Altablagerungen in Worringen

10.01.2014 Anfragen FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Die FDP-Fraktion hat gebeten, folgende Anfrage auf die Tagesordnung der kommenden Sitzung des Umweltausschusses setzen zu lassen:

Die FDP Köln unterstützt die Anlage eines großen Retentionsraumes im Kölner Norden als Teil einer Solidarität, die auch wir Kölner uns von anderen erhoffen. Neben der Frage der Fluchtmöglichkeiten, wenn ein Chemiestörfall zeitgleich mit der Flutung der B9 aufträte, ist die Frage schädlicher Bodenverunreinigungen immer wieder in der öffentlichen Diskussion.

Im Bereich von Brombeergasse, Dellenweg, Erdweg und Gut St. Agatha gab es historisch Abgrabungen von Lehm zur Ziegelherstellung. Diese wurden in den 50er und 60er Jahren überwiegend mit Abfällen aufgefüllt. Bodenuntersuchungen aus den beginnenden 90er wurden im Auftrag der Stadt bzw. privater Grundstückseigentümer vorgenommen und den Fraktionen im Dezember 2013 zur Kenntnis gegeben. Der Kölner Stadtanzeiger berichtete am 28.8.2013 über die Bitte der Bezirksregierung, mehr Informationen über die Situation zu erhalten.

Die vorhandenen Daten weisen darauf hin, dass überwiegend Bauschutt abgelagert wurde, kein Hausmüll mit verrottenden Stoffen, die ein Risiko bzgl. Hygiene oder Ausgasungen darstellen würden. Es gibt aber an einzelnen Stellen Hinweise darauf, dass auch gesundheitlich bedenkliche Stoffe abgelagert wurden. Zum Teil wurden auffällige Belastungen und Emissionen gefunden. Dabei kann es sich um Bleirohre, verzinktes Metall, Dachpappen und/oder Lacke und Farben handeln. Das würde in Verbindung mit Bauschutt aus den 50er und 60er Jahren nicht überraschen. Hier wurden die Standards bzgl. Abfalltrennung und Bewertung der Giftigkeit in den letzten 50 Jahren erheblich verändert. PAK gehören zu den prioritären gefährlichen Stoffen nach EU-Wasserrahmenrichtlinie. Oft sind PAK gebunden. Dort, wo PAK eluierbar ist, sollte eine Gefährdungsabschätzung vorhanden sein. Belastungen mit chlorierten Kohlenwasserstoffen (C2Cl3H und C2Cl4) sollten auch unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes bewertet werden. Aus den an die Fraktionen übergebenen CDs geht nicht hervor, ob die Verwaltung auf diese Daten durch weitere Nachforschungen reagiert hat.

In einem Fall hat ein Gutachter trotz Bodenluftbelastung angesichts der Nutzung als Ödland explizit empfohlen, nicht zu handeln. Die Gutachten waren nicht mit der Fragestellung der Nutzung als Retentionsraum beauftragt worden. Bei der Planung des Retentionsraumes im Jahr 1998 lagen die Gutachten der Verwaltung vor. Die Verwaltung ging davon aus, dass nach mittlerweile mehr als 50 Jahren Durchspülen mit Regen oder Hochwasser entweder alle wasserlöslichen Chemikalien ausgespült worden seien oder sich aber ein Gleichgewicht eingestellt habe, dass auch durch die Überdeckung mit Wasser im Falle der Nutzung als Retentionsraum nicht verändern würde. Dies ist insgesamt nachvollziehbar, sofern die Bodenstruktur an sich intakt bliebe. Dennoch bitten wir die Verwaltung um die Beantwortung einiger offen gebliebenen Fragen.

1. Inwieweit geht die Verwaltung davon aus, dass die vor 20 Jahren bestimmten Belastungen auch heute noch in gleichem Maße vorliegen und ggf. einen schädlichen Einfluss auf das Klima oder das FFH-Gebiet Worringer Bruch haben könnten?

