Görzel: Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten machen mich fassungslos

Im Interview mit Volker Görzel, aus der aktuellen KölnLiberal

14.04.2023 Meldung FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Herr Görzel, der Krieg in der Ukraine tobt nun unvermindert seit über einem Jahr. Die Auswirkungen sind weltweit zu spüren. Deutschland ist u.a. durch die große Zahl von Kriegsflüchtlingen, seine militärischen Unterstützungsleistungen und den Engpässen in der Energieversorgung unmittelbar betroffen. Wie wirken sich diese Herausforderungen hier bei uns auf kommunaler Ebene aus?

Der russische Überfall auf die Ukraine hat die Weltwirtschaft kräftig durchgeschüttelt. Die Auswirkungen erreichen uns auch in Köln. Zuerst waren die höheren Preise für Strom, Gas und Sprit für jeden unmittelbar im Portemonnaie bemerkbar. Diese höheren Energiepreise haben dann eine Kettenreaktion ausgelöst: Die Inflation verteuert unser aller Leben in allen Bereichen. Vom Haarschnitt bis zur Urlaubsreise. Da wir den Euro nur einmal ausgeben können, geraten einige Branchen unter Druck. Peek & Cloppenburg oder Galeria Kaufhof melden Insolvenz an. Ford beschließt, die E-Mobilität in den USA entwickeln zu lassen und baut tausende Stellen ab. Das hat alles etwas mit der Inflation und damit mit dem Krieg zu tun.

Der Fachkräft emangel wird in den Medien als ein Hauptproblem für die bundesweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten angesehen. Ist das in Köln und im Umland auch so deutlich zu spüren?

Jeder von uns spürt den Arbeitskräftemangel. Corona hat in der Gastronomie zu Verwerfungen beim Personal geführt. Kneipenschließungen und reduziertes Angebot in den Gaststätten sind die Folge. Jeder kann ein Lied davon singen. Als Aufsichtsrat der Kölnmesse weiß ich, dass viele Messebauunternehmen während Corona aufgegeben haben. Resultat sind jetzt Lieferschwierigkeiten und natürlich höhere Preise. Aber auch bei hochqualifizierten Stellen spüren wir das überall: In den Schulen gibt es keine Vertretungslehrer. Wir sind umgeben von Chemieunternehmen. Die suchen händeringend Chemikanten oder Laboranten. Und natürlich der Pflegebereich: Hier werben sich die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gegenseitig das Personal ab.


Ford hat einen drastischen Arbeitsplatzabbau im Kölner Werk angekündigt. Gibt es seitens der Stadt konkrete Bemühungen, mögliche Folgeschäden zu minimieren?

Zum Glück soll der Stellenabbau bei Ford nun einigermaßen langsam und ohne Kündigungen erfolgen. Daher ist der Druck überschaubar. Die Stadt Köln könnte sicherlich den einen oder anderen Ingenieur übernehmen. Ich bin zuversichtlich, dass die freigesetzten Ford-Mitarbeiter eine neue Stelle finden werden. Mir macht etwas Anderes Sorge: Wir verlieren in Köln leider das Image als Wirtschaftsstandort. Die Oberbürgermeisterin hat als oberste Wirtschaftsförderin bislang völlig versagt. Statt verzweifelt mit den Schultern zu zucken hätte sie sich beherzt vor die Männer und Frauen bei Ford stellen müssen. Adenauer würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er mitansehen müsste, wie tatenlos seine Amtsnachfolgerin Reker sein Erbe aufs Spiel setzt.

Wie ist denn ihre persönliche Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung im Rheinland in den kommenden Jahren?

Der Standort Rheinland hat eine echte Chance. Voraussetzung ist, dass unsere Schlüsselindustrien Chemie und Automobilzulieferer die Herausforderungen Energie, Klima und Lieferketten gut meistern. Das sind ja in Wahrheit alles technologische Herausforderungen. Im Rheinland haben wir zudem den Vorteil, dass wir viele teils miteinander konkurrierende Städte haben, die jeweils ihre besonderen Profile haben. Aachen als Wissenschafts- und Forschungsstandort, Bonn als Verwaltungsstandort bis hoch zur UN-Stadt. Düsseldorf ist seit jeher als Tor zum Ruhrgebiet und seinen Industrien kommerziell ausgeprägt und hat den Bonus einer Landeshauptstadt. Köln hat einen sensationellen Branchenmix. Vom Autobau über Medien und Versicherungen bis hin zum schönsten Zoo NRWs. Das ist kein „Klein-Klein“, sondern eine rheinische Symphonie der Vielfalt, auf die wir stolz sein können.

