Bewertung der CDU-/SPD-Koalitionsvereinbarung

13.03.2006 Initiativen FDP-Kreisverband Köln

Bewertung des AK Arbeit und Soziales zur Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD vom 11.11.2005 Kapitel Arbeitsmarkt 2.1 Senkung von Lohnzusatzkosten Die FDP begrüßt, dass mit der Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 % auf 4,5 % zum 1.1.2007 der Faktor Arbeit entlastet wird. Die Gegenfinanzierung über die Mehrwertsteuer wird jedoch abgelehnt, auch wenn es vernünftiger ist, den Faktor „Arbeit“ vorrangig vor dem Faktor „Konsum“ zu entlasten. Die Gegenfinanzierung insgesamt ist aber ein „ungedeckter Scheck“. Dies gilt insbesondere durch die Finanzierung eines Prozentpunktes durch die Bundesagentur für Arbeit durch „Effizienzgewinne“ und „Effektivitätssteigerung“. Die FDP glaubt nicht, dass diese Gegenfinanzierung bis zum 1. Januar 2007 in voller Höhe erreicht werden kann. Stattdessen muss die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung über Einsparungen bei Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen und bei der Verwaltung der Bundesagentur für Arbeit verwirklicht werden. Im Übrigen ist die Aussage, dass die Koalitionsparteien sicherstellen, dass die Lohnzusatzkosten dauerhaft unter 40 % gesenkt werden, „Augenwischerei“. Korrekt ist diese Aussage ohnehin nur für die Arbeitgeber, nicht aber für die Arbeitnehmer, da deren Abgabenlast über einen Sonderbeitrag vor allem für Krankengeld und Zahnersatz um 0,45 Prozentpunkte in der gesetzlichen Krankenversicherung zusätzlich gestiegen ist. 2.2 Vorfahrt für junge Menschen Die FDP begrüßt, dass Arbeitsvermittler flächendeckend höchstens 75 Jugendliche betreuen dürfen. Die FDP begrüßt auch das Instrumentarium des Eingliederungsvertrages. Es handelt sich um längst notwendige Instrumente zur intensiveren Betreuung Jugendlicher. 2.3 Impulse für mehr Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Die FDP bedauert, dass in diesem Kapitel außer Prüfungs- und Evaluierungsvorbehalten keine konkreten gesetzgeberischen Impulse gesetzt werden. Bei der beabsichtigten „Beseitigung von Anreizen zur Frühverrentung“ und den „Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit sowie der Eingliederung älterer Arbeitslose“ handelt es sich nach Meinung der FDP überwiegend um „Lippenbekenntnisse“. Die arbeitsplatzbezogene Qualifizierung wird – zu Recht – den Tarifvertragsparteien überlassen. Die FDP hat aber starke Bedenken dagegen, dass die Regierung „Absprachen“ mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften treffen will. Die Zeiten der „kuscheligen Konsensgesellschaft“ und der „runden Tische“ sind vorbei. Die FDP fordert mehr Mut zu einer Wirtschaftspolitik, die sich auch gegen die einseitigen Vorstellungen der Gewerkschaften durchsetzt. Positiv bewertet die FDP die Absicht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Verwendung und beim Schutz von Langzeitarbeitskonten zu verbessern. Die Verlängerung der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer nach § 421 j SGB III und die Tragung der Beiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung älterer Arbeitnehmer hält die FDP nicht für zielführend. Für die FDP handelt es sich bei diesen Maßnahmen um ABM-Maßnahmen und Subventionen unter „anderem Etikett“, die überwiegend zur Bereinigung der Arbeitslosenstatistik dienen und Arbeitslosigkeit „verstecken“ sollen. 2.4 Mehrbeschäftigung für gering qualifizierte Menschen – Einführung eines Kombi-Lohn-Modells prüfen Der AK Arbeit und Soziales wird sich mit Kombi-Lohn-Modellen und deren Einbettung in das FDP-System des Bürgergeldes ausgiebig im nächsten Jahr beschäftigen. Das Auslaufen der Ich-AG wird ausdrücklich begrüßt. 2.5 Aktive Arbeitsmarktpolitik Die FDP begrüßt, dass CDU, CSU und SPD alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf den Prüfstand stellen wollen. Die FDP ist für die vollständige Abschaffung der Personal-Service-Agenturen. Die von den Koalitionsparteien beabsichtigte kostenneutrale Einführung eines aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung finanzierten Saisonkurzarbeitergeldes ist nicht zielführend. Letztlich wird die finanzielle Unterstützung nur von der „linken Tasche“ in die „rechte Tasche“ verschoben unter gleichzeitigem Wegfall der de facto arbeitslosen Arbeitnehmer im Baugewerbe aus der Arbeitslosenstatistik. Letztlich wird dadurch nur staatlich finanzierte Arbeitslosigkeit weiter „verdeckt“. 