Sterck: Köln braucht Neustart

23.06.2015 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Rede des Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, Ralph Sterck, am 23. Juni 2015 anlässlich der Verabschiedung des städtischen Haushaltes 2015

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Damen und Herren,

die heutige Haushaltsplanberatung ist ein beachtliches Ereignis. Es ist der erste Haushalt nach der KölnWahl, der erste seit mehr als zwei Jahren – nach dem finanzpolitischen Chaos der letzten Wochen kann ich verstehen, dass Rot-Grün einen Doppelhaushalt 2013/14 aufgestellt hat, um den Kölnerinnen und Kölnern dieses Schauspiel vor der Wahl zu ersparen – und es ist der letzte Haushalt für unseren Oberbürgermeister.

Und genau darüber rede ich heute im Namen der FDP-Fraktion: die politische Situation nach der KölnWahl, unsere Bewertung des Haushaltsplanes und die Bilanz des Oberbürgermeisters.

Koalition derer, die Wählerwillen unterdrücken wollten

Meine Damen und Herren,

eigentlich liegt die KölnWahl erst einen guten Monat zurück. Denn am 19. Mai dieses Jahres wurden mit der Neuauszählung des Rodenkirchener Briefwahlbezirkes 20874 eines unserer Wahlziele doch noch erreicht: Rot-Grün hat ihre Mehrheit im Rat verloren.

Doch der Weg dahin war kein Ruhmesblatt für die Demokratie, denn die rot-rot-grüne Mehrheit des Wahlprüfungsausschusses und des Rates, die als frisch neu- oder wiedergewählte Mitglieder verantwortungsbewusst mit den Zweifeln am Ergebnis hätten umgehen müssen, hat jämmerlich versagt. Erst das Verwaltungsgericht hat dem Wählerwillen zum Durchbruch verholfen.

Und das bundesweite Echo im Blätterwald beweist: Mit dieser Aktion haben die Verantwortlichen großen Schaden über die Stadt gebracht, den sie doch nach ihrem Eid eigentlich von ihr fern halten sollten.

Von einem Ende der rot-grünen Mehrheit haben wir uns mehr Offenheit für Vorschläge politisch Andersdenkender versprochen: Zwar gibt es Lichtblicke, bei denen sinnvolle Vorschläge z.B. der FDP eine Mehrheit gefunden haben: Dass Ratssitzungen jetzt im Web übertragen werden, ist so eine. Oder der Bau einer neuen Rheinbrücke im Kölner Süden sowie die Initiative, unerlaubt Eingereiste auf die Zuweisungsquote anzurechnen, gehören
dazu.

Und sicher prominentestes Beispiel ist der Wiederaufbau der Flora mit ihrem historischen Tonnendach. Ein echter Hingucker, der sich nach der Jahresbilanz von KölnKongress auch zum wirtschaftlichen Erfolg mausert. Sicher haben solche Erfolgsgeschichten viele Mütter und Väter und ich bin in dieser Frage jeder bzw. jedem einzelnen dankbar. Aber erst muss man einem Antrag eine Chance geben, auch wenn er von der falschen Fraktion kommt.

Leider gibt es wenige Geschichten mit solch einem Happyend. Es gibt die starken Ideen, die sich am Ende doch durchsetzen, auch wenn die erste Initiative abgelehnt wurde. So wurde das Haus des Jugendrechts – heute ein Erfolgsmodell – erst 4 Jahre nach dem ersten FDP-Antrag beschlossen, bei der Prioritätenliste der Projekte des städtebaulichen Masterplanes Innenstadt hat es 5 Jahre gedauert und beim Deutzer Hafen sogar 8.

Tiefpunkt diese Entwicklung war die Entscheidung über die von den Liberalen ins Gespräch gebrachte südliche Teilinbetriebnahme der Nord-Süd-Stadtbahn. Allein die mehr als einjährige Diskussion über unseren Vorschlag hat den Eröffnungstermin von Ende 2014 auf Ende 2015 verschoben.

Die Entscheidung kam nur zu Stande, weil sich die Grünen von ihrem Koalitionspartner abgewandt hatten und die CDU die Größe besaß zuzugeben, dass man sich geirrt hatte. Um Haaresbreite wäre die Initiative gescheitert und wir müssten nach bisherigem Stand vielleicht noch 10 Jahre auf die Eröffnung warten. Auf eine Entschuldigung der SPD für ihre damalige Fehleinschätzung warten die Kölnerinnen und Kölner bis heute vergebens.

Ich könnte diese Liste über das Rote Haus, den Godorfer Hafen, die Beförderung verdienter Parteifreunde kurz vor der Pensionierung u.s.w. fortsetzen. Es bedarf eines neuen Klimas der geistigen Offenheit im Wettbewerb um die besten Ideen in diesem Rat. Leider habe ich nicht die Hoffnung, dass die aktuellen Stützungsmaßnahmen der Piraten zu Gunsten der angeschlagenen Ratsmehrheit das bringt.

