Reker: Suche nach der besten Lösung
Rede von Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker auf der WIR-Abschlussveranstaltung
15.10.2015 Reden Wahlbüro Henriette Reker
Meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich diesen heutigen Abend dazu nutzen, einige Aspekte anzusprechen, worauf es mir nach der Wahl zur Oberbürgermeisterin besonders ankommt. Keine Sorge: Keine städtische Regierungserklärung. Vier besonders wichtige Punkte in meinem Koordinatensystem für die Zukunft Kölns.
1) Köln, die Stadt mit einer neuen Entscheidungs- und Verantwortungskultur
In Köln, das liegt in der Luft, besteht eine Wechselstimmung. Ich spüre diese Wechselstimmung. Sie spüren diese Wechselstimmung. Eine Wechselstimmung, die vor allem in dem Wunsch nach Veränderung des Politikstils und damit veränderter Rahmenbedingungen von Entscheidungen liegt. Schon dieser Wahlkampf hat den Stil der Politik geändert, in dem drei bedeutsame demokratische Parteien, CDU, FDP, Grüne, sowie zwei Wählergemeinschaften sich gemeinsam auf eine parteilose Kandidatin geeinigt haben. Jede dieser Parteien, die ansonsten miteinander im politischen Wettbewerb stehen, aber gleichzeitig entschieden haben.
Wir müssen die Gefahr starrer Fronten zwischen den Parteien aufbrechen. Wir brauchen eine neue Entscheidungskultur die heißt: „Suche nach der besten Lösung“ - „Das Beste für Köln“, ja – wie die Lettern quer über die Nord-Süd-Fahrt „Liebe Deine Stadt“, postulieren.
Es muss ein Ende damit haben, dass beinahe jede Sachfrage zu einer Machtfrage erhoben wird. Wir brauchen in Köln wieder eine Kommunalpolitik, orientiert am Realitätsscheck, nicht an der Sperrigkeit ideologischer Vorgaben. Zuerst die Stadt. Und dann die Partei.
Köln ist die Macht am Rhein, Rat und Verwaltung die Wacht am Rhein.
Ich will eine neue Willkommenskultur der Einladung an alle demokratischen Kräfte, sich an den besten Entscheidung zu beteiligen – ohne Farbenzuordnung, ohne parteipolitische Schubladen, nur demokratisch. Diese Einladung gilt selbstverständlich auch für die Sozialdemokraten. Eine parteiunabhängige Oberbürgermeisterin ist daher nicht unpolitisch - ganz im Gegenteil: Denn Politik, so hat Bismarck gesagt, ist die Kunst des Möglichen, nicht als Folge eines faulen Kompromisses, nicht als „teile und herrsche“, sondern als fairer Wettbewerb und Balance von Idee und Sachlichkeit.
Wir müssen das alte „System“ Köln beenden, das seit Jahren diese Stadt parteipolitisch in Besitz zu nehmen sucht, eine nachlassende Distanz zur Klientelpolitik zeigt, sich gelegentlich an Sachgesetzlichkeiten vorbeimogelt, die Schwäche in der politischen Führung als eine nette Art kölscher Folklore versteht und in gelegentlicher Selbstüberschätzung gar nicht zur Kenntnis nehmen will, dass Köln sich schon seit Jahren in Deutschland unter Wert darstellt.
Diese neue Zäsur mit einer unabhängigen Oberbürgermeisterin wird zu einer Veränderung der Kommunikationskultur führen, zu neuen Systemen der Entscheidungsfindung im Denken von Alternativen und nicht in der vorgelagerter Parteienräson.
Das ist, um dies deutlich zu sagen, weder das in Frage stellen der Parteien noch der Parteiendemokratie. Aber eine Absage an die Gleichsetzung von Parteien und Demokratie, eine Absage vor allem an die schon beinahe bis zur eingewöhnten Selbstverständlichkeit gewordene Sozialdemokratisierung Kölns. Das ist meine tiefe Begründung und meine Hoffnung einer neuen Kultur von Gemeinsamkeit.
Diese Gemeinsamkeit hat auch etwas mit Führung zu tun. Eine Oberbürgermeisterin Henriette Reker wird sich dieser Führungsverantwortung stellen. Erkennbar darin, dass sie von ihrem Recht und ihrer Pflicht des ersten Entscheidungsvorschlages uneingeschränkt Gebrauch macht. Es muss aufhören, dass die Verwaltung Politik spielt und die Politik Verwaltung.
Mich interessiert kein Parteibuch - das kann jeder haben, wie er will. Mich interessiert das Können, der Einsatz und die Einsicht, dass jeder der über 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine wertvolle Aufgabe hat: Dienst und Leistung für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt zu erbringen.