2.6 Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) Die FDP wendet sich vehement gegen die Anhebung der Regelleistung in den neuen Ländern. Stattdessen ist das Arbeitslosengeld II zu kürzen. Die FDP begrüßt, dass Unverheiratete, Volljährige und unter 25-jährige Kinder grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden. Die FDP wird die beabsichtigten „neuen Akzente“ bei der Ausgestaltung des Schonvermögens zugunsten der Alterssicherung kritisch begleiten. Es muss oberster Grundsatz bei der Umsetzung von Hartz IV bleiben, dass der Staat erst dann finanziell zur Hilfeleistung verpflichtet wird, wenn die individuelle Leistungsfähigkeit ausgeschöpft ist. Einer Absenkung der bisherigen Freibeträge steht die FDP aufgeschlossen gegenüber. Bei der Frage, inwieweit Schonbeträge zur Alterssicherung angehoben werden, bedarf es einer Prüfung der Effekte im Detail. Die FDP begrüßt, dass Unter-25-Jährige, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen, künftig nur noch Leistungen erhalten sollen, wenn sie vorher die Zustimmung des Leistungsträgers einholen. Der Praxis, das Bedarfsgemeinschaften nur zum Zweck gegründet werden, um höhere Arbeitslosengeld-II-Ansprüche geltend zu machen, muss ein Riegel vorgeschoben werden. Ebenso begrüßt die FDP die Überprüfung der Beweislastumkehr bei der Definition eheähnlicher Partnerschaften. Die FDP unterstützt ebenfalls die vorgesehenen Maßnahmen, um dem Leistungsmissbrauch energisch und konsequent entgegenzutreten. Die FDP ist aber skeptisch, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen und Verbesserungen ausreichen, um die genannte Summe von 3,8 Milliarden Euro bei Hartz IV einzusparen. Mindestens die Reduzierung des Betrages für die gesetzliche Rentenversicherung von 78 Euro auf 40 Euro monatlich, die 2 Milliarden Euro bringen soll, stellt keine echte Haushaltsentlastung dar. Das Geld wird letztlich den Rentenkassen fehlen und zur Erhöhung des Bundeszuschusses in entsprechender Höhe führen müssen. 2.7 Reform im Arbeitsrecht 2.7.1. Kündigungsschutz weiter entwickeln Die FDP sieht in der Einführung einer gesetzlichen Wartezeit von bis zu 24 Monaten und - im Gegenzug - der Streichung der Möglichkeit, Arbeitsverträge in den ersten 24 Monaten sachgrundlos zu befristen, keinen Fortschritt bei der Flexibilisierung des Kündigungsschutzes per saldo. Dies wird schon dadurch bedingt, dass die Verlängerung der Wartezeit von 6 auf 24 Monaten als Option für Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag ausgestaltet werden soll. Da die Formulierung der Option dem „AGB-Recht“ unterworfen sein wird, wird diese Tatsache bei der Formulierung in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen, gerade bei eher rechtsunkundigen mittelständischen Unternehmen. Dies wird zur Folge haben, dass die Option in vielen Fällen möglicherweise nicht wirksam vereinbart werden wird. Stattdessen sollte die Wartezeit generell auf 24 Monate verlängert werden und es sollte die Möglichkeit für sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen auf einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren ausgedehnt werden. Das Kündigungsschutzgesetz soll erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 50 Mitarbeitern gelten und erst 4 Jahre nach Beginn des Arbeitsverhältnisses einsetzen. Den Arbeitnehmern muss mehr Spielraum eingeräumt werden, welche Form des Kündigungsschutzes sie wollen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollen für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung statt des Kündigungsschutzes eine Abfindungszahlung oder die Finanzierung einer Weiterbildungsmaßnahme vereinbaren können. 2.7.2 Entsendegesetz erweitern Die FDP lehnt die Erweiterung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auch die für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge der Gebäudereiniger sowie auf weitere Branchen ab. Das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen bedarf insgesamt einer Überprüfung. Eine dauerhafte Existenzberechtigung dieses Instrumentes sieht die FDP nicht. 2.7.3 Umsetzung der EU-Arbeitsrichtlinie Die FDP setzt sich für eine weitere Flexibilisierung der Ladenschlusszeiten ein. Die beabsichtigte gesetzliche Festlegung, dass Einzelhandelsgeschäfte höchstens an vier Sonntagen im Jahr geöffnet haben dürfen, ist in keiner Weise ausreichend. 2.7.4 Unternehmensmitbestimmung sichern und gestalten Die FDP begrüßt, dass das europäische Gesellschaftsrecht durch eine zügige Verabschiedung der Richtlinie über die grenzüberschreitenden Sitzverlegungen von Kapitalgesellschaften weiterentwickelt werden soll. Die Sicherung der deutschen Mitbestimmung auf europäische Gesellschaften auf der Grundlage der bisher für die europäische Aktiengesellschaft gefundenen Lösung wird von der FDP abgelehnt. 2.9 Saisonarbeit Die FDP setzt sich dafür ein, dass bei den Vermittlungsbemühungen durch die Agenturen für Arbeit bei kurzfristigen Saisonbeschäftigungen auch verstärkt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit österreichischen, italienischen und Schweizer Behörden gesucht wird. Köln, 13. März 2006

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