Mehr als nur ein Imagewechsel?

Marc Bauer über das Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl

13.09.2017 Meldung Julimagazin

Die höchste Form der Anerkennung ist bekanntlich die Parodie. Daran gemessen, ist die FDP gerade so erfolgreich wie lange nicht mehr. Extra 3 parodierte die FDP kürzlich als altes, schrottreifes Auto, dem notdürftig ein neuer Anstrich verliehen wurde. Jetzt wird auch wieder gerne das Feindbild der Steuersenkungs-, Mövenpick-und Klientelpartei genutzt. Was ist dran am Vorwurf, die FDP habe sich nur optisch verändert? Ist die FDP wirklich das gleiche in Magenta? Die Antwort lässt sich am besten anhand des Wahlprogramms zur Bundestagswahl beantworten. Es ist die Grundlage für die Parlamentsarbeit in den nächsten vier Jahren und spiegelt die Schwerpunktsetzung der Partei wieder.

Liberalismus ist mehr als Steuersenkungen: Neue Schwerpunkte

Die Fokussierung auf das Thema Steuersenkungen wurde als eine der Ursachen für die Krise der FDP identifiziert. In den Kapitelüberschriften taucht es gar nicht auf. Das Bundestagswahlprogramm widmet sich im ersten Kapitel der Bildungspolitik. Zwei weitere Schwerpunkte sind Digitalisierung und Start-Ups. Diese drei Themen haben eines gemeinsam: Den Blick nach vorne, in die Zukunft. 

Die Bildung ist nicht nur an den Anfang des Wahlprogramms gerückt, sie nimmt auch vom Umfang her einen zentralen Platz ein. Die zentrale Grundvoraussetzung individueller und gesellschaftlicher Freiheit, die Dahrendorf schon vor über 50 Jahren unter dem Titel „Bildung ist Bürgerrecht“ betonte, erhält einen ihr angemessenen Platz. Zugleich setzt man mit Vorschlägen zur Digitalisierung des Unterrichts auch eigene, neue Akzente, die über die Ablehnung rot-rot-grüner Gleichmacherei und Leistungsfeindlichkeit hinausgehen. Das schon im NRW-Wahlkampf stark bespielte Thema Bildung könnte ein Schlüssel zum Erfolg der erneuerten FDP werden.

Digitalisierung als Querschnittsthema

Die Digitalisierung ist nicht nur für unser im globalen Wettbewerb stehendes Land, sondern auch für das eigene Leitbild ein ideales Thema. Nichts kann aktuell das positive Menschenbild des Liberalismus und seinen Zukunftsoptimismus besser verkörpern als die gewaltigen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, um das Leben der Menschen zu verbessern und gesellschaftliche Probleme zu lösen. Zugleich ist es ein Querschnittsthema, das bei Bildung, Wirtschaft, Verkehr und Gesundheit jeweils seinen Platz hat. Die FDP möchte die Vorteile der Digitalisierung nutzen, statt ängstlich-abwartend zuzusehen, wie andere Länder diese Früchte ernten. Mit diesem Wahlprogramm stellt sich die FDP auch im digitalen „Neuland“ als Kraft der Veränderung auf. 

Neu ist nicht immer besser 

In Medien und Kabarett wird kritisiert, dass vieles im Programm gleichgeblieben ist. Neuausrichtung wird offenbar mit Selbstverleugnung verwechselt. Nicht die liberalen Grundüberzeugungen haben den Absturz der FDP verursacht, sondern die Art, wie diese in die Öffentlichkeit getragen und in der Regierung umgesetzt wurden. Insbesondere die Einsicht, dass Freiheit unteilbar ist, dass auf wirtschaftliche Freiheit nicht verzichtet und diese von individueller Freiheit nicht getrennt werden kann, ist aktueller denn je. Allen Spott zum Trotz haben deshalb auch Steuersenkungen ihren Platz im Wahlprogramm.

