Kleine: Lösung für Frauen, die vor einer Notlage stehen
15.12.2010 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Danksagung zur Verleihung des ersten Friedrich-Jacobs-Preises an das Moses Baby-Fenster durch die Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen Monika Kleine
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
die Mitteilung, dass Sie dem SkF e.V. als Träger von „Haus Adelheid“ und dem „Moses Baby-Fenster“ den Friedrich-Jacobs-Preis verleihen werden, hat uns mit Stolz und Freude erfüllt. Es ist der erste Preis dieser Art, den wir erhalten. Dafür danke ich Ihnen, auch im Namen des Vorstandes und der Mitarbeiterinnen des SkF.
Wir nehmen ihn als Auszeichnung für ein langes und zum Teil auch schmerzhaftes Ringen im Verband in Köln, auf der Bundesebene und im Bund selbst um eine gute und tragfähige Lösung für Frauen, die am Ende ihrer Schwangerschaft noch immer hilflos vor einer Notlage stehen.
Der Friedrich-Jacobs-Preis wird zum ersten Mal verliehen – Sie verleihen ihn im Andenken an einen Kölner Politiker und Juristen. Politik und Jurisprudenz, Ethik und Recht – das sind die Spannungsfelder, in denen wir uns mit unserem „Moses Baby-Fenster“ bewegen – von daher passt das schon mit dem Friedrich-Jacobs-Preis.
Das Kölner „Moses Baby-Fenster“, in dem in 10 Jahren 15 Kinder abgegeben wurden – nur ein Teil davon über das Fenster selbst – war die erste Einrichtung dieser Art im Rheinland und die erste gegen die staatsanwaltschaftlich ermittelt wurde.
Die Öffentlichkeit, die die damaligen Ermittlungen ausgelöst haben, führte dazu, dass wir in der Wahrnehmung von Politik und Öffentlichkeit blieben.
Seit 2001 sind viele gesetzliche Initiativen gestartet, öffentliche Anhörungen durchgeführt und wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt worden.
In der permanenten Reibung mit Wissenschaft und Politik, mit Ethikerinnen und Juristinnen waren wir als Träger des „Moses Baby-Fensters“ gezwungen, auch unsere Positionen zu überdenken.
Das Leben, vor allem die Begegnung mit den Müttern, die ihre Kinder abgegeben haben und hinterher zurück kamen zeigt uns, dass es kein einfaches „Ja“ oder „Nein“ zu dem „Moses-Baby-Fenster“ oder zur „Anonymen Geburt“ gibt.
Als SkF e.V. Köln können wir es uns und den anderen nicht so leicht machen und uns dem Nachdenken, dem Forschen und Fühlen entziehen. Die Befürworter sagen, „es reicht ein gerettetes Kinderleben“, die Gegner sagen, das bestehende System decke auch ohne die anonyme Abgabe alle Notlagen ab – beide Argumente lassen sich eher widerlegen als belegen.´
Leider wurden auch in Köln, trotz „Moses-Fenster“ Kinder ausgesetzt und getötet. Und deshalb müssen wir uns der Komplexität des Themas stellen. Die Komplexität der Notlagen der Frauen und unsere fundamentalen Rechtsgrundlagen und Wertvorstellungen müssen miteinander verbunden werden.
Die Wahrheit liegt nach unserer Einschätzung in der Mitte, deshalb treten wir für eine Weiterentwicklung der „Moses Fenster“ und der „Anonymen Geburt“ ein. Die „Vertrauliche Geburt“, die wir an die Stelle unseres Fensters setzen wollen kann ein integraler und damit auch beworbener Bestandteil der Jugendhilfe sein. Das sind die bisher bestehenden Angebote nicht, weil sie rechtswidrig sind – wie können als Jugendhilfeträger, der im Auftrag von Politik und Verwaltung der Stadt Köln handelt, nicht zu Rechtsbruch aufrufen, indem wir eine rechtswidrige Einrichtung bewerben.
Anders als viele andere Träger haben wir ein transparentes, mit der Polizei, dem Jugendamt und der Staatsanwaltschaft abgestimmtes Verfahren entwickelt, damit sind wir viel weiter als viele andere vergleichbare Angebote in der gesamten Bundesrepublik, die weder in die Jugendhilfeplanung eingebunden sind, noch Zahlen und Daten veröffentlichen.
