Houben: Chancen genutzt

26.03.2011 Reden FDP-Kreisverband Köln

Rede des scheidenden Kreisvorsitzenden Reinhard Houben zum Kreisparteitag

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde,

das letzte Jahr hat den Kreisverband Köln und seinen Vorstand wieder vor interessante Situationen und schwierige Aufgaben gestellt. Wir haben nach dem Hoch der Bundestagswahl in einer schlechter werdenden Stimmungslage einem Landtagswahlkampf durchgeführt, der uns an den Rand unserer mentalen und auch finanziellen Kräfte gebracht hat.

Mein Dank gilt den Kandidatinnen und Kandidaten, den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern und Allen, die uns durch Spenden und in anderer Art unterstützt haben. Das Wahlergebnis war ein Erfolg, wir haben unser Ergebnis verbessert, aber es war eine Niederlage, da die erfolgreiche Koalition in Düsseldorf nicht fortgesetzt werden konnte und wir es als Kreisverband wieder nicht erreichen konnten eine Abgeordnete in den Landtag zu entsenden.

Die FDP in Köln, aber nicht nur dort, benötigte eine Erholungsphase. Diese war ihr aber nicht vergönnt. Die unklare Position bei den Sondierungsgesprächen in Düsseldorf, das Ende der politischen Arbeit von Andreas Pinkwart und der zunehmende Druck auf die Bundesregierung, besonders auf Guido Westerwelle, hat uns in der zweiten Jahreshälfte in Atem gehalten.

Der Absturz in den Umfragen scheint seit Dreikönig beendet, wir sind aber noch nicht „Schmitz-Backes“, sollten aber wieder optimistisch in die Zukunft schauen.

Der Kreisverband hat in dieser Zeit, gemeinsam mit der Fraktion, ruhig und verlässlich weiter in Köln politisch gearbeitet. Wir haben ebenfalls bei der Neuordnung auf der Landesebene, gemeinsam mit Werner Hoyer, mit dazu beigetragen, hier einen guten Neuanfang zu gestalten.

Der Kreisverband steht nach dem Wahlmarathon finanziell ordentlich da, die Mitgliederzahl ist zwar besunken, doch wir haben zahlende und aktive Mitglieder und behalten den Status des größten Kreisverbandes in Deutschland.

Für die Arbeit des letzten Jahres, aber auch die Jahre davor danke ich allen Mitgliedern des Kreisvorstandes, der Kreisgeschäftsstelle, den Jungen Liberalen und der Ratsfraktion.

Nach nun über elf Jahren als Kreisvorsitzender möchte ich mich heute nicht wieder für dieses Amt bewerben. Ich habe festgestellt, dass ich länger als alle meine Vorgänger im Amt gewesen bin und ich bin persönlich der Meinung ich sollte dieses Amt abgeben, wenn manche von Ihnen sagen: „Schade, dass er aufhört!“ und nicht erst dann, wenn viele von Ihnen sagen: “Wann hört er denn endlich auf!“

Der Zeitpunkt ist deshalb auch bewusst gewählt gewesen, da wir normalerweise erst im Jahr 2013 wieder Wahlen zu bestreiten haben. Ein neuer Vorsitzender und sein Team können sich finden und einarbeiten. Ich hoffe, dass dies dem neuen Vorstand möglich ist und wir nicht noch in diesem Jahr einen Wahlkampf führen müssen.

Wichtig ist für mich auch die tiefe Überzeugung, dass wir unser Ziel, einen weiteren Abgeordneten in Köln zu haben, nur erreichen, wenn der Vorsitzende dieses Kreisverbandes den persönlichen Willen und Ehrgeiz hat, in ein Parlament einzuziehen. Sie wissen, dass dies in meiner Amtszeit nie mein Ziel war. Meine persönlichen, beruflichen und familiären Schwerpunkte lagen immer anders.

Nun sehen sie mich hier und heute aber nicht frustriert, niedergeschlagen oder gar gebrochen. Ich schaue auf eine spannende, aufregende und schöne Zeit zurück, in der ich die Freude und Ehre hatte wichtige politische Entwicklungen zu begleiten und zu gestalten.

Als sie mich im Jahr 2000 zum Kreisvorsitzenden wählten, war unsere Situation in der FDP sehr schwierig. Im Bund in der Opposition, im Landtag nicht vertreten und in den Rat eingezogen mit einem Ergebnis unter der 5% Marke. Gleichzeitig verbunden mit der historischen Chance in Köln gemeinsam mit der CDU und Harry Blum in Köln zu regieren.

Der Fokus lag auf Köln und ich bin der festen Überzeugung, dass wir damals unsere Chance genutzt haben. Viele zukunftsweisende Entscheidungen wie der Rheinauhafen, die Nord–Süd-U-Bahn, der Einstieg in das Thema „mehr Privat vor Staat“ in Köln, die Verschlankung der Stadtspitze und das neue Stadion in Müngersdorf sind mit der FDP vorangetrieben worden.

Doch auch die Landtagswahl 2000 mit Jürgen Möllemann war eine Zäsur, da sie Folgen in der FDP hatte, die uns noch heute beschäftigen.

