"Die Kultur ist die Seele der Stadt"

Interview mit Dr. Ulrich Wackerhagen

03.01.2016 Pressemeldung KölnLiberal - Zeitschrift für Freie Demokraten in Köln

Dr. Ulrich Wackerhagen
Dr. Ulrich Wackerhagen

Herr Dr. Ulrich Wackerhagen, im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen scheint es die Kultur in Köln schwerer zu haben. Stimmt dieser Eindruck? Woran liegt das?

Köln ist die größte Stadt in NRW, dem bevölkerungsreichsten Land in Deutschland, jedoch, ebenso wie Frankfurt am Main und Leipzig, keine Landeshauptstadt, deren Kultureinrichtungen, häufig als Staatsopern, Staatstheater und Landesmuseen, überwiegend aus dem jeweiligen Landeshaushalt finanziert werden. Dennoch ist Köln nach wie vor eine bedeutende europäische Kulturhauptstadt. Die älteste Kunstmesse der Welt, die Art Cologne, wurde 1967 von den Kölner Galeristen Heinz Stünke und Rudolf Zwirner gegründet. Die weltweit größte Messe für Fotografie, die Photokina, wurde bereits 1950 ins Leben gerufen. Die 1924 gegründete KölnMesse ist eine der bedeutendsten Messen der Welt. Die Stadt Köln unterhält neun städtische Museen. Keine andere deutsche Stadt unterhält aus ihrem eigenen Etat so viele Museen. Köln zählt zu den ersten Adressen für Künstlerinnen, Künstler, Kunstliebhaberinnen und Kunstliebhaber weltweit. Die herausragenden und bedeutenden Sammlungen der großen Museen machen die Domstadt zur Kunstmetropole.

Aktuell ist die Sanierung von Oper und Schauspielhaus ein absolutes Desaster. Eine Wiedereröffnung vor 2018 scheint mittlerweile ausgeschlossen, die Kosten explodieren und seitens der Stadtverwaltung fühlt sich nach wie vor niemand dafür verantwortlich. Wie beurteilen Sie die derzeitige Situation? Wie groß bemessen Sie den Schaden, auch für den Ruf Kölns als Kulturstadt?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat Ende November, nur eine Woche nach ihrem spektakulären Amtsantritt, der Politik und der Presse verkündet, dass sich die Wiedereröffnung der Bühnen weiter bis mindestens 2018 verzögern und die Sanierung um 40 bis 60 % teurer werden wird. Die Gesamtkosten werden sich somit auf insgesamt ca. 460 Mio. Euro belaufen. Die FDP-Fraktion hat daraufhin in einer Pressemitteilung gefordert, die Verantwortlichen für das erneute Opern-Debakel zu benennen und für die Sanierung der Bühnen neue und überzeugende Verantwortungsstrukturen zu schaffen.

Unsere neue Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat versprochen, auch eine neue „Entscheidungskultur“ in der städtischen Verwaltung zu etablieren. Was sollte sie Ihrer Meinung nach dabei berücksichtigen?

Es ist zutreffend, dass Oberbürgermeisterin Henriette Reker in dem von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP unterstützten Wahlkampf versprochen hat, eine neue „Entscheidungskultur“ in der städtischen Verwaltung zu etablieren. Henriette Reker hat als Dezernentin in Gelsenkirchen einige Monate auch kommissarisch als Kämmerin gearbeitet und dann vor allem in Köln nachhaltig erfahren, dass bei einer Belegschaft von 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine „neue Entscheidungskultur“ notwendig ist. Dies will sie dadurch erreichen, dass sie die Kompetenzen der Mitarbeiter aufruft, um ihnen mehr Verantwortung zu übertragen.

Welche Prioritäten sind Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren in der Kölner Kulturpolitik zu setzen?

Die vergangenen Jahre und Monate haben bewiesen, dass die Oberbürgermeister nicht nur die Stadt repräsentieren, sondern vor allem auch verpflichtet sind, Verantwortung für die verschiedenen Politikfelder und vor allem auch für die Kulturpolitik zu übernehmen. Henriette Reker hat in den letzten Wochen eindrucksvoll bewiesen, dass sie der Kulturpolitik eine besondere Priorität einräumen wird. Bei der Verleihung des Heinrich-Böll-Preises an die LiteraturnobelpreisträgerinHerta Müller im November hat sie hervorgehoben, dass die Kultur die Seele der Stadt ist.

Welche Erwartungen haben Sie an das Land NRW, die Kölner Kultur zu unterstützen?

Ich erwarte, dass das Land NRW in Zukunft die bedeutenden Kölner Kultureinrichtungen mehr als bisher unterstützen wird. Der frühere NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff hat vor einigen Jahren die Städte aufgefordert, besondere Leuchttürme in der Kultur zu benennen. Wir hatten vorgeschlagen, das Gürzenich-Orchester zum Landesorchester umzuwidmen. Leider ist daraus nichts geworden. Wir sind aber hoffnungsvoll, dieses Thema erneut in die Landespolitik einzubringen.

