„Ich bin nicht die Kandidatin des kleinsten gemeinsamen Nenners.“

Interview mit Henriette Reker

08.06.2015 Pressemeldung KölnLiberal - Zeitschrift für Freie Demokraten in Köln

KL: Frau Reker, in Köln liegt derzeit ja einiges im Argen. Was wird Ihre erste Maßnahme sein, wenn Sie gewählt werden, und was wollen Sie in den ersten 100 Tagen anstoßen? 

Eine nachhaltige Beteiligungskultur der Stadtgesellschaft, aber auch innerhalb der Verwaltung ist mir sehr wichtig. Als unabhängige Oberbürgermeisterin werde ich in meinen ersten Tagen den bestehenden Masterplan und den Leitbildprozess 2020 reaktivieren. Gerade der Leitbildprozess wurde schon unter einer breiten Beteiligung der Kölnerinnen und Kölner entwickelt. Es ist mehr als bedauerlich, dass wir daraus in den letzten Jahren so wenig gemacht haben.

KL: Die politische Wahrnehmung unserer Stadt außerhalb des Rheinlands wird in den Medien oftmals nur mit „Klüngel“, „Karnevalsverein“ und „Et hätt noch immer jot jejange“ in Verbindung gebracht. Eine Großstadt wie Köln braucht eine starke Führungspersönlichkeit an ihrer Spitze, um dieses Image zukünftig wieder zurecht zu rücken. Wo sehen Sie Ihre Stärken für eine solche Aufgabe? 

Ich sehe eine große Chance darin, die Arbeit des Rates moderierend zu begleiten. Ich halte nichts von starren Blockbildungen und faulen Kompromissen, weil ich in der Sache unterwegs bin. Als unabhängige Oberbürgermeisterin werde ich ergebnisorientiert mit dem Rat zusammenarbeiten, denn ich bin nicht an Fraktion und Parteitagsbeschlüsse gebunden.

KL: Der 1. FC Köln steht seiner Heimatstadt ja in nichts nach und bewegt sich in der Bundesliga auch im unteren Mittelfeld. Da braucht es schon eine starke Passion, um sich auf Dauer dafür begeistern zu können. Inwieweit sind Sie Fußball-Fan?

Ich habe meine Liebe zum Fußball während meiner Zeit in Gelsenkirchen bei Schalke 04 entdeckt. Am vorletzten Spieltag schaue ich mir deshalb auch das Spiel Köln gegen Schalke an – werde aber natürlich dem FC zujubeln.

KL: Sie gehen zur Oberbürgermeisterwahl als unabhängige Kandidatin mit Unterstützung von CDU, FDP und Grünen ins Rennen. Da wird es bestimmt sehr unterschiedliche Erwartungen an Sie geben. Können Sie denen allen gerecht werden? 

Es ist gar nicht möglich, allen gerecht zu werden. Aber das muss ich auch nicht, ich bin trotz der Unterstützung der Parteien eine unabhängige Kandidatin. Ich setze mich für verschiedene Positionen ein, hinter denen ich voller Überzeugung stehe. Wenn die Parteien meine Standpunkte unterstützen, ist das zwar schön, aber alle Beteiligten wissen, dass ich meinen eigenen Kopf habe und eben nicht die Kandidatin des kleinsten gemeinsamen Nenners bin.

KL: Was sind Ihre politischen Schwerpunkte in diesem Wahlkampf? 

In Köln leben Menschen vieler verschiedener Kulturen. Erlebbare Kulturen schaffen
Verständnis und Zusammenhalt und bauen Vorurteile und Berührungsängste ab. Wir dürfen uns nicht über unsere Unterschiede definieren – sondern eine lebendige Stadtgesellschaft, und die wächst aus ihren Gemeinsamkeiten. Ich wünsche mir ein vielfältiges Köln, in dem jeder die Möglichkeit hat, zu partizipieren und sich nach seinen Möglichkeiten in die Gesellschaft einbringen kann. Das setzt aber voraus, dass jeder die gleichen Chancen eingeräumt bekommt.

KL: Was wollen sie tun, um den Verkehr auf Kölns Straßen wieder zum Fließen zu bringen? 

Das städtische Mobilitätskonzept „Köln mobil 2025“ enthält viele gute Ideen, die wir umsetzen müssen. Wenn wir Straßen, Radwege und Bahnstationen sanieren, investieren wir gleichzeitig in einen Mobilitätsmix der Zukunft. Mit intelligenten Konzepten wie Park&Ride, Carsharing und Fahrradstationen vernetzen wir die einzelnen Verkehrsmittel besser. Vor allem das Radfahren muss in der Verkehrsplanung stärker berücksichtigt und durch ein modernes Wegenetz gefördert werden. Barrierefreie Stationen und Verkehrsmittel erleichtern es älteren Menschen und Menschen mit Behinderung, ans Ziel zu kommen. Damit Köln keine Staumetropole bleibt, müssen wir marode Straßen und Brücken nachhaltig und mit Weitblick sanieren.

KL: Und wie wollen Sie Straßen und Plätze sauberer machen? 