Ganz im Gegenteil. Immerhin haben sich die Piraten in den drei Entscheidungen des letzten Jahres zur Neuauszählung des Rodenkirchener Wahlkreises bereits der SPD angedient und mit ihr gestimmt. Wie das mit ihrem Grundsatz der Bürgernähe und Transparenz zu vereinbaren ist, können Sie ja mal Ihren Wählern erklären. 

Für viele ist das rot-grüne Bündnis mit den Piraten - „eine Partei in Auflösung“ wie die Grünen sie letzte Woche in der Rundschau nennen - eine Paprikakoalition. Für mich ist das die Koalition derer, die den Wählerwillen unterdrücken wollten.

Haushalt der Rekorde

Meine Damen und Herren,

der vorliegende Haushaltsplanentwurf ist eine Haushalt der Rekorde: nie wurde ein regulärer Haushalt so spät verabschiedet, nie waren die Luftbuchungen so groß und nie wurde ein OB-Wahlkampf so unverfroren unterstützt.

Doch im einzelnen: Die Stadt Düsseldorf hat z.B. ihren Haushalt bereits am 4. Dezember letzten Jahres verabschiedet. Da dauerte es bei uns noch 12 Tage bis unserer erst eingebracht wurde.

Natürlich würde die Kämmerin den 2015er Haushalt am liebsten erst in 2016 verabschieden. Dann liegen ja hoffentlich alle Zahlen vor und die Verwaltung hat gar keine Zeit mehr, das bereitgestellte Geld im Haushaltsjahr auszugeben.

Eine Unsitte ist die späte Verabschiedung aus Sicht der Freien Demokraten. Die Freien Träger brauchen früh Planungssicherheit, um auf Veränderungen reagieren zu können. Und die Verwaltung braucht insbesondere wegen der aufwändigen Ausschreibungen z.B. bei der Straßenunterhaltung Zeit, das Geld auch zu verausgaben.

Ich fordere Sie, Frau Kämmerin, auf, endlich rechtzeitig die Haushaltsplanentwürfe und Veränderungsnachweise vorzulegen, damit in jedem Jahr vor Weihnachten der Sack zu gemacht werden kann.

„Die Unvollendete“ hat unser Finanzpolitischer Sprecher Ulrich Breite den Haushalt genannt. Wird nun in die Rücklagen der Stadtwerke gegriffen? Oder kommt es zur einer Voraus-Ausschüttung des Gewinns 2016? Sind nun die sogenannten Pauschalverbesserungen von der Haushaltseinbringung auf der Ertragsseite tatsächlich mit realen Mehrerträge bzw. Minderaufwendungen hinterlegt?

Diese Pauschalverbesserungen sind reine Luftbuchungen. Und wer einen möglichen Gewinn der Stadtwerke für das kommende Jahr einbuchen will, muss sich fragen lassen, wie er das dadurch entstehende Loch im Jahr drauf stopfen will. Sie verfrühstücken damit den Spielraum für kommende Haushalte.

Die Einbringung des Haushaltes und die danach erfolgten Veränderungsnachweise waren von Chaos der Darstellungen und der Inhalte geprägt. Unterschiedliche Zahlen und Interpretationen waren im Umlauf. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung „Klarheit und Übersichtlichkeit“ wurden eklatant verletzt.

Aber auch vom Grundsatz der Vollständigkeit konnte bis zur Sitzung des Finanzausschusses nicht gesprochen werden, da die Kämmerin verschiedene Einnahmen wie z.B. die Reduzierung der LVR-Umlage nicht in ihr Zahlenwerk als Haushaltsverbesserung einbuchte, sondern Rot-Grün zum Ausgeben einfach aufhob.

Noch besser ist das Beispiel der Kulturförderabgabe. Die wurde in einer Höhe von 5,7 Mio. € im Entwurf nur mit einer Pauschalausgabe gegengerechnet, die Rot-Grün nun im Finanzausschuss mit eigenen Wünschen ausfüllen konnte. 

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Ich dachte immer, im Rahmen der Haushaltsplanberatungen müsse man seine Mehrausgaben mit Einsparungen decken. Nein, in Köln bekommt die Mehrheit von der grünen Kämmerin „Spielgeld“ zur Verfügung gestellt, um ihren Wunschzettel zu finanzieren. Das ist ja wie in einer Bananenrepublik.

Die Kämmerin will bis 2024 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, indem die Erträge schneller steigen als die Aufwendungen. Schon diese Strategie ist verwegen. Aber bisher sind die Aufwendungen schneller gestiegen als die Erträge. Oder anders ausgedrückt: Köln hat hohe Einnahmenzuwächse, doch die noch höheren Ausgabenzuwächse fressen diese Erfolge wieder auf. Damit ist kein Haushaltsausgleich zu schaffen.

Und im Bestreben, höhere Einnahmen zu generieren, werden die Bürgerschaft und die Unternehmen in dieser Stadt immer mehr belastet. So haben wir gerade gelesen, dass Köln in Sachen Sexsteuer Spitzenreiter ist. Bettensteuer, Schneesteuer, Gewerbesteuer sind andere Beispiele Ihrer immer stärker angezogenen Daumenschrauben für den Standort. Vom kooperativen Baulandmodell ganz zu schweigen.

