Sterck: Jetzt Projekte säen
05.07.2005 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Rede des Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Ralph Sterck, anlässlich der Haushaltsplanverabschiedung 2005/2006 am 5. Juli 2005 Die Aufbruchstimmung ist weg Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Zitat aus dem Lied „Du bess die Stadt“ von den Bläck Fööss beginnen. Jrau ding Hoor un su bunt di Kleid. Du häs Knies en der Bud, doch de Näjele rut. Jrell jeschmink un de Fott jet breit. E Jlöck, dat deer dat all jot steit. Der Kölner ansich neigt bezüglich seiner Heimatstadt zu enormen Gefühlsschwankungen. Gegenüber Düsseldorf, im Urlaub am Strand und im Karneval ist er überschwänglich verliebt und würde nichts auf Köln kommen lassen. Gegen Angriffe von außen steht die ganze Stadt „wie ein Mann“. Oder auch „wie eine Frau“. Innerhalb der Stadtgrenzen und in den Kölner Medien neigt er zu Selbstzweifeln bis zu fundamentaler Kritik. Hier füllen teilweise an Nestbeschmutzung grenzende Leserbriefe ganze Zeitungsseiten und auf jeden Kritiker in der Öffentlichkeit reagiert man mit einem erleichternden „Endlich hat es mal einer gesagt“. Man kann sich das trauen, weil das von den Kölnerinnen und Kölnern gefühlte Chaos in der Kommunalpolitik und die fehlende politische Führung es leicht macht, sich gegenüber der Obrigkeit im Rathaus kritisch zu äußern und dieses Bild projiziert sich schnell auf die Binnenstimmung in Köln. Und wenn nun schon Ratsmitglieder selbst kübelweise Mist über der Stadt ausgießen, warum sollen sich dann die Bürgerinnen und Bürger hier noch zurückhalten? Und so stimmen selbst prominente Manager großer Unternehmen dieser Stadt in den Chor der Wehklagenden ein. Zitat: „Die Stadt Köln hat alles vergammeln lassen“, erklärt IHK-Präsident Paul Bauwens-Adenauer beim Kulturforum der Kölner FDP im April. „Die Stadt muss endlich raus aus der Mittelmäßigkeit“, fordert Flughafen-Chef Michael Garvens auf dem Köln-Empfang von City-Marketing im Mai. Und: „Beim geplanten Kongresszentrum ist man seit drei Jahren keinen Schritt weitergekommen“, kritisiert der Chef der Kölnmesse Jochen Witt die Wirtschaftspolitik der Stadt Anfang Juni im Kölner Stadt-Anzeiger. Seit drei Jahren? Da war doch was! Wir erinnern uns. 1999 war das Jahr des Wechsels in Köln. Harry Blum wurde Kölns erster direktgewählter Oberbürgermeister und eine Koalition von CDU und FDP löste eine 43 Jahre währende SPD-Mehrheit im Kölner Rathaus ab. Die Ärmel wurden hochgekrempelt. Es herrschte Aufbruchstimmung in der Stadt. In der Folge wurden Beschlüsse und Projekte gesät, von denen die Stadt heute noch zehrt. Allein fünf große Stadtentwicklungsprojekte wurden unter maßgeblicher Beteiligung der FDP teilweise mit einer Einstimmenmehrheit gegen den Widerstand von SPD und Grünen beschlossen: - Die neue Nutzung des CFK-Geländes in Kalk mit dem Einkaufszentrum, was wir im März eröffnet haben und das sich zu einem Publikumsmagneten für das Rechtsrheinische entwickelt. - Das RZVK-Hochhaus, das nun äußerlich fertig ist und der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA eine repräsentative Herberge gibt, als Symbol für das aufstrebende Gebiet rund um den ICE-Terminal. - Die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes mit der neuen Domtreppe, die das Domumfeld entscheidend verbessert und die die SPD gerne noch bis 2012 als Provisorium gesehen hätte. - Der Rheinauhafen, der sich insbesondere im Südteil prächtig entwickelt und bei dem nun mehr Wohnungsbau realisiert wird, als uns grüne Unkenruferinnen glauben machen wollten. - Und zuletzt die Ausweitung des Niederflurnetzes, das das städtische U-Bahn-Netz leistungsfähiger und kundenfreundlicher macht, da der niveaugleiche Einstieg nun schneller und billiger zu realisieren ist. Die FDP ist stolz darauf, an all diesen Projekten entscheidend mitgewirkt und dazu beigetragen zu