Europa ist handlungsfähig
12.08.2005 Meldung Junge Liberale Köln
Ein Beitrag zur europapolitischen Diskussion Christian Krappitz ist Beisitzer im Kreisvorstand der Jungen Liberalen Köln und Autor des folgenden Diskussionsbeitrags. Die gute Nachricht zuerst. Europa ist handlungsfähig. Daran haben auch die Ergebnisse der beiden Verfassungs-Referenden in Frankreich und den Niederlanden sowie das gescheiterte Ratstreffen zum EU-Haushalt 2007-2013 nichts geändert. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass die EU derzeit in einer problematischen Situation steckt. Ihre Handlungsfähigkeit beruht jedoch auf dem Vorgänger des Verfassungsvertrages, dem Vertrag von Nizza. Dieser Vertrag war schon bei seiner Verabschiedung reformbedürftig, denn er schaffte es nicht, die Strukturen der EU so zu modernisieren, dass sie den Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst wurde. Dazu zählen größere Bürgernähe, bessere Effizienz und die Vereinbarkeit von Erweiterung und Beschlussfähigkeit. Gerade in letzterem Punkt hat der Vertrag von Nizza ein unfaires Gerüst in Gestalt des Abstimmungssystems im Rat produziert, das die Union mehr am Vorankommen hindert, als dass es sie vorwärts bringt. Der Verfassungsvertrag hat viele dieser Hindernisse beseitigt und neue Verbesserungen eingeführt, wie etwa die Einbindung der direkt gewählten nationalen Parlamente in den Entscheidungsprozess, sozusagen als Gegengewicht zu den sich selbst ermächtigenden, nur indirekt gewählten, Regierungen. Dass dieser Verfassungsvertrag nun von den Bevölkerungen zweier Mitgliedsstaaten mehrheitlich abgelehnt wurde, führt Europa in eine Krise. Aber wir sollten nicht jammern und lamentieren. Vielmehr sollten wir das Beste aus der Situation machen. Und da gibt es einiges. Schon John F. Kennedy bemerkte, dass das chinesische Wort für Krise aus zwei Schriftzeichen besteht, das eine bedeutet Risiko, das andere Chance. Wir sollten die derzeitige Situation als Chance begreifen, die europäische Idee gerade jetzt mit Schwung voran zu bringen. Es ist das Gebot der Stunde, in zweierlei Hinsicht tätig zu werden. Auf der einen Seite ist es Aufgabe von Regierungen und anderen Multiplikatoren-Gruppen, jetzt, wo viele schon den Abgrund sehen wollen, in den die EU stürzen soll, einen Weg raus aus der Krise zu finden. Dieser Weg darf steiniges Gelände nicht meiden. Denn sonst erklimmen wir nie den Hügel. Im Klartext heißt das: Die Art und Weise, wie die EU in den letzten Jahrzehnten agiert hat, muss an manchen Stellen nachhaltig und deutlich überdacht werden. Dabei darf man nicht den Fehler begehen, problematische Bereiche nur halbherzig anzugehen oder gar zu umgehen. Der Preis dieser falsche Konfliktscheue wird in der Zukunft um ein vielfaches höher ausfallen, als der Schmerz sich von Gewohntem zu trennen. Eigentlich bräuchten wir nicht einmal in die Zukunft zu blicken – wir spüren die Versäumnisse der letzten Jahre schon heute. Konkret ist es das Gebot der Stunde für die Politiker in der EU, einen neuen Anlauf gen Reform der EU und ihrer Institutionen zu nehmen. Dabei sollten lobenswerte Inhalte des Verfassungsvertrages wie das zweistufige Abstimmungssystem im Rat, die Einführung eines gewählten EU-Präsidenten auf zweieinhalb Jahre oder der Europäische Diplomatische Dienst wieder aufgegriffen werden. Zugleich sollte darauf geachtet werden, dass nur das in eine Verfassung kommt, was auch wirklich fundamental für die Organisation des Gebildes EU ist. Während die Kompetenzen klarer verteilt werden müssten, hätte die Ausgestaltung der verschiedenen Politikbereiche in einer Verfassung nichts zu suchen. Solche Aspekte können nach wie vor in der hergebrachten Vertragsform und über Verordnungen und Richtlinien geregelt werden. Ein neuer Anlauf muss, auf der anderen Seite, begleitet sein von einer Kampagne, mit der die EU mit all ihren schwer verständlichen Aspekten den Bürgern nahe gebracht wird. Die Zeiten des „permissive consensus“ sind spätestens seit dem Vertrag von Maastricht vorbei. Die EU besteht nicht mehr nur aus dem gemeinsamen Markt, der uns Frieden, Sicherheit und einen nie gekannten Wohlstand beschert hat. Die EU ist im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der Innen- und Justizpolitik und, dank des guten alten Spill-over Effektes, auch in vielen anderen Bereichen involviert. Manche dieser Bereiche tangieren die Bürger direkt, nicht immer nur auf positive Weise. Dazu darf man die Fragen von Souveränität und Subsidiarität nicht vergessen. Zugleich ist es nicht einfacher geworden, die Mechanismen der EU zu verstehen. Leider stehen nicht nur Bürger, sondern auch viele unserer Politiker vor der EU wie der berühmte Ochs vorm Berge. Sie treffen zwar munter Entscheidungen im Rahmen der EU, wissen aber häufig gar nicht, was sie wirklich da tun. Dass Regierungen und Parlamentsabgeordnete direkte politische Entscheidungsträger sind, stellt das mangelnde Wissen in einem dramatischen Lichte dar. Dass aber die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten, die Souveräne der Verfassungs-Ordnung, nach wie vor kaum in den europäischen Integrationsprozess eingebunden sind, widerspricht dem demokratischen Credo der EU-Mitgliedsstaaten. Die Eliten in der EU müssen daher alle Anstrengungen unternehmen, die Bürger auf dem europäischen Weg mitzunehmen. Sie einfach als Variable in der politischen Rechnung zu ignorieren, ist nicht nur grob fahrlässig, wie sich in Frankreich und den Niederlanden gezeigt hat, sondern auch undemokratisch. Den Bürgern soll Europa endlich nahe gebracht werden. Es muss klar herausgestellt werden, wofür die EU wirklich zuständig ist und was noch immer in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten liegt. Allein die Erläuterung mancher der so schwierigen Sachverhalte kann aus einem Europa-Skeptiker wieder einen Befürworter der europäischen Idee machen. Wir sollten also nicht den Kopf in den Sand stecken. Im Gegenteil, wir sollten aktiv Europa wieder auf die positive Tagesordnung bringen. Das heißt, es ist unsere Aufgabe und die der Politiker die EU nachhaltig zu reformieren und zu modernisieren. Darin liegt die Chance dieser Krise. Wir sollten sie nutzen. Hier geht es zu weiteren Meldungen und Initiativen der FDP zum Thema Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik.