Was uns Europa wert sein sollte

05.12.2011 Meldung FDP-Bundestagsfraktion

Wegfall innereuropäischer Wechselkurse hat deutscher Wirtschaft dreistelligen Milliardenbetrag verschafft

Die Ursachen der aktuellen Staatsschuldenkrise in der Europäischen Union sind klar benannt: Zu lange haben einige Mitgliedstaaten über ihre Verhältnisse gelebt, ohne dass ihnen Einhalt geboten wurde. Zu lange haben sich Banken ohne das notwendige Mindestmaß an Eigensicherung an höchst riskanten Spekulationen beteiligt. Und zu wenig wurde auf Solidität bei den Staatsfinanzen und den Akteuren auf den Finanzmärkten geachtet. Was in diesen Monaten passiert, ist nicht nur Symptombehandlung. Es geht um die Entwicklung von Mechanismen, die eine Wiederholung einer solchen Misere für die Zukunft ausschließen. In diese Aufgabe investiert sowohl die FDP als auch die Bundesregierung ihre ganze Aufmerksamkeit und Kraft.

Wir müssen jedoch über die aktuelle Staatsschuldenkrise hinausblicken und uns die Frage beantworten, wie wir gedenken, die Herausforderungen der Globalisierung zu bestehen. Wir werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Druck der aufstrebenden Schwellenländer, wie China, Indien oder Brasilien, verstärkt zu spüren bekommen.

Anders als noch vor zwanzig Jahren agieren diese neuen Global Player in nie gekanntem Selbstbewusstsein – gestützt auf eine junge, wissbegierige Bevölkerung und eine steil nach oben zeigende wirtschaftliche Entwicklung. Anders als noch vor zwanzig Jahren, begegnen wir in der Weltpolitik heute autokratischen Systemen, die einerseits mit unserem Verständnis von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Marktwirtschaft wenig am Hut haben, andererseits wirtschaftlich höchst erfolgreich agieren. Das mag uns nicht gefallen, ausweichen können wir dieser Entwicklung aber nicht. Die Globalisierung ist längst Realität.

Wenn wir darüber sprechen, wie Europa seine strukturellen Defizite überwinden, seine Währung „sturmfest“ und seine Wettbewerbsfähigkeit sichern kann, dann geht es um nicht weniger als die zentrale Frage, wie wir uns in den kommenden Jahrzehnten im globalen Wettbewerb mit diesen aufstrebenden Mächten werden behaupten können.

Dabei wäre es eine ebenso arrogante wie gefährliche Illusion zu glauben, dass wir als Bundesrepublik Deutschland mit einem Weltbevölkerungsanteil von noch 1,14% diesen Wettbewerb alleine bestehen könnten. Wer zulässt, dass der Euro und die Europäische Union nach und nach von Finanzakteuren zerlegt wird, der gibt mit dem europäischen Projekt auch die Zukunftsfähigkeit unseres eigenen Landes preis. Denn der europäische Binnenmarkt ist selbst in seiner noch unvollkommenen Form das entscheidende Rückgrat unserer Volkswirtschaft. Ohne den Euro als gemeinsame Währung wäre die deutsche Exportindustrie nicht im Ansatz so erfolgreich wie heute.

Doch wer „Nein“ sagt zur Rettung unseres gemeinsamen Währungsraums und in der Folge die Fortführung des europäischen Projektes als Ganzes in Frage stellt, der muss eine Alternative bereithalten und darlegen, wie er sich die Organisation unserer Selbstbehauptung in der Globalisierung ohne eine handlungsfähige EU vorstellt. Auf diese elementare Frage habe ich noch keine befriedigende Antwort vernommen.

Wir sollten unseren Blick deshalb nicht allein darauf verengen, was uns Europa kostet, sondern uns vielmehr fragen, was es uns wert ist. Der Wegfall innereuropäischer Wechselkurse hat der deutschen Volkswirtschaft in den vergangenen zehn Jahren einen dreistelligen Milliardenbetrag verschafft. Auch in Zukunft ist gerade die deutsche Exportwirtschaft fundamental auf einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt angewiesen. Wenn die Schuldenkrise erst eingedämmt und die Währung gegen Angriffe von außen geschützt ist, werden wir als größte Volkswirtschaft auch wieder die größten Vorteile aus einer besser aufgestellten Europäischen Union ziehen.

Die Europäische Union steht für Frieden, Freiheit, Versöhnung, Wohlstand und Vereinigung. Europa und der Euro sind eng miteinander verknüpft. Wenn wir es schaffen, die Europäische Union jetzt auf Kurs zu bringen, dann wird Europa als Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bestehen können. Das Potential, Europas Erfolgsgeschichte auch zukünftig weiterzuschreiben, ist greifbar. Wir müssen es jetzt gemeinsam heben.

Dr. Werner Hoyer, MdB

Feedback geben

Werner Hoyer

Werner Hoyer

Staatsminister a.D.

mehr erfahren

c/o FDP Köln
Breite Straße 159
50667 Köln
Fon 0221 253725
Fax 0221 253724
info@fdp-koeln.de