Ich möchte die Innenstadt Kölns für Einheimische und Touristen noch attraktiver machen. Dazu gehört, dass Plätze neu gestaltet werden, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Durch grüne und schattenreiche Plätze begegnen wir nicht nur dem Klimawandel, sondern fördern auch die Lebensqualität. Viele Flächen können der Natur und den Menschen wiedergegeben werden und gleichzeitig dem Klima zugute kommen. Überall dort, wo Menschen sich engagieren und eigen- verantwortlich etwas dazu beitragen, dass die Stadt schöner wird, müssen wir das fördern – ich denke dabei an den Brüsseler Platz oder die Gemeinschaftsgärten in Ehrenfeld, Kalk und im Kölner Süden. Aufenthaltsqualität ist aber viel mehr. Der bestehende Masterplan für Köln muss dringend umgesetzt werden. Um überall arbeiten zu können – auch im Grünen – und um die Innovationskraft Kölns zu stärken, müssen wir kostenfreies WLAN ausbauen und für alle zugänglich machen. Mir ist aber auch wichtig, niederigschwellige Aufenthaltsorte für Wohnungslose und Drogenabhängige zu gestalten – mit einem bloßen Verdrängen der Menschen von ihren angestammten Plätzen sind die Probleme nicht gelöst.

KL: Die Diskussion um die Unterbringungsproblematik der Flüchtlinge in Deutschland hat mit der Brandstiftung in Tröglitz eine neue Dynamik bekommen. Wie beurteilen Sie als Expertin die derzeitige Entwicklung?

Ich betrachte die Vorgänge vor allem in Ostdeutschland mit wachsender Sorge. Hier haben wir es mit Rechtsextremismus und Fremdenhass zu tun, der auch als Trittbrettfahrer die offenen Fragen und die Verunsicherung der Menschen vor Ort ausnutzt. Dem müssen wir als Zivilgesellschaft entschlossen entgegentreten, denn eines ist auch klar: Die große Mehrheit der Menschen heißt die Flüchtlinge bei uns willkommen.

KL: Befürchten Sie, dass so etwas auch in Köln passieren könnte?

Ein deutliches Nein. Wir haben in Köln vorgemacht, was eine echte Willkommenskultur für Flüchtlinge bedeutet. Die zahlreichen Willkommensinitiativen und Vereine sind teils tief in der Stadtgesellschaft verankert und schaffen so ein sehr freundliches Klima frei von Hass, Missgunst und Fremdenfeindlichkeit. Die Hilfsbereitschaft der Kölnerinnen und Kölner ist groß, das stimmt mich zuversichtlich.

KL: Einen Sommerurlaub wird es für Sie dieses Jahr dann wohl nicht geben. Aber wo und wie erholen Sie sich denn gern? 

In diesem Sommer werde ich jedenfalls nicht wandern gehen. Ich freue mich schon sehr darauf, mit den Kölnerinnen und Kölnern ins Gespräch zu kommen und von ihren Ideen zu hören, wie sie Köln zu einer lebenswerten und zukunftsfähigen Stadt machen wollen. Ich brauche diesen Input, weil ich die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen will. Jeder, der Ideen hat und mitgestalten will, ist herzlich eingeladen.

KL: Wo findet Henriette Reker ihr persönliches Köln am ehesten wieder?

Die Apostelnkirche ist für mich Heimat aber auch einige Straßen im Severinsviertel – Plätze, die ich seit meiner Kindheit kenne, die sich nicht verändert haben. Meine Großeltern haben in der Alteburger Straße gelebt, da sehe ich noch heute manche Geschäfte, die schon während meiner Kindheit da waren. Auf dem Chlodwigplatz gibt es ein Strumpfgeschäft, da war früher ein Blumenladen. Wenn ich meine Großeltern besuchte, kaufte ich da immer ein Strüssje. Heimat sind aber auch die Kölsche Sprache, das Kölsche Milieu und die Kölschen Lieder, die ich seit meiner Kindheit kenne.

KL: Frau Reker, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

[Das Interview führte Stephan Wieneritsch.]


Zur Person

Henriette Reker wurde 1956 in Köln geboren. Nach ihrem Abitur an der Liebfrauenschule in Lindenthal machte sie ein Praktikum bei der AOK Köln. Von 1976 bis 1986 studierte sie Rechtswissenschaften an den Universitäten Köln, Regensburg und Göttingen. Die anschließende Referendarausbildung absolvierte sie am Landgericht Münster, 1989 legte sie dann ihre zweite juristische Staatsprüfung ab. Ihre berufliche Laufbahn begann 1990 als Sachbearbeiterin bei der Holzberufsgenossenschaft Bielefeld, 1992 wurde sie Justiziarin beim Landesverband der Innungskrankenkassen Münster. Dort erlangte sie 1996 auch ihre Zulassung als Rechtsanwältin am Landgericht. Im Jahr 2000 wurde Reker Beigeordnete der Stadt Gelsenkirchen für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, 2010 kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück und ist seitdem Beigeordnete der Stadt Köln für Soziales, Integration und Umwelt. In diesem Jahr kandidiert Henriette Reker als unabhängige Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters. Sie wird dabei von CDU, Bündnis 90/Grüne und FDP unterstützt.

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Stephan Wieneritsch

Stephan Wieneritsch

Sachkundiger Einwohner im Bauausschuss

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