Sterck: Denk ich an Köln in der Nacht...
08.11.2018 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Rede von Ralph Sterck, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, anlässlich der Verabschiedung des städtischen Haushaltes 2019
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren!
Zum zweiten Mal in Folge gelingt es heute, einen städtischen Haushalt so früh zu verabschieden, dass er zum Jahresbeginn in Kraft treten kann. Dieser alten Forderung der FDP hat sich auch Henriette Reker angeschlossen und mit ihrem Amtsantritt umgesetzt. Dafür herzlichen Dank an die Oberbürgermeisterin, die Kämmerin und das ganze Team, das das möglich gemacht hat.
Das war der letzte Haushalt, den Frau Klug für die Stadt Köln erstellt hat. Dass sie von Ihrer Fraktion keine Verlängerung bekommen hat, hat sicher andere Gründe als das erreichte Terminziel. Im Namen der FDP-Fraktion sage ich herzlichen Dank für ihr Engagement für die Stadt Köln und die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Denk ich an Köln in der Nacht…
Meine Damen und Herren,
„Denk ich an Köln in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!“ Frei nach Heinrich Heine aus unserer Schwesterstadt rheinabwärts möchte ich meine derzeitige Gemütslage mit meiner Vaterstadt ausdrücken. Denn Köln ist nicht gut aufgestellt und löst bei Zeitgenossen innerhalb und außerhalb der Stadtmauern immer wieder Kopfschütteln aus. Sonntagsöffnungen, Klinikfusion und Fahrverbote sind nur die Spitze eines Eisbergs der Ärgernisse und offenen Baustellen.
Klüngel
Die Stadtwerkeaffäre ist ein Beispiel, das einen fassungslos zurücklässt. Aber nicht nur ihr Zustandekommen ist ein herber Rückfall in längst überholt gehoffte Klüngelstrukturen. Auch die Reaktion einiger Protagonisten ist bemerkenswert.
Hier sticht aus meiner Sicht die SPD heraus. Man müsste denken, sie würde jetzt „kleine Brötchen backen“ und mit vertrauensbildenden Maßnahmen Läuterung dokumentieren. In Wahrheit kapert sie mit Hilfe der Arbeitnehmervertreter erst den Stadtwerke-Aufsichtsratsvorsitz und wiederholt das Spiel gerade beim neuen KVB-Chef bzw. der neuen Chefin. Dieses Verhalten untergräbt die Mitbestimmung und vergiftet die demokratischen Gepflogenheiten.
Und wenn unsere geschätzte Verkehrsdezernentin Andrea Blome nun in den Vorstand der Düsseldorfer Rheinbahn wechselt, weil ihr untersagt wurde, sich für den Chefsessel der KVB zu bewerben, steht das Ratsbündnis endgültig vor einem Scherbenhaufen seiner Personalpolitik.
Wohnungsbau
Die Zahl der Wohnungen, für die im ersten Halbjahr 2018 in Köln Baugenehmigungen erteilt wurden, ist um mehr als 25% eingebrochen, wie IT.NRW mitgeteilt hat. So wurden nur noch 1.003 neue Wohnungen genehmigt, nachdem es im Vorjahr noch 1.359 waren. Eine unheilige Allianz aus SPD, CDU und Grünen bringt den Kölner Wohnungsbau Schritt für Schritt zum Erliegen.
Immer neue bürokratische Hürden belasten den Standort und schrecken Investoren ab. Kooperatives Baulandmodell – durch das übrigens nach Auskunft von Herrn Greitemann bisher keine einzige geförderte Wohnung geschaffen wurde – , Milieuschutzsatzungen, städtisches Vorkaufsrecht für Grundstücke, Konzeptvergaben usw. beschäftigen unnötig die Verwaltung und hindern sie daran, sich um Baugenehmigungen und Baulandausweisungen zu kümmern.
