Grün und Schwarz

Eindrücke einer Reise in eine östliche Metropolregion

20.01.2017 Pressemeldung KölnLiberal - Zeitschrift für Freie Demokraten in Köln

Renate Domke

25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag und 25 Jahre Verein zur Förderung des Städtepartnerschaft Köln-Kattowitz e.V.

Grund genug, um die seit langem geplante Bürgerreise in das 1.000 km von Köln entfernte Katowice in die Tat umzusetzen. Städtepartnerschaftsvereine mit ihrem ehrenamtlichen Engagement, regelmäßigen Begegnungen und der Realisierung einer Vielzahl von Projekten sind gelebte kommunale Außenpolitik, wie es der verstorbene Oberbürgermeister von Köln, Dr. Norbert Burger, einmal formulierte und hier insbesondere gelebtes Europa!

Katowice – for a change – für eine Änderung, im Aufbruch, mitten im Umbruch!

Bis vor kurzem galt die Stadt als Europas meist verschmutzte. Bei ihrem Namen dachte man an rauchende Fabrikschlote, Abraumhalden und Stahlhütten. Nach Schließung vieler Zechen wurde umstrukturiert, insbesondere in Dienstleistungen für namhafte europäische Firmen, IT, Technologien in Zulieferbetrieben für die Automobilindustrie, Business, Kultur und Hochschulbildung. Einen Aufbruch, ja eine pulsierende Energie in der Stadtgesellschaft, erreichte man mit der Bewerbung für die Kulturhauptstadt; dass die Auszeichnung nur knapp verfehlt wurde, spielt nur eine untergeordnete Rolle, Innovation ist überall zu spüren. Die Transformation der Stadt gelingt in moderne Bürohäuser, beeindruckende Einkaufspassagen namhafter Architekten, Tagungs- und Kulturzentren, Verkehrsverbindungen und vielerlei Grün.

Auf einer ehemaligen Abraumhalde, auf der noch vor kurzem das Bergwerk „Katowice“ in Funktion war, schuf die Stadt ihre „Kulturzone“, ein vorzügliches Geschenk für Katowice als Metropolstadt und Herz der schlesischen Woiwodschaft zugleich zum 150. Geburtstag der Stadt. In vorbildlicher Revitalisierung befindet sich das neue Schlesische Museum mit der Darstellung der wechselvollen oberschlesischen Geschichte. Wir erfuhren, dass in vielen Familien unterschiedliche Staatsbürgerschaften vorhanden sind als Ausdruck einer Anpassung an die Spuren der Zeit. Ein internationales Kongresszentrum ist das strategische Objekt für die Entwicklung der Businesstouristik mit der Stadt Katowice als Gastgeber europäischer Events.

Der neue Konzertsaal NOSPR mit seiner beeindruckenden Akustik ist ein Highlight der Musikstadt Katowice. Man sagt, das Schlesien Polens Blues-Mekka sei. „Alles ist Blues. Die Arbeit. Der Schmutz. Die ganze Misere des Lebens“, so sagt der Vater des polnischen Blues, Jan Skrzek. Er widmete den Bergarbeitern eine trauervolle Mundharmonika-Melodie, die ähnlich klingt wie die nicht enden wollende Schichten unter Tage. Das jährlich stattfindende Rawa-Blues-Festival im Herbst zeugt von dieser Tradition. Auf Einladungen der Stadt erlebten wir einen emotional beeindruckenden Abend.

Der Empfang in der Villa Goldstein durch den stellvertretenden Stadtpräsidenten und Vertreter der Verwaltung entsprach mit der eindringlichen Bitte um weiteren Austausch, Projektpartnerschaften im Aufbau von Verwaltungsstrukturen und Stadtentwicklung auch unseren Vorstellungen. Die Einladung zum Tag der Deutschen Einheit durch die deutsche Generalkonsulin von Breslau in Katowice in Beisein hochrangiger Mitglieder der Parlamente, des Stadtpräsidenten, der Bürgergesellschaft, der Anwesenheit des zuständigen Staatssekretärs der Landesregierung NRW und unserer 20 köpfigen Gruppe machte deutlich, dass zivilgesellschaftliche Beziehung gestaltet wird, gelebtes Europa eben. Die Eröffnung der Ausstellung „25 Jahre gute Nachbarschaft – Nachwuchsfotografen fotografieren in Köln und Kattowitz“ fand im Anschluss daran im Beisein aller statt.

Wir besuchten Krakau, die heimliche Hauptstadt Polens. Auf die Frage nach den Auswirkungen der aktuellen polnischen Politik stellte die Reiseführerin für sich fest: „Ich bin eine Europäerin!“. Lange standen wir auf der Rückfahrt im Stau aufgrund der Proteste der Bevölkerung gegen die Planung neuer Abtreibungsgesetze, die im Anschluss an die Demonstrationen dann nicht mehr zum Tragen kamen.

Ein Teil der Gruppe fuhr nach Auschwitz in das Zentrum der Finsternis. Wir kamen zurück in Gedanken über Macht und Erniedrigung und der entsetzlichen Erkenntnis, wozu Menschen fähig sind.

Außerhalb des offiziellen Programms auf dem Rückweg besuchten wir Wroclaw/ Breslau, Europas Kulturhauptstadt mit seiner in Jahrhunderten gelebten Europäischen Bildungsstätte, der Leopoldina, und seiner malerischen Lage an der Oder. In der Nähe der Stadt befindet sich die größte der drei Friedenskirchen, die von der UNESCO um zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Sie entstand kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg und kann bis zu 7.500 Menschen aufnehmen.

Wir danken für die große Gastfreundschaft und machen uns verstärkt infolge der vielen Anregungen Gedanken zu Netzwerk-, Projekt- und Themenpartnerschaften.

Auf weiter „gute Nachbarschaft“.

Renate Domke und Norbert Hilden Teilnehmer der Bürgerreise
Im Oktober 2016

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