Deshalb nehmen wir uns auch das Recht heraus, konzeptionell an einer neuen, erweiterten Lösung mitzuarbeiten. Wir wollen, dass die „Vertrauliche Geburt“ als verlässliches und legitimiertes Angebot bundesweit eingeführt wird, weil
• Frauen nicht mehr alleine und unter großen gesundheitlichen und psychischen Risiken für sich und das Kind entbinden müssen,
• den Frauen die gegenüber dem Umfeld gewünschte Anonymität zugesichert wird,
• den Frauen die Option eröffnet wird, dem Kind gegenüber nicht anonym bleiben zu müssen (das wollen die Frauen nicht),
• den Frauen und Kindern Rechtssicherheit gegeben wird,
• sie mit Verfassungsrecht und Internationalem Recht wie der UN-Menschenrechtskonvention oder der Haager Konvention in Einklang steht,
• sie den Kindern die Chance gibt, ihre Wurzeln kennenzulernen,
• sie den aufnehmenden Adoptivfamilien bei der Gestaltung des Lebens mit dem Kind hilft,
• sie Traumatisierungen, die zum Scheitern des zukünftigen Lebens führen können, vermindern hilft.
Wir nehmen den Friedrich-Jacobs-Preis gerne an, weil die Kölner FDP damit deutlich macht, dass sie wertschätzend unser Ringen um eine gute Lösung für Frauen und Kinder in Not begleitet. Und wir nehmen diesen Preis gerne an, weil er uns ermutigt, weiter zu machen.
Alle Studien zeigen uns, wir werden nicht alle Frauen in Not erreichen: Psychische Dispositionen oder panische Reaktionen verhindern oft genug die Annahme von Hilfe – auch so einen Fall hatten wir in Köln.
Aber wir haben auch eine Verpflichtung gegenüber den Kindern, ihren Müttern und den aufnehmenden Familien.
Die „Moses-Baby-Fenster“ oder andere anonyme Formen der Abgabe stehen am Anfang eines eigenen Lebens. Wenn wir den Kinderschutz ernst nehmen, müssen wir auch das bedenken.
Die betroffenen Kinder müssen für den Rest ihres Lebens damit umgehen, abgegeben worden zu sein, nie zu wissen, warum und nie zu wissen, woher man stammt.
Die gute Vorbereitung und Begleitung von Adoptiveltern ist deshalb eine für alle Beteiligten wichtige und unabdingbare Voraussetzung.
Die Frage nach den Wurzeln beginnt schon früh, wie wir aus den Kontakten mit „Moses-Kindern“ wissen, sie beginnt mit drei oder vier Jahren und geht weiter – bei der Konfrontation im Kindergarten, in der Grundschule, in der Nachbarschaft und in der Familie, in der Pubertät, in der Gestaltung der eigenen Paarbeziehung, im Zusammenhang mit der eigenen Elternschaft. Die Frage nach dem Woher ist immer da und sie bleibt.
Der Friedrich-Jacobs-Preis ist ein Preis, der an jemanden erinnert, der für die Geschichte der Kölner FDP wichtig ist – erlauben Sie mir eine Frage?
Wie oft stellen Sie sich in einen Kontext zu ihrer Familiengeschichte? Wie wurde ihre Berufswahl durch ihre Familiengeschichte geprägt? Wo erkennen sie rein körperlich „Familienähnlichkeiten“? Wer von Ihnen beschäftigt sich mit Familienforschung und ist stolz darauf, „seine Familie“ über 200, 300 Jahre oder noch länger zurückverfolgen zu können?
Diese sehr persönlichen Fragen an Sie bedeuten nicht, in Frage zu stellen, dass ein Leben auch nach einer anonymen Abgabe gelingt, wenn alle Beteiligten damit gut umgehen, leichter ist es aber, wenn man die Chance hat, auch auf diesen Teil zurückgreifen zu können.
Wir werden weiter für eine Lösung eintreten, die die beiden Rechtsgüter des Lebensschutzes und der Würde des Menschen miteinander verbinden hilft.