Was Köln braucht, um die angestrebten 6.000 neuen Wohnungen pro Jahr auch nur annähernd zu erreichen, ist eine Entfesselung der Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in Köln. Für zunächst fünf Jahre sollten alle bürokratischen Investitionshemmnisse auf Eis gelegt werden, um alle Kapazitäten in der Stadtverwaltung auf die Schaffung von Planungs- und Baurecht zu konzentrieren und trotz der Angebotsknappheit in der Bauindustrie eine Trendumkehr für mehr neue Wohnungen einzuleiten.
Verkehr
In der Verkehrspolitik wird ein Anti-Autofahrer-Kurs gefahren, der unerträgliche Blüten treibt.
- Auf dem nördlichen Gürtel wird nur ein Radweg statt der für die angrenzenden Veedel nötigen Entlastungsstraße gebaut.
- Auf dem Theodor-Heuss-Ring wird eine Fahrradautobahn markiert, die keiner braucht und die 39 Stellplätze kostet, und auf dem Hohenstaufenring werden Radnadeln aus den Bereichen zwischen den Bäumen, wo sie keiner gestört hat, auf bisherige Parkplätze verlagert.
- Und die Bezirksvertretung Ehrenfeld beschließt, auf dem heute ohnehin stauanfälligen Ehrenfeldgürtel jeweils die rechte Spur zu Radfahrstreifen umzuwandeln.
Assistiert wird dies – beim Wohnungsbau und im Verkehr – jeweils von der CDU. Das Prinzip Merkel, einer Partei jegliches inhaltliches Profil zu nehmen, funktioniert auch in Köln.
Dafür sind die Grünen gegen eine U-Bahn auf der Ost-West-Achse.
- Lieber 90-Meter-Züge im Minutentakt, die die Stadt zustellen und an 54 Punkten mit den übrigen Verkehrsteilnehmern in Konflikt kommen.
- Lieber eine 4-gleisige oberirdische Haltestelle, die den halben Neumarkt belegt, und eine überfrachtete Aachener Straße, auf die dann noch nicht mal Radwege passen.
- Und lieber die Zuschussgelder des Bundes nach Bayern fließen lassen, damit sich der CSU-Verkehrsminister freut und die Stadt München ihr U-Bahn-Netz ausbauen kann.
So sieht erfolgreiche Verkehrspolitik für eine Millionenmetropole à la Grün aus.
Die Entscheidung über die Ost-West-Achse ist die Wichtigste, die in dieser Ratsperiode gefasst wird. Es ist ein Jahrhundertwerk, für das wir nur einen Aufschlag haben, denn einmal eingesetzte Zuschussgelder binden die Stadt für Jahrzehnte. Hier sind insbesondere SPD und CDU gefordert, das Projekt über Wahlen und wechselnde Mehrheiten zu tragen.
Schwarze Null zum Greifen nah
Meine Damen und Herren!
Auch für den Haushalt 2019 und damit zum dritten Mal in Folge trägt das Reker-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP sowie die Ratsgruppe GUT die Verantwortung. Die Liberalen sind mit dem Verhandlungsergebnis sehr zufrieden. Fast alle priorisierten Projekte sind im gemeinsamen Haushaltsbeschluss enthalten. Wo uns das nicht gelang, konnten wir Alternativen durchsetzen. Der magentafarbene Faden in der FDP-Liste ist, Kinder und Jugendliche zu fördern! Daneben waren unsere Schwerpunkte Digitalisierung, Verkehr und Sport.
Köln ist eine wachsende Stadt mit immer mehr Kindern und Jugendlichen. Darum setzten wir uns für eine bessere Unterstützung von Kinder- und Jugendeinrichtungen ein, wo ein steigender Bedarf wie u.a. in Rondorf schon heute erkennbar ist. Für ein qualitativ gutes Angebot und die Verkürzung der langen Wartezeiten haben wir den Zuschuss an die Rheinische Musikschule kräftig erhöht. Den Mitternachtssport – gerade in sozialen Brennpunkten – wollen wir um sechs Angebote erweitern. Die Stadtranderholung für Kinder, die in den Ferien in Köln bleiben, wird ausgebaut.
