"Keine Toleranz für Intolerante"

„…oder so“ – Die Kolumne von Maren Friedlaender

30.07.2016 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Am Sonntag werde ich das Haus nicht verlassen. Ich bin stinksauer, wütend, außer mir. Ich will nicht sehen, wie sie das Portrait von Erdogan durch unsere Straßen tragen. Demonstrieren für einen Mann, der seit langem den Konsens der Demokraten verlassen hat. Sie werden schreien und seinen Namen skandieren, Andersdenkende sogar bedrohen – das alles beschützt von der deutschen Polizei. Schöne Bilder für die türkischen Staatsmedien.

Ich werde zu Hause bleiben und in mich gehen, über das deutsche Grundgesetz nachdenken, insbesondere Artikel 8, Versammlungsfreiheit: Eines der Grundrechte unserer Demokratie – auch für Nichtdemokraten? Wessen Portrait wird als nächstes auf Kölner Plätzen hochgehalten? Assads, das von Kim Jong-un oder werden die Anhänger vom IS bald in unserem Land ihre Ziele propagieren? 

Während der türkische Präsident lustvoll seine Gegner verfolgt, wird hier in Deutschland also sein Portrait bejubelt. Das Bildnis eines Führers, der in den letzten Tagen 1.043 Privatschulen und 15 Universitäten dicht machte, 21.000 Lehrer und Lehrerinnen entließ, 1.577 Universitätsrektoren und –dekane abberief, Dutzende Zeitungen und Sender schließen ließ und knapp 3.000 Richter und Staatsanwälte ihres Amtes enthob – nun kündigte er auch noch die Beschlagnahmung ihrer Vermögen an. Unter Stalin hieß das Säuberung. Was danach kam, wissen wir aus der Geschichte. Erdogan spricht offen von einer „Reinigung“. Der türkische „Kärcher“ im Großeinsatz.

Faktisch sei die Türkei eine Diktatur, sagt Burak Copur, Politikwissenschaftler der Uni Duisburg und Türkeiexperte. Tatsächlich: Was türkische Sympathisanten in Deutschland in Anspruch nehmen, ist in der Türkei längst abgeschafft. Oder darf ich mit meinen liberalen Kollegen auf dem Istanbuler Taksim-Platz für Freiheit und Demokratie werben? Ja, vielleicht, aber einen Rückflug nach Deutschland brauchen wir dann wohl nicht zu buchen.

Also bleibe ich lieber daheim und überdenke Artikel 8 nochmal gründlich. Wenn er wirklich abdeckt, dass man in unserem Land für Demokratiefeinde demonstrieren darf, dann müssen wir Artikel 8 eben ändern – gemeinsam mit allen deutschen Demokraten. Oder müssen wir tatsächlich in unserem freiheitlichen Staat ertragen, dass für autokratische Herrscher anderer Länder demonstriert wird? Volle Toleranz für die Saddams, Lukaschenkos und Kim Jong-uns dieser Welt? Ich finde: keine Toleranz für die Intoleranten.

Übrigens: Man darf sich schon ein wenig darüber wundern, dass türkische Mitbürger, die seit Jahrzehnten die Vorzüge unserer Demokratie genießen, begeistert für einen Diktator auf die Straße gehen. Nicht ausschließen kann man, dass unter den schweigenden Türken und Türkei-stämmigen in Deutschland schon die Angst vor Erdogans langem Arm umgeht. Die Demo in Köln soll sie das Fürchten lernen. Wir machen uns zu Handlangern bei der Vernichtung der türkischen Demokratie.

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Maren Friedlaender

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