haben, dass wir nun in diesen Fragen die Ernte einfahren können. Doch dann kam – vor drei Jahren, wie auch Herr Witt richtig beklagt – der gescheiterte GAG-Verkauf, der die Stadt durch SPD und Grünen und das Zutun von zwei CDU-Kollegen in eine tiefe finanzielle und mentale Krise führte, von der sie sich bis heute nicht erholt hat und so bald auch nicht erholen wird, wie der heute zu beschließende Haushalt uns vor Augen führt. Fortan ging es dem grünen Koalitionspartner nicht mehr um Stadtentwicklung, sondern um Stadtentwicklungsverhinderung. Es wurde nicht mehr Gas gegeben, sondern auf der Bremse gestanden: Rennbahnbebauung, nördliche Gürtelvollendung, Ausbau der Rheinuferstraße in Höhe des Rheinauhafens, Quartiergaragengelder wurden für Fahrradständer ausgegeben usw. Glücklicherweise hat die neue Landesregierung diesem rot-grünen Irrweg einen Riegel vorgeschoben: Durch die Bündelung von Stellplatzablösesummen wird auch wieder der Bau von Quartiergaragen ermöglicht. Stadtraummanager einsetzen Meine Damen und Herren, wie gesagt: das Bewusstsein der Kölnerinnen und Kölner für das Bild ihrer Stadt ist in der Vergangenheit stark gestiegen. Der Gestaltungsbeirat wurde aufgewertet und hat bei Verwaltung, Bauherren und Architekten an Gewicht und Einfluss gewonnen. Mit der Leitbildgruppe Stadtbild haben wir einen weiteren Kreis von Bürgerinnen und Bürger, die sich für ein schöneres Köln engagieren. Die Politik greift dies auf und setzt sich an die Spitze der Bewegung. Frau Kollegin Moritz, die sich bereits vorher mit ihrer Prominenteninitiative für die Altstadt stark gemacht hat, und der Kollege Lemper laufen als Touristen getarnt medienwirksam mit Rollkoffer und Aktentasche durch die Innenstadt. Und auch meine Fraktion hat mit der in der April-Sitzung verabschiedeten Liste zur Beseitigung von 55 Schandflecken und Verschönerungsmaßnahmen ihren Beitrag zu dieser Diskussion geleistet. Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bei der Mehrheit in diesem Rat bedanken, dass die Initiative nicht kaputtgestimmt, sondern konstruktiv aufgegriffen wurde. All diesen Aktivitäten liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass wir uns die Stadt – insbesondere vor dem haushaltspolitischen Hintergrund – nicht neu bauen können. Wir müssen mit dem Material an Städtebau und Architektur arbeiten, was unsere Vorväter nach der Zerstörung des Krieges mit einer beachtlichen Wiederaufbauleistung geschaffen haben. Aber es sind die kleinen Dinge, mit denen wir nachhaltig etwas für ein besseres Stadtbild tun können. Nachdem wir schon viel für mehr Sauberkeit in der Stadt getan haben, ist es der Umgang mit dem öffentlichen Raum, der zu wünschen übrig lässt: fragwürdiges Mobiliar allerorten, lieblose Gestaltung der Straßen und Plätze, schlechte Instandhaltung der Infrastruktur. Eine Delegation des Stadtentwicklungsausschusses und des Gestaltungsbeirates war in den letzten Tagen in Hannover, um sich dort die Arbeit des örtlichen Stadtraummanagers anzusehen. Zumindest unser Teilnehmer an dieser Fahrt, unser Sachkundiger Einwohner im Stadtentwicklungsausschuss Norbert Hilden, war anschließend begeistert. Dort gibt es beim Stadtplanungsamt einen Stadtraummanager, der zwar keine Weisungsbefugnis an irgendein Amt hat, der allerdings in den städtischen Ämtern positiv Gehör findet mit seinen Vorschlägen zur Verbesserung des Stadtraumes, zur Entrümpelung der Straßen und Plätze und zur Erneuerung der Freiräume. So etwas brauchen wir zumindest zunächst für die Innenstadt, wenn nicht sogar für die Bezirke und Stadtteile auch. Einen Menschen wie den damaligen städtischen Verantwortlichen für die Domumgebung, von dem die dortigen Anlieger noch heute schwärmen. Jemanden, der weiß, was sich im Stadtraum tut, der Initiativen für Aufwertungen ergreift, der für Anwohner und Interessierte ein Ansprechpartner ist. Kurz um: ein Kümmerer, der