FDP wie Guido Westerwelle und Otto Graf Lambsdorff stammten aus NRW.
Kraft würdigte die Höhepunkte liberaler Politik wie die Aussöhnungspolitik Genschers mit Osteuropa und den Beitrag der FDP zur Wiedervereinigung Deutschlands sowie zu Frieden und Freiheit im Land. "Große liberale Politiker haben diesen Weg mitgeebnet", lobte Kraft. Mit Blick auf NRW hob sie die Kommunalreform heraus, die zwischen 1966 und 1975 mit Willi Weyer an der Spitze des Landesverbands vorangetrieben worden war und dafür gesorgt hatte, dass zahlreiche Gemeinden zusammengelegt wurden. Dies sei ein bleibender Beitrag zum erfolgreichen Wandel des Landes gewesen, so Kraft. Zudem zollte die Ministerpräsidentin dem im März verstorbenen FDP-Politiker Guido Westerwelle ihren Respekt, den sie als großen Europäer bezeichnete.
Aller Nostalgie und politischer Erfolge der Vergangenheit zum Trotz kamen die Freidemokraten nicht daran vorbei, sich an der politischen Realität im Hier und Jetzt zu messen. Im Landtag sitzen die Liberalen in der Opposition, in den Bundestag hatten sie es vor drei Jahren wegen der Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft. Kraft versuchte zu trösten: Opposition sei zwar frei nach Franz Müntefering Mist. Sie sei aber eben auch das Salz der Demokratie.
Der FDP-Chef und Landesvorsitzende Christian Lindner gab sich anschließend kämpferisch und zeichnete das Bild einer wertestarken Partei. Die Existenz der FDP sei schon oft infrage gestellt worden, mit den Freidemokraten sei aber nach wie vor zu rechnen. "Es braucht eine freiheitliche Partei wie die FDP, damit das Meinungsspektrum in unserem Land komplett ist", sagte Linder. Wenn es um liberale Grundsätze gehe, sei allein auf seine Partei Verlass. Sie stehe für Freiheit und Bürgerrechte und sei bei der Modernisierung der Gesellschaft oft ihrer Zeit voraus gewesen, sei es bei Frauenrechten, dem Kartellrecht oder dem Umweltschutz. Die FDP sei die Partei des Fortschritts.
Eindringlich warnte der Parteivorsitzende davor, den gesellschaftlichen Fortschritt durch Rechtspopulisten zurückdrehen zu lassen. Mit Blick auf den vergangenen CSU-Parteitag erkenne er, dass dort die Parolen der Rechtspopulisten wiederholt würden. Lindner kritisierte zugleich das Gerede von einer christlich-jüdischen Leitkultur. "Wenn sich jemand an die Regeln hält, ist es uns Liberalen doch egal, ob er die Bibel oder den Koran liest", so Lindner.