2. Inwieweit hat die Verwaltung an den wenigen Stellen mit besonders hohen Belastungen weitere Nachforschungen zum Inhalt des Deponiekörpers durchführen lassen (z. B. zur Bewertung des gesamten Mengenpotentials) oder beabsichtigt sie, dies noch zu tun? Wird das Grundwasser von Stadt oder Industrie kontinuierlich auf schädliche Verunreinigungen überwacht oder gibt es stichprobenartige Messungen aus unserem Jahrhundert?

3. Inwieweit ist im Rahmen der Planung des Retentionsraums die Überflutung als „Nutzung“ bei einer nutzungsorientierten Bewertung der Bodenqualität formal bewertet worden?

4. Wie bewertet die Verwaltung das Risiko, dass sich durch den Wasserdruck des gefluteten Retentionsraumes und/oder Wasserströmungen und damit verbundene Erosion Bodenstrukturen verändern (z. B. Kolke oder Entwurzelung von Bäume in aufgeweichtem Boden), was dann zur Freisetzung von schädlichem deponiertem Material führen könnte?

5. Besteht die Möglichkeit, dass Baumaßnahmen oder Maßnahmen der Bauvorbereitung und/oder -unterstützung für den Retentionsraum Flächen betreffen, unter denen schädliche Bodenbelastungen wie Lacke, Farben oder andere Quellen von (chlorierten) Kohlenwasserstoffen (KW) oder (alkylierten) aromatischen Kohlenwasserstoffen (BTX) vermutet werden müssen?



Anlage: Punkte mit besonders auffälligen Messergebnissen, bei denen eine aktualisierte Gefährdungsabschätzung durch die Fachleute der Verwaltung wünschenswert sein könnte.

1. Gutachten Gut St. Agatha
Rammkernbohrung 22 und Bodenluftanalyse 22 sind auffällig mit geringem Sauerstoff-, hohem CO2-und BTX-Gehalt, und hohen (4,1 g/kg) Kohlenwasserstoff-, polyzyklischen Kohlenwasserstoffen (PAK, 0,5 g/kg) und polychlorierten Biphenylen (PCB, 0,007 g/kg) Gehalten.

Die anderen Rammkernbohrungen (10, 12, 19) zeigen z. T. gewisse Belastungen durch Blei und Zink unter Bodenrichtwert II. Der Gutachter findet keine übermäßigen Belastungen im Abwasser und begründet das damit, dass die Metalle in basischer Umgebung nicht mobil seien. Das ist nachvollziehbar. Auch hier gibt es Belastungen, die auf Teerpappen, Lacke und Dichtmassen zurückzuführen sein könnten. 

2. Gutachten Dellenweg
Hier ist die Verfüllung am Erdweg im Westen des Untersuchungsgebietes auffällig (Rammkernbohrungen 5 und 6). Hier legen neben hohen PAK-Gehalten auch hohe Gehalte an technischen Metallen vor (Blei, Zink, Kupfer, Chrom und Arsen, alle nicht mobil). Erstaunlicherweise werden an diesen Stellen die PAK nicht aus dem Boden ausgewaschen, wohl dagegen an Bohrstelle 7 ganz im Süden und Bohrstelle 10 ganz im Norden, wo die PAK in sehr hoher Konzentration neben wenigen Metallen vorliegen. 

3. Gutachten Brombeergasse
Die Messpunkte BL28 und BL53 am Erdweg im Westen des Gebietes deuten mit geringen aber erhöhten Emissionen von (0,0027% und 0,0013%) Trichlorethylen auf Lackreste hin. Der Gutachter hält das für die Nutzung als Ödland für tolerabel. „Tri“ kann Krebs auslösen, ist chronisch wassergefährdend und hat eine Klimawirksamkeit von 140. Neben „Tri“ ist auch Dichlorethylen an diesen Stellen zu finden. Eine Abschätzung, wie viel chlorierte Ethylene noch im Boden lagern, erscheint hier wünschenswert für eine Gefährdungsbeurteilung.

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