Außerdem haben die haushaltstragenden Fraktionen auf Vorschlag der FDP das Sonderprogramm Sanierung Schultoiletten um eine Mio. Euro erweitert, denn der Zustand der Schultoiletten in Köln stinkt leider nach wie vor zu Himmel.
Die öffentlichen WLAN Hot-Spots sollen um 140 Standorte auf Plätzen und an wichtigen Orten außerhalb der Innenstadt erweitert werden. Ehrenfeld, Nippes und Mülheim gehen online! Auch fand unser Pilotprojekt Zustimmung, an stark frequentierten KVB-Haltestellen WLAN und USB-„Tankstellen“ für Handys einzurichten.
Die Stadt stellt nun Mittel für eine Cologne Coding Summer School zur Verfügung, in der Kinder und Jugendlichen in den Sommerferien an Programmierungskursen teilnehmen können. Damit die Lehrerschaft den Kindern digital überhaupt was beibringen kann, wurde auf unseren Vorschlag die Finanzierung des „Digital Education Days“ als Informationsangebot für Lehrer aufgestockt.
Wie schon im letzten Haushalt setzen wir uns für die Beleuchtung von Radwegen in den Außenbezirken ein. Ein alter rot-grüner Ratsbeschluss verbietet selbst bei Schulradwegen durch Waldstücke oder Parks eine Beleuchtung. „Lichtverschmutzung“ und „Insektenwohl“ stachen bisher Angsträume und Kinderschutz aus. Das soll sich nun ändern. Und es gibt mehr Geld für die Taktverdichtung von Stadtbahnlinien und den Busverkehr am Abend und am Wochenende.
Traditionell ist die FDP Hüter des Kölner Sports. Darum haben wir gern die weitere Erhöhung der Jugendbeihilfe an Sportvereine sowie die Schaffung von Kunstrasenplätzen unterstützt. Auch konnten wir unser Versprechen einlösen, den Startschuss für eine Schulsporthalle in Köln zu geben, die mit einer Kapazität von Zuschauern, neun Metern Höhe und genügend Helligkeit für viele Ballsportarten wie Volley- und Handball endlich bundesligatauglich ist. Denn bisher fehlt in Köln solch eine Halle.
Dank fleißiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und erfolgreicher Unternehmern sowie höheren Zuwendungen des Landes wird Köln nach der derzeitigen Finanzplanung 2022 und damit ein Jahr früher als geplant einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Da die Deckungslücke für 2020 und 2021 gerade mal 25 Mio. Euro beträgt, sollte die neue Kämmerin und die Oberbürgermeisterin für die nächste Haushaltsaufstellung den Ehrgeiz haben, die schwarze Null zu erreichen. Sonst würden wir nachhelfen.
Wünsche
Meine Damen und Herren!
Bei den Stercks ist es bis heute Pflicht, zu Weihnachten einen Wunschzettel zu schreiben, weil meine Mutter irgendwann keine Lust mehr hatte, sich für die ganze Familie Geschenke auszudenken. Lassen Sie mich dieser Tradition folgend auch für die Stadt Köln ein paar Wünsche formulieren.
Ich wünsche mir von der Oberbürgermeisterin mehr politische Führung, von der SPD mehr Mit- als Gegeneinander, von der CDU mehr Rückbesinnung auf bürgerliche Werte und von den Grünen weniger Ideologie, denn dann müssten sie auch in Berlin längst nicht mehr auf den Oppositionsbänken sitzen.
Ich wünsche mir, dass Köln aus den Schlagzeilen kommt und endlich in der ersten Liga deutscher und europäischer Städte spielt. Das gilt natürlich auch für den FC.
Herzlichen Dank.