für eine nachhaltige Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf Kölner Straßen und Plätzen sorgt. Herr Oberbürgermeister, ich fordere Sie auf, eine solche Stelle in Ihrer Verwaltung zu schaffen, damit nach den vielen Worten endlich Taten folgen. Beim Weltkulturerbe lieber ein Ende mit Schrecken Meine Damen und Herren, neben den hausgemachten Problemen gibt es dann noch die Einflüsse von außen, wie die UNESCO, die im Rahmen der Auflagen für das Weltkulturerbe Dom uns gerne vorschreiben will, was wir zu bauen haben und was nicht. Geister, die von – auch politisch – interessierter Seite in Köln gerufen wurden, die wir jetzt nicht mehr loswerden. Lassen Sie mich dazu aus einem Leserbrief aus dem Kölner Stadt-Anzeiger zitieren: „Wir haben uns gefreut, als der Kölner Dom in die Liste der Welterbe-Stätten aufgenommen wurde. Seitdem die UNESCO die Kathedrale wegen der auf der anderen Rheinseite in Deutz geplanten Hochhäuser auf die rote Liste gefährdeter Denkmäler gesetzt hat, schlägt diese Freude bei der Kölner Bevölkerung zunehmend in Ärger um. Müssen wir, die Bewohner der ehemaligen freien Reichsstadt ... jetzt hinnehmen, dass Denkmalschützer aus der ganzen Welt uns verbieten wollen, auf der anderen Rheinseite dringend notwendige Hochhäuser zu bauen?“ Soweit das Zitat von einem – mir nicht bekannten – Dr. Günter Nesselmüller aus Köln, das mir voll aus dem Herzen spricht. Die Schilderungen unseres Stadtentwicklungsdezernenten Streitberger von der UNESCO-Konferenz in Wien machen mir Angst. Nicht wegen unseres Weltkulturerbestatusses, sondern wegen des teilweise kompromisslosen und unnachgiebigen Fanatismusses, mit dem dort Hochhausbauen allgemein beurteilt worden sein muss. Wann ist die UNESCO so zufrieden, dass wir von der Roten Liste gestrichen werden? Wenn wir auf die Hochhäuser auf der Nordseite der Bahn in Deutz verzichten? Wenn der Jahn-Turm Cologne One nicht gebaut wird? Oder müssen wir das RZVK-Hochhaus wieder abreißen? Oder fällt irgendwann jemandem auf, dass auf der Südblickachse noch drei 16-stöckige Kranhäuser im Rheinauhafen gebaut werden sollen? Frau Ringbeck, die Referatleiterin für Denkmalschutz im nordrhein-westfälischen Bauministerium, die uns den ganzen Schlamassel eingebrockt und die UNESCO auf den Hals gehetzt hat, legt in diesen Tagen noch mal nach: Sollte der Kölner Dom seinen Titel als Weltkulturerbe verlieren, so käme auch die FDP-Idee, ihn ab 2006 auf einem der 2-Euro-Stücke zu verewigen, nicht in Frage. Doch was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ist der Kölner Dom nicht die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Nordrhein-Westfalens, ja sogar Deutschlands, für die es nur angemessen wäre, europa-, ja weltweit auf einer Münze zu werben? Auf mich machen die Forderungen der UNESCO und deren Anhänger den Eindruck eines Fasses ohne Boden. Die Stadt darf sich hier nicht dauerhaft erpressbar machen lassen. Möglicherweise ist auch hier das Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende. Die Haushaltsbombe tickt weiter Meine Damen und Herren, die Haushaltsbombe tickt weiter: Um die städtischen Finanzen steht es erheblich schlechter als bis zur KölnWahl von den Verantwortlichen zugegeben wurde und auch heute zugegeben wird. Damit machen sich die politisch Handelnden der fortgesetzten politischen „Konkursverschleppung“ schuldig, nachdem bereits die alte schwarz-grüne Mehrheit unterstützt vom Kämmerer vor der KölnWahl mit der Wahrheit hinterm Berg gehalten hat. Damals war auch die SPD noch bei denjenigen in diesem Hause, die für Wahrheit und Klarheit beim städtischen Haushalt waren. Doch spätestens mit der Verschiebung der Haushaltsplanberatung auf den heutigen Termin nach der Landtagswahl hat sie ihre politische Unschuld in dieser Frage verloren. Es hat Ihnen nichts genützt, liebe Kolleginnen und Kollegen der sich anscheinend auflösenden