Bei der Auseinandersetzung mit Jürgen Möllemann und seine Art, die FDP „neu“ auszurichten, hat der Kreisverband Köln immer klar Position bezogen. Wir wollten keine FDP irgendwo zwischen Haider und Gauweiler. Andreas Pinkwart, Werner Hümmrich und ich haben Jürgen Möllemann seiner Zeit gebeten, nicht mehr zur Abschlussveranstaltung des Bundestagswahlkampfs nach Bonn zu kommen, als das unsägliche Flugblatt verteilt worden war. 

So war es der Kreisverband Köln, der damals Andreas Pinkwart die Geschäftsstelle zur Verfügung stellte, um den Landesverband anders darzustellen, als es die Landesgeschäftsstelle mit Herrn Kuhl und dem Landesvorsitzenden tat.

Das für mich prägende Ereignis war der Landesparteitag in der Philips-Halle in Düsseldorf, bei der Werner Hoyer und der gesamte Bezirksverband mit großem Anteil des Kreisverbandes Köln, doch noch die Wahl von Andreas Pinkwart ermöglicht und dann auch durchgesetzt hat.

Gemeinsam mit ihnen war ich verantwortlich für insgesamt zehn Wahlkämpfe. Zwei Europa-, drei Bundestags-, drei Landtags- und zwei Kommunalwahlen konnten wir erfolgreich gestalten und nur bei der Landtagswahl 2005 ein schlechteres Ergebnis als bei der Wahl davor erzielen. Diese gemeinsame Kraftanstrengung hat sich gelohnt und mir viel Freude bereitet. Diese Erfolge wurden in einem großen Team erreicht. Ich bin stolz darauf, dass wir in Köln immer in großer Geschlossenheit diese Aufgaben gelöst haben. Hier gilt der Dank an all die vielen Kandidaten und Wahlkämpfer.

Inhaltlich hat der Kreisverband Maßstäbe gesetzt. Zwar war aus meiner Sicht die Sitzung des Kreisvorstandes stets das Gremium, Politik zu organisieren und nicht über Anträge zu debattieren, doch über unsere Arbeitskreise und die Initiative Einzelner haben wir auf Bezirks- und Landesparteitagen Themen gesetzt und durchgesetzt, und es sind auf diesem Weg auch Initiativen in die Programmatik der Bundespartei eingeflossen.

Unser Auftritt in der Öffentlichkeit hat sich in den letzten elf Jahren erheblich verbessert. Die neuen Medien gaben uns die Möglichkeit, wir haben die Chancen genutzt. Unser Internetauftritt ist aktueller, professioneller und politischer als die Auftritte unser Kölner Wettbewerber, aber auch besser als der Auftritt manches FDP Landesverbandes. Unser KölnLiberal ist eine richtig gutes Journal und alle unsere Druckerzeugnis zeigen ein geschlossenes Bild und hohe Qualität.

Unsere Geschäftsstelle ist professionell besetzt und ich bin froh und glücklich, dass wir nach so vielen Jahren, in denen Frau Switalla die Kölner FDP so erfolgreich gemanagt hat, Frau Will diese Aufgabe übernommen hat. Beide haben ihren eigenen Stil, sind und waren für mich immer eine „Bank“ auf die ich mich als Vorsitzender immer verlassen konnte.

Mein besonderer Dank gilt natürlich meinen Vorstandsmitgliedern, ohne deren Hilfe wir nie so erfolgreich hätten arbeiten können. Es sind über die Jahre 35 Persönlichkeiten geworden mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Ihnen allen gilt mein Dank, da wir trotz einiger inhaltlicher und strategischer Differenzen immer geschlossen nach außen aufgetreten sind.

Besonderer Dank gilt immer den Schatzmeistern, mit denen der Vorsitzende zusammenarbeitet. Niklas Pieper und Markus Pillok haben immer dafür gesorgt, dass die Kölner FDP finanziell den Ansprüchen genügt, die wir politisch fordern. Keine Schulden, nicht über die Verhältnisse leben, für die Not (Wahlkampf) sparen und eine hohe Beitragsehrlichkeit durchsetzen. Dies ist in meiner Amtszeit immer so gewesen und ich hatte nie Grund, unruhig zu schlafen. Dafür mein herzlicher Dank.

Gerade die Stellvertreter und Schriftführer tragen eine Hohe Arbeitsbelastung. Ohne sie wäre die Arbeit nie gelungen.

Viele Beisitzer haben großes geleistet während ihrer Amtszeit, aber ich möchte heute nur einen besonders erwähnen und damit allen anderen auch danken. Matthias Schulenberg hat mich als einziges Kreisvorstandsmitglied all die Jahre begleitet und gerade für die inhaltliche Arbeit im Kreisverband sehr viel geleistet. Dir, lieber Matthias, danke ich ganz besonders.