Die Kölner Stadtverwaltung wird in weiten Teilen der Öffentlichkeit oft nur noch als ein kontinuierliches Systemversagen wahrgenommen. Warum entsteht dieser Eindruck zunehmend und was wird dagegen unternommen?

Als Opposition im Kölner Rat müssen wir überall den Finger in die Wunde legen, wo die Verwaltung versagt. Und es gibt viele Wunden: Ob es Wartezeiten bei der Beantragung von Reisepässen sind oder der beschämende Schulplatzmangel und das für die Kinder würdelose Zuteilungsverfahren. Das Marktamt der Stadt Köln ist in Auflösung etc.. Die Liste ließe sich fortsetzen. An den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegt es nicht. Die geben täglich ihr Bestes und sind fleißig. Die Ursachen sind vielseitig und dafür reicht dieses Interview nicht aus. Aber eins ist klar: Eine mittelmäßige Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister kann Köln nicht an die Spitze führen. Das ist auch eine Frage des Mindsets. Da fehlt mir bei der Oberbürgermeisterin jedweder Ehrgeiz. Erst Recht beim Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt. Da klopft man sich schon auf die Schulter, wenn man einen Fahrradstreifen auf die Straße malt oder das Silvesterfeiern in der Innenstadt verbietet. Das ist zu wenig.

Stichwort „Kostenexplosion“: Ende vergangenen Monats wurde bekannt gegeben, dass sich die Kosten für die Wiederinbetriebnahme des Brunnens am Neumarkt im Vergleich zur urspünglichen Planung annähernd verdoppelt haben. Das scheint bei vielen städtischen Projekten mittlerweile der Normalfall zu sein. Wird in der Verwaltung so schlecht geplant und gerechnet oder gibt es auch andere Ursachen?

Die Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten machen mich fassungslos. Natürlich gibt es Fachkräftemangel, Lieferprobleme und Preissteigerungen. Das ist doch klar. Aber warum fällt der Bauverwaltung erst nach knapp 20 Jahren auf, dass der Baugrund neben dem Wallraff-Richartz-Museum kritisch ist? Warum benötigen wir beim Römisch-Germanischen-Museum von der Planung bis zum Baubeginn über zehn Jahre? Warum wurde in den letzten Jahren in Köln nicht ein einziger Zentimeter Schiene für den ÖPNV gelegt? Das hat auch was mit den Prozessen, Ämterabstimmungen und Kompetenzgerangel in der Verwaltung zu tun. Aber auch mit politischer Sabotage. Nur weil das Ratsbündnis aus CDU und Grünen es so wollte, haben wir bei der wichtigen Frage der Ost-West-Achse mindestens vier volle Jahre verloren. Die Mehrkosten für das Projekt sollten die Kölnerinnen und Kölner eigentlich der CDU und den Grünen Parteizentralen in Rechnung stellen.

Gibt es denn auch ein positives Beispiele?

Die Gründung der Köln Business Wirtschaftsförderungsgesellschaft war ein Glücksfall. Dort sitzen engagierte Profis mit der richtigen inneren Haltung. Die schmeißen gerade den Magneten an, um Unternehmen und Start-Ups nach Köln zu holen. Die haben begriffen, dass wir uns in Köln sozialen Zusammenhalt, saubere Schulgebäude oder PV-Anlagen auf allen Rathausdächern nur dann werden leisten können, wenn die Kölnerinnen und Kölner gut bezahlte Jobs haben und die Unternehmen genügend Steuern an die Stadt Köln überweisen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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Volker Görzel, MdR

Volker Görzel, MdR

Stellv. Vorsitzender der FDP Ratsfraktion

Sprecher für Wirtschaft, Verwaltung, Recht und Rechnungsprüfung der Ratsfraktion

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