"Europa eine Säge, nein Seele! geben"

„…oder so“ – Die Kolumne von Maren Friedlaender

27.05.2017 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Am Donnerstag wurde in Aachen „Der Internationale Karlspreis für die Einheit Europas 2017“ verliehen. Er ging an den britischen Historiker Timothy Garton Ash. Ich bin froh, dass ich dabei war. Es wurden so schöne Dinge über Europa gesagt. Das meine ich jetzt überhaupt nicht ironisch, denn es gibt viel Gutes über Europa zu berichten. Mehr als 70 Jahre Frieden – das ist doch was.

Trotzdem wurde bei dem Diskussionsforum am Vortag ordentlich gerungen. Die Leute suchen heute ja immer nach einem Narrativ. Ganz verstanden habe ich das nicht, aber so ein Narrativ soll Europa irgendwie sexy machen. Alternativ wurde auch nach der Seele gefragt. Als Kind verstand ich immer Säge, stellte mir so eine ordentliche Baumsäge vor und überlegte, wie die in einen Menschen hineinpasst. 

Nun höre ich immer wieder, man müsse „Europa eine Seele geben“. Jacques Delors soll diese Redewendung erfunden haben. Ich denke an meine Säge und frage mich, was der alte Sozialist denn gemeint haben könnte. Die Formulierung ist ja derartig beliebt, dass sie von Jean-Claude Juncker bis zum Bezirksvorsteher von Ibbenbüren in keiner Sonntagsrede fehlen darf. Die Säge, oder Seele, soll ja, so meine rudimentären Kenntnisse in Glaubensfragen, den Leichnam verlassen und ins Jenseits einziehen. Ist also Europa schon eine solch schöne Leich’, wie es die Österreicher vom Zentralfriedhof in Wien bis zum Leichenacker von Linz nennen? Eine Leich’ ohne Säge. Und jetzt müssen wir der Leich’ die Seele geben, auf dass sie wieder lebendig wird. So ähnlich denk ich mir das, wenn vor mir ein seelenkundiger Europäer steht, der mit den Worten ringt wie der Metzger mit den Bratwürsteln. Übrigens füllt der Begriff “Seele” im „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ rund 42 Seiten. 

Vielleicht geht’s auch einfacher. Der Schriftsteller Robert Menasse schlug in der Diskussion vor, drei Dinge umzusetzen - praktisch und kosten fast nix. Erstens: Europäischer Pass. Zweitens: ein Interrail-Ticket für alle Jugendlichen zum 18. Geburtstag. Drittens: ein europäischer Medaillenspiegel bei Olympia. Vielleicht spürt man Europa mit was Anfassbarem besser als bei den Ansprachen der Abgeordneten. So ein MdEP war in der Diskussionsrunde auch dabei – redete und redete und irgendwie zerrann ihm und den Zuhörern das schöne Europa zwischen den Fingern. Manche Funktionäre sind wirklich eher das Problem als die Lösung.

Der Preisträger Timothy Garton Ash sagte in seiner Ansprache am Donnerstag, es werde wohl nie der Augenblick kommen, wo man sagen kann: „Das ist das fertige Europa“. Es sei immer im Werden und deshalb auch ewig jung. Klingt doch schön und hoffnungsfroh. Den Satz kann sich US-Präsident Trump mal hinter die Ohren schreiben. Wegschubsen geht gar nicht, nicht mal das kleine Montenegro – gehört nämlich bald auch zu uns. Gemeinsam sind wir stark. Da ist doch das Narrativ oder so…

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Maren Friedlaender

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