Nun stellt sich die Frage, was sich in den elf Jahren denn für die FDP in Köln geändert hat. Wie ist ihr Stellenwert in der Kölner Gesellschaft und Politik? Mein Start als Kreisvorsitzender war immer ganz eng verbunden mit der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Ralph Sterck. Der Einzug in den Rat 1999, die Koalitionsgespräche mit der CDU und die harte Arbeit der vier Köpfe kleinen Fraktion mit sehr viel Einfluss und am Anfang kaum Erfahrung war ein Experiment.

Kreisvorsitz und Fraktionsvorsitz konnten nicht in einer Hand bleiben. Jeder wäre daran zerbrochen. So kam es zu einer Arbeitsteilung, die aus meiner Sicht und Kenntnis der Kölner Verhältnisse nur funktionieren konnte, wenn das Primat der Fraktion und damit des Fraktionsvorsitzenden nicht in Frage gestellt werden würde. Ich kann und konnte immer dies akzeptieren, da ich die Leistung und den Einsatz, den Ralph Sterck stets eingebracht hat, anerkannt und geschätzt habe.

So haben wir uns über die elf Jahre fast täglich abgesprochen, wechselseitig Argumente angehört und abgewogen. Nie wurden Schnellschüsse abgegeben oder gar die Fraktion gegen die Kreispartei, beziehungsweise die Kreispartei gegen die Fraktion in Stellung gebracht. Dies hat von uns beiden manchmal Kompromisse verlangt, aber auch wenn wir beide wussten, wo das Primat liegt, hat es intern nie eine Rolle gespielt. Dafür bin ich dir, lieber Ralph, sehr dankbar.

So steht die Kölner FDP ganz anders da, als noch vor elf Jahren. Die Partei ist geschlossen. Personalfragen werden intern gelöst, die Kraft wird in Themen und in Wahlkämpfe gesteckt. Es gibt keine unklaren Finanz- oder Spendendiskussionen über die FDP und das Klima wird als sehr freundschaftlich und kameradschaftlich wahrgenommen.

Die Kölner FDP hat Einfluss auf die Bundes- und Landesebene und lässt sich in schwierigen Zeiten nicht für Kampagnen gegen die Bundes- oder Landesspitze instrumentalisieren

In der Kommunalpolitik ist die FDP der verlässliche Partner und aufrichtige Makler. Aus einer kleinen Truppe von Aufrichtigen, denen man schon zurief „Der Letzte macht das Licht aus“, ist eine Fraktion geworden, die zu jedem Fachbereich kompetente Ratsmitglieder und sachkundige Bürger in die Ausschüsse entsendet, mit einer Fraktion die inhaltlich und rhetorisch den politischen Wettbewerb stellen und oft übertrumpfen kann.

Die FDP ist überall vertreten und nimmt am gesamten gesellschaftlichen Kölner Leben teil. Wir werden nicht immer mit Freude oder als Freunde empfangen, aber wir sind als Teil der Kölner Gesellschaft anerkannt.

Diese Position haben die Partei und die Fraktion sich hart erarbeitet. Wir beide, Ralph Sterck und ich, können ein wenig stolz darauf sein.

Ich möchte nicht zu lange sprechen, da ich ja weiterhin in und für die FDP tätig sein möchte. Als Ratsmitglied und Mitglied des Bezirks- und Landesvorstandes möchte ich gerne weiter arbeiten und die Zukunft Kölns und der FDP mit gestalten. Erlauben sie mir bitte heute nur eine allgemein politische Bemerkung, die mir sehr wichtig ist.

Ich habe die große Sorge, dass wir uns auf dem Weg zur „Hysterischen Gesellschaft“ befinden. Immer emotionaler werden in immer kürzeren Abständen Themen aufgegriffen und kommentiert. Es werden immer schneller Entscheidungen eingefordert und oft gefällt. Häufig wird zwar schnell entschieden, das Thema ist dann aber schon wieder in der Versenkung verschwunden. Diskurs und Recherche sind nicht möglich und oft nicht gewünscht. So ist Politik weder nachhaltig noch zukunftsfähig. Beispiele gibt es auf allen politischen Ebenen. Lassen uns als FDP dieses Spiel nicht mitspielen, da langfristig diese Politik nicht trägt.

Unser Parteifreund Claus Juhnke hat einmal den wichtigen Satz geprägt, der besonders für die ehrenamtliche Politik gilt: “Wenn du eine Aufgabe abgeben möchtest, dann musst du deinen Nachfolger finden!“

Ich freue mich, ihnen bei der Wahl des neuen Kreisvorsitzenden einen Vorschlag machen zu können, der diesen wundervollen, aber manchmal chaotischen Kreisverband in Zukunft noch erfolgreicher führen kann.

Ich werde ihnen Hans Hermann Stein zur Wahl vorschlagen.

Ich wünsche ihm und ihnen für die Zukunft Gesundheit, Erfolg und das Maß an Geduld, das man in der Politik benötigt, um erfolgreich zu sein.

Feedback geben

Reinhard  Houben, MdB

Reinhard Houben, MdB

Mitglied des Bundestags

mehr erfahren

Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fon 030 227 73375
Fax 030 227 70377
reinhard.houben@bundestag.de