Zur politischen Führung gehört die Festlegung klarer Prioritäten. Nicht alles in Einem, sondern gelegentlich auch eines nach dem anderen. An der Opern-Nummer haben wir gelernt: Sorgfalt ist besser als Sorgenfalten. Deshalb plädiere ich, um das gleich zu sagen, dafür, erst einmal alle öffentlichen Bauten wie Oper, jüdisches Museum, archäologische Zone, Erweiterungsbau des WRM, Bau des schon seit Jahren diskutierten Archivs abzuschließen, um sich dann der neuen guten Idee der historischen Mitte zu widmen. Nach sorgfältigen Planung und Prüfung der finanziellen Finanzierbarkeit. Dafür wird selbst der Domprobst Verständnis haben, der doch weiß, dass sein und unser aller Dom auch nicht im katholischen Schnellverfahren gebaut wurde.
Vorrangig ist für mich die Haushaltssanierung - beginnend mit einem Kassensturz. Wer unpopuläre Maßnahmen scheut, wird mit unpopulären Zuständen rechnen müssen. Und nicht ganz nebenbei: Zur Führung einer großen Verwaltung gehört auch die professionelle Kenntnis von Verwaltungsabläufen. Ich kann das. Ein Oberbürgermeister ist kein Ausbildungsberuf, sondern ein Amt mit ausgebildeter Berufung.
2) Köln - Stärkung des Wirtschaftsstandortes
Es gibt keine wirkungsvollere Sozialpolitik, als die Stärkung des Wirtschaftsstandortes und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das gilt auch für die Standortpflege vorhandener Unternehmen. Wir brauchen eine Offensive für start ups, aber auch sich daraus ergebender Entwickungsfinanzierung, die insgesamt eher in Deutschland unterentwickelt ist. Wir brauchen einen Rund-um-Service für ansiedlungswillige Unternehmen. Mit einer professionell ausgebauten Erstanlaufstelle – räumlich abgetrennt vom üblichen Betrieb in unserer Rathäusern - und – das will ich prüfen- gegebenenfalls eine neue Organisationsstruktur der Wirtschaftsförderung.
Und zum Schluss: Für mich ist klar: Es darf für einen längeren Zeitraum zu keiner Erhöhung der Gewerbesteuer kommen.
3) Köln - Stadt mit unverwechselbarem Profil
Kultur - darüber nicht zu sprechen wäre hier im Hause Hanstein unverzeihlich. Kultur ist ökonomisch bewährte Standortpolitik und gleichzeitig so etwas wie die Seele Kölns. Wirtschaftsstandorte finden ihre Attraktivität in den kulturellen Aktivitäten. Wir wollen eine urbanistisch und professionell ausgerichtete Kulturpolitik als Alleinstellungsmerkmal der Stadt, die das Zentrum, die Metropole der Region ist.
Ich werde in der Kulturadministration für klare Verantwortlichkeiten sorgen – dafür bedarf es nicht der Schichtung verschiedener Hüte. Das eine Opern-Intendantin gleichzeitig auch Bauherrin des größten Investitons-Projektes in Köln sein muss - ganz verstanden habe ich das nicht.
Zum Stichwort „Kulturentwicklungsplan“: Eh wir einen neuen Plan erstellen, sollten wir den alten erst einmal ausführe. In 60 % aller Vorhaben in diesem KEP sind bisher nicht umgesetzt worden- die meisten wegen fehlender Mittel: Zum Beispiel: Das Kulturmarketing.
4) Köln - die wachsende Metropole
Es liegt auf der Hand: Köln als wachsende Metropole mit einer langfristigen Zunahme um 200.000 Menschen stellt uns in der Gegenwart vor neue Herausforderungen.
Bessere Verkehrsinfrastruktur: Wir brauchen dringend den Ausbau des Schienennetzes und einen fließenden Verkehr auf den Straßen.
Die Konturen und Folgen des Demografiewandels zeigen sich hier in Köln anders als in anderen Regionen. Nur ein Beispiel: Wir haben einen zunehmenden Trend zu neuen E-Rädern, die auch für älter gewordene, aber dennoch muntere Ältere immer mehr von Bedeutung werden.
Deshalb: Mehr Radschnellwege. Die können pendelnde Autofahrer zu Radfahrern machen. Deshalb: Begegnungszonen einrichten. Neue Modelle des Miteinanders von Autofahren, Radfahren, Fußgänger, Freizeitbereiche: In Berlin Schöneberg entsteht die erste in diesem Land.
Und dann: Die wachsende Metropole: Wir brauchen mehr Wohnraum. Wir bauen zur Zeit die Hälfte dessen, was wir jährlich brauchen. Wohnqualität entwickelt sich auch durch intelligentes Bauen in gut überlegten Systemen der sozialen Dichte. Stichwort intergeneratives Wohnen. Neuer Wohnraum auch durch die bessere Nutzung vorhandener Flächen - wie zum Beispiel die Überbauung von Parkflächen. Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Dies geht in erster Linie an die Adresse unserer eigenen Wohnungsbaugesellschaft und dessen Aufsichtsratsvorsitzenden.
Die wachsende Metropole ist auch eine Folge der Zuwanderung, der Migration und ganz aktuell der Flüchtlinge. Ich halte mich an die Vereinbarung, die Flüchtlingsproblematik aus dem Wahlkampf heraus zu halten. Der Wahlkampf ist für mich immer auch die Generalprobe für die integrative und auch charakterliche Kraft der Kandidaten für das Oberbürgermeister-Amt selbst.