Keine Strafanzeige wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis

Beschluss des Kreisparteitags vom 10. September 2023

10.09.2023 Beschlüsse der Parteigremien FDP-Kreisverband Köln

Beschluss des Kreisparteitags:

Die Kölner FDP-Ratsfraktion wird aufgefordert, nachdem Vorbild des Düsseldorfer Stadtrates darauf hinzuwirken, dass seitens der Kölner Verkehrsbetriebe keine Strafanzeigen mehr wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis gestellt werden.

Begründung:

Es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass das Fahren ohne gültigen Fahrausweis auf Bundesebene im kommenden Jahr von einem Straftatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird. Insbesondere Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann setzt sich für eine Entkriminalisierung (Streichung aus dem Strafgesetzbuch und stattdessen Einführung einer Ordnungswidrigkeit) ein. Die Unterstützung der übrigen Koalitionspartner sowie weiterer
Fraktionen gilt als gesichert.

Zum Stichtag 30.06.2022 verbüßten rund 4.400 Personen eine Ersatzfreiheitsstrafe in deutschen Justizvollzugsanstalten, weil die zuvor gegen sie verhängte Geldstrafe nicht gezahlt wurde. In jedem vierten Fall handelt es sich laut einer Recherche von FragDenStaat sowie auch nach einer Studie der Soziologin Nicole Bögelein vom Institut für Kriminologie in Köln um eine Inhaftierung wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis.

Bei § 265a StGB, der dieses Verhalten unter Strafe stellt, handelt es sich um ein sog. relatives Antragsdelikt, sodass Fahren ohne gültigen Fahrausweis in der Regel nur dann strafrechtlich verfolgt wird, wenn die Tat angezeigt wird. Der Rat der Stadt Düsseldorf hat bereits mehrheitlich und auf Initiative der Düsseldorfer FDP-Ratsfraktion beschlossen, dass das dortige Verkehrsunternehmen – die Rheinbahn AG - angewiesen werden soll, künftig auf Strafanzeigen wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis zu verzichten.

Die Inhaftierung von Menschen, die in der Zwischenzeit bis zur Umsetzung der Gesetzesreform aufgrund eines Verstoßes zu einer Geldstrafe verurteilt werden und diese nicht bezahlen können, ist unverhältnismäßig und sollte auch im Kölner Stadtgebiet beendet werden:

Klassisches Armutsdelikt

„Die bei Ersatzfreiheitsstrafen zugrundeliegenden Vergehen sind meistens klassische Armutsdelikte“, sagt Bögelein. „Drei Viertel der Betroffenen sind Langzeitarbeitslose, jeder fünfte hat keinen festen Wohnsitz, überdurchschnittlich viele haben eine Suchterkrankung – 15 Prozent sind suizidgefährdet.“ Auch nach den Erfahrungen der Berliner Justiz spielen bei Ersatzfreiheitsstrafen vor allem Obdachlosigkeit, Drogen- und Alkoholabhängigkeit, psychische Störungen, psychiatrische Erkrankungen oder desolate körperliche Gesundheitszustände eine Rolle.

Keine wirksame Hilfe für Betroffene im Strafvollzug

Die verhängten Geldstrafen gegen die Betroffenen fallen bezüglich der Tagessätze zumeist sehr gering aus. Ein Tagessatz Geldstrafe wird nach der neuen Gesetzgebung mit jeweils einem halben Tag Ersatzfreiheitsstrafe abgegolten.

Dies bedeutet, dass die Betroffenen sich oft nur für eine sehr kurze Zeit in Haft befinden. Diese Zeit ist weder ausreichend, um ihnen dort die benötigten Hilfen zukommen zu lassen, noch sind Justizvollzugsanstalten in erster Linie darauf ausgerichtet, die diesem Fehlverhalten zugrunde liegenden sozialen und gesundheitlichen Probleme nachhaltig zu lösen.

Vielmehr werden durch die Inhaftierung auch Menschen, die sich bereits in Betreuung oder Behandlung befinden, von diesen für sie wirklich hilfreichen Instrumenten abgeschnitten. Die Kriminalpolitik kann Maßnahmen der Sozialpolitik nicht ersetzen.

Belastung der Ermittlungsbehörden und der Justiz

Die Verfolgung und Ahndung des Delikts belasten die Ermittlungsbehörden und die Justiz. Die Behörden sind bereits jetzt überlastet. Die dadurch gebundenen Kapazitäten könnten wesentlich sinnvoller für die Ermittlung und Verurteilung von anderen Straftaten eingesetzt werden. Die Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen entlastet werden, um sich auf Dinge zu konzentrieren, für die sie gebraucht werden.

Unverhältnismäßig hohe Kosten für Verfahren und Inhaftierung

Die Kosten für die Verfahren und Gefängnisstrafen sind in Relation zu den erschlichenen Leistungen unverhältnismäßig hoch – bei rund 200 Millionen Euro jährlich. Verpflegung, Kleidung und Unterbringung eines Häftlings kosten das Land Nordrhein-Westfalen 191,21 Euro am Tag.

Fahren ohne Fahrschein bleibt nicht folgenlos

Die Betroffenen schulden weiterhin den Kölner Verkehrsbetrieben das sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelt“. Es bleibt den Verkehrsbetrieben unbenommen, dieses mit zivilrechtlichen Mitteln gegen Personen, die ohne gültigen Fahrausweis gefahren sind, durchzusetzen. Nach erwarteter Herabstufung des Straftatbestandes zu einer Ordnungswidrigkeit wird gegen die Betroffenen – anstatt einer Geldstrafe – eine Geldbuße verhängt. Wird diese nicht bezahlt, droht auch hier im äußersten Fall die sogenannte „Erzwingungshaft“. Eine solche wird – im Gegensatz zu einer Geldstrafe – jedoch nur vollstreckt, wenn die Betroffenen tatsächlich in der Lage sind, diese zu bezahlen. Bei nachgewiesener Armut und Zahlungsunfähigkeit ist eine Inhaftierung also ausgeschlossen.

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Catherine Schöppen

Catherine Schöppen

Sprecherin für Bürgerbeteiligung

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