Dem gegenüber hat man, wenn jetzt der laut Rechnungsprüfungsamt absolut unseriös gerechnete Bau neuer Luxus-Gewächshäuser in der Flora aus der Schublade gezogen wird, in den sicher sozial nicht gerade benachteiligten Stadtteilen Lövenich und Widdersdorf ein Sozialraumkoordinator eingesetzt wird und in Chorweiler fast 150 Mio. € für GAG-Wohnungen ausgegeben werden, den Eindruck, dass für jeden Stadtbezirk ein Zückerchen des SPD-OB-Kandidaten finanziert werden muss. Dass Grüne und CDU dafür ihre Hand heben, kann einen nur verwundern.

Die rot-grüne Ratsmehrheit ersticken Wachstumsimpulse in der Stadtentwicklung, behindern die Mobilität der Kölnerinnen und Kölner, schränken durch unzureichende Sicherheit und Bevormundungen die Freiheit ein und bekommen die Finanzen nicht in den Griff, weil der Wille zum Sparen fehlt.

Vor diesem Hintergrund ist doch wohl klar, dass die Freien Demokraten für die Grundlage dieser Politik im laufenden Jahr, für diesen Haushaltsplan keinen Blankoscheck ausstellen und die Hände unmöglich heben werden.

Dank an OB

Meine Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

dies ist eine Ihrer letzten Ratssitzungen und die letzte Haushaltsplanverabschiedung Ihrer Amtszeit. Anlass genug, Bilanz zu ziehen.

Und ich kann Sie beruhigen: Ein so schlechtes Zeugnis wie von Ihrem grünen Koalitionspartner, der Sie noch letzte Woche öffentlich als „große tägliche Belastung“ bezeichnet hat, bekommen Sie von den Freien Demokraten nicht ausgestellt.

Trotzdem muss ich feststellen, dass Sie leider bis zuletzt nicht versucht haben, breite politische Mehrheiten für wichtige Fragen zu organisieren. Der gescheiterte Neubau des Schauspielhauses ganz zu Anfang Ihrer Wahlperiode hätte Ihnen schon eine Warnung sein müssen. Doch Ihre größte politische Niederlage ist der gescheiterte DFB-Campus in Müngersdorf. Er ist Opfer mangelnden politischen Managements geworden.

Und auch Ihr größtes Projekt, der Neubau der historischen Mitte am Roncalliplatz, droht einem Kassensturz nach der OB-Wahl zum Opfer zu fallen. Nicht nur, dass Sie nicht informell für eine breite Zustimmung in diesem Rat gesorgt haben, es ging sogar so weit, dass das ganze bisherige Wettbewerbsverfahren, das sicher einen kräftigen 6-stelligen Betrag verschlungen hat, ohne jeden Beschluss eines Ratsgremiums gelaufen ist.

Aber ich finde, dass Sie sich richtig gesteigert haben, nachdem Sie sich geweigert hatten, vorzeitig aus dem Amt zu scheiden, und sich dementsprechend von Ihrer Partei etwas freigeschwommen haben. So zeigten Sie endlich den nötigten Gestaltungswillen und brachten z.B. die Umnutzung des Deutzer Hafens – eine Forderung, die wir seit 2007 erheben – auf Schiene.

Ich danke Ihnen für die Zusammenarbeit der vergangenen Jahre und den menschlich immer sehr angenehmen Umgang. Ich hoffe, dass Sie Köln erhalten bleiben und freue mich auf viele Begegnungen mit Ihnen als Alt-OB.

Erste Oberbürgermeisterin für Köln

Meine Damen und Herren,

ja, starke Persönlichkeiten, die unabhängig von den Fraktionsführungen im Rat im Sinne der Stadt agieren können, waren das Ziel, als die Liberalen in der 2005er bis 2010er Landesregierung für die Trennung der OB- von der Ratswahl gesorgt haben.

Die Wahl am 13. September ist die erste und gleichzeitig letzte Wahl dieser getrennten Art, denn die Nachfolgeregierung hatte nichts schnelleres zu tun, als die Regelung für 2020 wieder rückgängig zu machen.

Eine parteilose Kandidatin, die von CDU, Grünen, FDP, Freien Wählern und Deinen Freunden unterstützt wird, wäre bei einer parallel stattfindenden Ratswahl vollkommen undenkbar. Das sollte die Grünen im Nachhinein noch nachdenklich stimmen, ob die entsprechende Änderung im Landtag wirklich richtig gewesen ist.

In diesem Sinne ist die Wahl in 82 Tagen die einzige Chance für Köln, sich von rotem Filz und Parteibuchwirtschaft zu befreien. Die Chance, neues Vertrauen in das Handeln der Verwaltung und die Stadt herzustellen. Die Chance für einen Neustart, damit Köln die Potentiale nutzt, die es hat. Daher hoffen die Freien Demokraten auf die erste Oberbürgermeisterin für Köln, auf Henriette Reker.

Vielen Dank

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Ralph Sterck, MdR

Ralph Sterck, MdR

Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion

Stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion

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