organisierten Sozialdemokratie. Zum Glück springt den Großkoalitionären im Kölner Rathaus der Kämmerer helfend zur Seite, in dem er mit höheren Steuereinnahmen und Auswirkungen von Hartz IV den Haushalt gesundrechnet. Es regiert das Prinzip Hoffnung. Dass CDU und SPD die Kölnerinnen und Kölner vor der Bundestagswahl erneut in Sicherheit wiegen und ihnen keinen reinen Wein einschenken, ist ein Skandal. Und auch das wird Ihnen nicht helfen, denn die Kölnerinnen und Kölner wissen, dass es so mit den Staatsfinanzen und dem städtischen Haushalt nicht weitergehen kann. Die Wählerinnen und Wähler haben das Bedürfnis, dass ihnen endlich die Wahrheit gesagt wird und sie nicht länger mit Durchhalteparolen an der Nase herumgeführt werden. Die vom Regierungspräsidenten aufgestellten Forderungen zum Kölner Haushalt finden unsere Unterstützung. So freut uns, dass er die Aktivierung des großen Beteiligungsvermögens der Stadt fordert. Hier erinnern wir an unser Modell, den Erlös aus entsprechenden Verkäufen in eine KölnStiftung einzubringen, aus deren Zinserlösen der Haushalt gestützt werden kann. Unser Finanzpolitischer Sprecher Ulrich Breite wird gleich noch was zu den nackten Zahlen sagen. Aber lassen Sie mich schon so viel sagen: Bitte erwarten Sie nicht, dass wir Ihr durchsichtiges Spiel mitspielen. Wir werden diesem unseriös finanzierten Haushalt und dem Haushaltssicherungskonzept nicht zustimmen. Jetzt Projekte für kommende Erfolge säen Meine Damen und Herren, die Kommunalwahl, die die Abwahl der unsäglichen schwarz-grünen Koalition brachte, liegt nun auch schon wieder fast ein Jahr zurück. Doch was ist bei der neuen Großen Koalition außer Prüfaufträgen und Runden Tischen auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners rausgekommen: nichts! „Schwarz-Rot könnte jetzt loslegen“, spottet Peter Berger im Stadt-Anzeiger. Von „Sand im Getriebe“, „mangelnden Absprachen“ und „handwerklichen Fehlern“ war da zu lesen. Nach anderthalb Jahren Schwarz-Grün hat Köln auf diese Weise ein weiteres Jahr verloren. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktionen: Wachen sie endlich auf. Machen Sie das, was die Kölner Bürgerinnen und Bürger und die Kölner Wirtschaft von Ihnen als Problemlösung erwarten und wofür Sie nach der Kommunalwahl die Macht an sich gerissen haben. Fangen Sie an zu säen, damit Köln auch in den kommenden Jahren Erfolge zu ernten hat: - Vertagen Sie die Entscheidung über die Ost-West-Bahn, die ja schon in Ihrem Koalitionsvertrag drin steht, nicht weiter, nur weil die Anträge von der falschen Fraktion stammen. - Geben Sie den Initiatoren des Hauses und Museums der jüdischen Kultur eine Chance, ihr Projekt auf der unbebauten Fläche am Rathausplatz zu realisieren, um einen neuen Juwel im Kranz der Kölner Museen leuchten zu lassen. - Holen Sie die Standortentscheidung für die Verlagerung des Großmarktes aus der Schublade, damit alle Beteiligten Planungssicherheit bekommen und das Filetstück im Kölner Süden irgendwann neu genutzt werden kann. - Bringen Sie das Kongresszentrum und den Bereich nördlich des ICE-Terminals auf den Weg, damit wir das Gelände nicht für das nächste Loch räumen. Unser gleich folgender Antrag gibt Ihnen Gelegenheit dazu. - Und wo ist die für „vor der Sommerpause“ angekündigte Vorlage zur Sanierung der Oper, denn die baulichen und städtebaulichen Missstände zwischen Krebsgasse und Nord-Süd-Fahrt bedürfen dringend einer Lösung? 2000 Jahre ist unsere Mutter Colonia nun alt und sie hat schon viel mitgemacht. Sie wird auch die derzeitige Große Koalition überstehen, obwohl es ihr mit besserer Politik viel besser gehen könnte. Aber wie heißt es am Ende des bereits am Anfang zitierten Liedes der Bläck Fööss: Du bess die Stadt am Rhing, däm jraue Strom. Du bess verlieb en dinge staatse Dom. Du bess en Jungfrau un en ahle Möhn. Du bess uns Stadt un du bess einfach schön. Vielen Dank.