"Kein Passwort - kein Leben"

„…oder so“ – Die Kolumne von Maren Friedlaender

13.08.2016 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Manchmal wache ich morgens auf und fürchte, dass ich nicht mehr in mein eigenes Leben hineinkomme. Passwort vergessen! Glauben Sie mir, das passiert. Hin und wieder trifft man so Leute. Claudia Roth, zum Beispiel. Oder Donald Trump. Hella von Sinnen. Erdogan. Oder „Jeck im Sunnesching“. Am 27. August kann man sie wieder sehen, all die Pappnasen ohne Passwort. 

Ich bekomme Panik bei dem Gedanken: Man steht morgens fröhlich auf und plötzlich fordert eine Stimme aus dem Nichts: „Bitte Passwort eingeben“. Black out. Ich bin schon von der Rolle, wenn mir die Rheinenergie meine Jahresrechnung online zuschickt und Benutzernamen und Passwort verlangt. Die behaupten immer, man habe sowas. Ich will das nicht ausschließen. Die letzte Rechnungszusendung ist ein Jahr her. Vielleicht liegt der „Sesam-öffne-dich“ für die Rheinenergie bei den anderen Passwörtern: die für meine Bank, meinen Internet-Provider, meinen Mobilfunkanbieter, Amazon, die Payback-Karte, mein Mail-Konto, meinen WLAN-Anschluss und für die Betätigung der Eieruhr…

Die Rheinenergie ist sehr zuvorkommend auf ihrer Website. Alles kein Problem: Registrieren sie sich mit einem neuen Passwort. Das versuche ich. Schade, dass sie weder „ichkannnitmih“ noch Götz von Berlichingens berühmtes Zitat akzeptieren. In meiner Not rufe ich die Hotline an. Über Hotlines muss ich Ihnen ja nichts erzählen. Stunden später und ich habe einen freundlichen Mitarbeiter am Hörer. Mindestens ein Großbuchstabe und eine Zahl müsse mein Code enthalten: „Ichkannnnitmih2016“. Dann bin ich drin. So einfach ist das. 

Das gibt mir Schwung für eine ernste Beschwerde beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Meine Nachbarin musste morgens die einzelnen Blätter ihrer Zeitung vom feuchten Straßenpflaster abkratzen. Sie ist 93 Jahre alt und legt sich nicht mehr gern mit Lustlosen an. Ich schon. Es gibt eine Website für Abonnenten: Beschweren leicht gemacht oder so. Aboservice anklicken, Mail schreiben und abschicken. Ich brauche nur eine Kundennummer und – man ahnt es - ein Passwort. Die 93-jährige schaut ratlos. Sie wurde in eine passwortlose Welt hineingeboren. Das mag mancher als Manko betrachten, aber sie lebt trotzdem und liest noch. Jeder Verlag sollte sie deshalb in Ehren halten. Womöglich ist sie die Letzte ihrer Art. Nach ihrem Ableben kann DuMont-Schauberg die gedruckte Stadt-Anzeiger-Ausgabe einstellen. Eben jene, die meine Nachbarin nicht vom Pflaster schaben will. 

Versprochen ist versprochen. Ich greife also zum Telefonhörer. Eine freundliche Ansage tröstet mich über den Umstand hinweg, dass wegen Überlastung kein persönlicher Kontakt möglich sei. Ich könne aber eine E-Mail schicken. Die Durchsage der E-Mail-Adresse erfolgt so rasant, dass ich nur bis „@“ mitkomme. Ich rufe den Abo-Service ein zweites Mal an. Der Ansageautomat erklärt, eine persönliche Entgegennahme sei nicht möglich, es gebe zurzeit eine Überlastung, ich könne aber eine E-Mail schreiben…

Ich glaube, ich ganz bin froh, wenn das Passwort für mein Leben verloren geht. Ich weiß nicht, ob ich das alles noch lange weitermachen kann oder will oder so…

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Maren Friedlaender

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