Das Verhältnis zwischen Staat und Individuum wird nirgends sichtbarer als auf der Gehaltsabrechnung. Je mehr Geld der Staat dem Bürger für seine persönlichen Wünsche belässt, desto stärker schätzt er auch die Freiheit des Einzelnen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit viel Sinn für Symbolik einmal entschieden, dass Steuern und Abgaben höchstens die Hälfte des Brutto-Einkommens erreichen dürften. Dieser Halbteilungsgrundsatz ist für viele Angehörige der Mittelschicht schon lange verletzt. Angesichts stetig steigender Steuereinnahmen ist das angepeilte Entlastungsvolumen von 30 Milliarden vollkommen gerechtfertigt.

Liberale in Zeiten des Populismus 

Seine Kritik an der Flüchtlingspolitik Angela Merkels hat Christinan Lindner den Vorwurf des Populismus eingebracht. CDU-Generalsekretär Tauber verglich ihn gar mit AFD-Politiker Gauland. Als Opposition, besonders als außerparlamentarische Opposition, darf und muss auch zuweilen scharfe Kritik an der Regierung geübt werden.

Ein entscheidender Unterschied zu Populisten ist, dass Kritik mit eigenen, realistischen Lösungsvorschlägen verknüpft wird. So spricht sich die FDP gegen immer neue Gesetze und Gesetzesverschärfungen zur Terrorabwehr und Verbrechensbekämpfung aus, die zudem wie die Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig in Grundrechte eingreifen. Die FDP sieht aber auch das Bedürfnis nach einer starken Reaktion des Rechtsstaats auf die Gefahren unserer Zeit, und fordert deutlich mehr Polizisten und bessere Ausrüstung für diese. Hier gelingt es also, ein wichtiges Thema positiv für die FDP zu besetzen, und zugleich liberale Lösungen zu präsentieren.

Die Vorstöße von FDP-Generalsekretärin Nicola Beer zum Wahlrechtsentzug für Doppelstaater hingegen waren eine kaum umsetzbare und überzogene Antwort auf das Türkei-Referendum. Das ansonsten klare Bekenntnis zu doppelter Staatsangehörigkeit, erleichterter Einbürgerung und einem liberalen Einwanderungsgesetz wurde durch eine Begrenzung auf die Enkelgeneration relativiert. Die Parteiführung sollte darauf achten, durch solche Vorstöße oder auch Kommentare wie jenen von Christian Lindner zum Singen der Nationalhymne durch Mesut Özil keine unnötige Angriffsfläche zu bieten. 

Die Handschrift der Jungen Liberalen ist gut erkennbar

Der Erneuerung der FDP wäre undenkbar ohne die Mithilfe der Jungen Liberalen. Bei der Landtagswahl in NRW war die Jungwähler die Wählergruppe mit dem höchsten Stimmanteil. Auch programmatisch haben die Julis die Partei entscheidend mitgestaltet. Digitalisierung und Bildung sind auch und gerade besondere Schwerpunkte der Jungen Liberalen. Sehr schön ist, dass die Legalisierung von Cannabis endlich auch von der Mutterpartei gefordert wird. Ein großer Erfolg war die Durchsetzung der (freilich auch intern umstrittenen) Impfpflicht. Die Schwerpunktsetzung der FDP entspricht damit in außergewöhnlichen Maße auch dem der Jungen Liberalen. 

Die Stimme der Freiheit fehlt im Bundestag

Die FDP fehlt im deutschen Bundestag. Sie fehlt als Verteidigerin von Freiheitsrechten, egal ob sie zur Terrorabwehr oder zur Verhinderung von „hatespeech“ eingeschränkt werden. Sie fehlt als Anwältin der Marktwirtschaft, des Mittelstandes und der Generationengerechtigkeit. 

Die FDP wird wieder benötigt. Sie hat ihren liberalen Markenkern modernisiert und Antworten auf die aktuellen Herausforderungen Deutschlands formuliert. Die Gratwanderung zwischen Tradition und Innovation ist nie leicht, auch nicht als Partei. Aber nicht zuletzt die vielen tausend Neueintritte zeigen: Die FDP hat die Idee der Freiheit wieder attraktiv gemacht. Sie hat das richtige Programm, um im September an die Erfolge im Mai anzuschließen und wieder in den Bundestag einzuziehen! 


Marc Bauer (22) studiert Jura im 8. Semester und ist Mitglied der Jungen Liberalen Köln. Sie erreichen ihn unter bauer@lhg-nrw.de. 

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