Kunst und Kultur kosten Geld. Viel zuviel in einer so prekären Haushaltssituation wie der der Stadt Köln, meinen manche Bürgerinnen und Bürger. Nur etwa zwei Prozent der Kölnerinnen und Kölner besuchen regelmäßig die Oper und das Schauspielhaus, wird argumentiert. Was kann man als Hauptargument für die finanzielle Ausstattung von (Hoch)Kultur vorbringen?

Köln ist eine wachsende, prosperierende Stadt mit einer stetig wachsenden Medien- und Kreativwirtschaft, einer Reihe von öffentlichen und privaten Hochschulen und Bildungseinrichtungen. Die Kultur in allen ihren weit verzweigten Bereichen trägt wesentlich für die Attraktivität und damit das Wachstum dieser Stadt bei und rechtfertigt somit die der Kulturmetropole Köln zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel.

Was ist für Sie persönlich das wichtigste Kulturereignis in diesem Jahr gewesen?

Ich stimme mit Henriette Reker überein „Kultur ist die Seele der Stadt“. Für mich waren die wichtigsten Kulturereignisse in diesem Jahr die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den Kölner Schriftsteller Navid Kermani und die von Henriette Reker erfolgte Verleihung des Heinrich-Böll-Preises an die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller.

Bleibt bei einem kulturell so engagierten und begeisterten Menschen wie Ihnen neben der Kulturpolitik noch Zeit für andere Dinge?

Für mich ist die Kulturpolitik der spannendste Bereich in der Kölner Politik. Ich erlebe nahezu jeden Abend Künstlerinnen und Künstler in der Kölner Oper, im Schauspiel Köln, in der Philharmonie, im Literaturhaus, im Theater der Keller und in vielen Kultureinrichtungen der Freien Szene. Dennoch gibt es Zeit für viele Begegnungen mit der Familie, Freundinnen und Freunden zuhause und anderswo.

Ein abschließender Tipp für die Leserinnen und Leser, die kulturellen Veranstaltungen mit einer gewissen Scheu gegenüberstehen, was wäre ein möglicher Einstieg? Was sollte man im kommenden Jahr auf keinen Fall versäumen?

Die Kölner Kulturszene ist, abgesehen von Berlin, einzigartig. Oper und Schauspiel sind mit ihrem Programm – trotz der sich abzeichnenden mehrjährigen Standortunterbrechung – Highlights in der Kölner Kulturlandschaft. Dazu zählen auch die weiteren Kölner Kultureinrichtungen, die neun Museen, die zwölf romanischen Kirchen, die Hochschule für Musik und Tanz, die Kunsthochschule für Medien, die Freien Theater, die Orchester und Chöre, die Künstlerateliers usw. Im kommenden Jahr sollten unsere Leserinnen und Leser auf keinen Fall folgende überregional herausragenden Veranstaltungen versäumen: Am 6. März 2016 wird das Literaturhaus im Schauspielhaus die Literaturnobelpreisträgerin 2015 Swetlana Alexijewitsch vorstellen. Im Museum Ludwig die Ausstellung der Arbeiten des französischen Malers Fernand Léger (1881-1955) und „Wir nennen es Ludwig“ zum 40-jährigen Jubiläum des Museum Ludwig. Im Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud die Ausstellung „Von Dürer bis van Gogh. Die Sammlung Bührle trifft Wallraf“. In der Kölner Philharmonie bringt Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth als 10. Sinfoniekonzert im Mai 2016 die Klanginstallation von Philippe Manoury als Auftragskomposition des Gürzenichorchesters zur Uraufführung.

Herr Dr. Wackerhagen, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Stephan Wieneritsch.


Dr. Ulrich Wackerhagen wurde in Nonnenhorn am Bodensee geboren. Nach dem Abitur an der Schule Schloß Salem begann er zunächst mit dem Studium der Germanistik, Zeitungs- und Theaterwissenschaften. Anschließend wechselte er zum Studium der Rechtswissenschaften, das er in München und Lausanne absolvierte. Seit 1974 lebt er in Köln und ist als selbstständiger Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Arbeits- und Medienrechts tätig.
1970 trat er in die FDP ein. Wackerhagen war mehrere Jahre Vorsitzender des damaligen Ortsverbandes Köln-Süd. Von 1991 bis 1997 gehörte er dem Kreisvorstand der Kölner FDP an, zuerst als Schatzmeister, dann als stellvertretender Vorsitzender. Seit 1999 ist er Kulturpolitischer Sprecher der FDP-Ratsfraktion.
Darüber hinaus ist er in zahlreichen kulturellen Einrichtungen und Vereinen aktiv, beispielsweise als Vorsitzender der Trägervereine Literaturhaus Köln, Theater der Keller und seiner Schauspielschule sowie als Vorsitzender der Lindenstiftung für vorschulische Erziehung. Seit 1993 organisiert er das jährlich stattfindende Liberale Kulturforum im Kunsthaus Lempertz.

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Sachkundiger Einwohner im Kulturausschuss

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