Godorfer Hafen: Erweiterung unwirtschaftlich
20.09.2001 Initiativen FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
1. Sachverhalt Die Entscheidung des RP als Planfeststellungsbehörde vom März 2001, den Planfeststellungsantrag der HGK zum Ausbau des Godorfer Hafens nicht zu genehmigen, wirft eine Reihe von Fragen auf, mit denen sich die zuständigen Gremien zu befassen haben werden. Unabhängig von der Beurteilung des rein verfahrensmäßigen Fortgangs, die aus Sicht der FDP-Fraktion als rechtlich problematisch einzustufen ist, drängen sich insbesondere folgende Problembereiche auf: 1.1 Wirtschaftlichkeit des Vorhabens 1.1.1 Der durch die Fa. Dornier System Consult GmbH in den Jahren 1996/97 in ihrem „Gutachten über die verkehrlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Ausbaues und der Erweiterung des Hafens Köln-Godorf“ gewählte Betrachtungsansatz basiert ganz wesentlich auf der Konzeption eines „Hafens der 4. Generation“ als modernes Logistikzentrum in Godorf (Die Fa. Dornier definiert den „Hafen der 4. Generation“ als „Logistikzentrum für integrierte Transportketten unter Einbeziehung des Binnenschiffs mit einer deutlich erhöhten Flächennachfrage“, S. II des Gutachtens). Darauf baut die Fa. Dornier folglich auch ihre Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen auf, die mit einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:1,2 zusammenfassend bewertet werden. Auf Seite I heißt es unter der Rubrik „Empfehlungen“ demnach: „Die Hafenerweiterung soll mit der Maßgabe entschieden werden, dass sie sich hafenwirtschaftlich rechnet und zur regionalen Entwicklung positiv beiträgt.“ Der RP hat jedoch in seiner als „Entscheidung“ bezeichneten Mitteilung an die HGK im März gerade dem Hafenkonzept der 4. Generation eine Absage erteilt. Der RP hat weiter ausgeführt, dass ein geändertes Hafenkonzept, das den reinen Umschlag von Containern und ggf. Schüttgütern vorsieht, „nach einer ersten Einschätzung“ planfeststellungsfähig sein könnte. Zu dieser Aussage stehen jedoch die gutachterlichen Feststellungen der Fa. Dornier, nach denen ausschließlich das Konzept des Hafens der 4. Generation betriebswirtschaftlich Sinn macht, diametral in Widerspruch. Für die FDP-Fraktion bedeutet diese vom RP angemahnte Abkehr von der Konzeption des Hafens der 4. Generation daher, dass die Frage der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens spätestens jetzt negativ beantwortet werden muss. Die FDP hat ihre Bedenken bezüglich der Wirtschaftlichkeit des Ausbaus des Godorfer Hafens stets mit Nachdruck formuliert. Das Ergebnis der Bedenken hat auf Initiative der FDP Eingang in die Vereinbarungen über die Zusammenarbeit mit der CDU-Fraktion in der Wahlperiode 1999-2004 („Köln handelt - Leitlinien einer neuen Politik für Köln der CDU- und FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln“, sog. Koalitionsvertrag vom 28.9.1999) gefunden: „Beim Ausbau des Godorfer Hafens nehmen wir die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger ernst. Vorrang haben die Reserveflächen im Niehler Hafen. An den vom Rat gefassten Beschlüssen zur Planung und Verkehrsanbindung des Godorfer Hafens soll festgehalten werden. Vor dem tatsächlichen Ausbau des Hafens soll allerdings eine erneute Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt werden. Dabei ist zu prüfen, ob bei optimaler Ausnutzung des Niehler Hafens auf einen weiteren Ausbau des Godorfer Hafens verzichtet werden kann.“ Die vereinbarte erneute Wirtschaftlichkeitsüberprüfung muss unserer Ansicht nach angesichts der durch die RP-Entscheidung skizzierten veränderten Sachlage durch den Rat der Stadt Köln angestoßen werden. Dabei hat der Rat der Stadt Köln entsprechende Vorgaben - wie bei der Auftragserteilung zum Dornier-Gutachten im Jahre 1996 - zu machen. Durch einen in dieser Weise zu fassenden Ratsbeschluss wird sichergestellt, dass eine unabhängige Begutachtung erfolgen kann. 1.1.2 Bezüglich der Frage des sog. Overflys - Verkehrsanbindung des ausgebauten Hafens über ein Brückenbauwerk zur Vermeidung zusätzlicher Verkehre in den Ortschaften Godorf und Sürth - hatte die FDP-Fraktion im Januar eine Anfrage im Stadtentwicklungsausschuss gestellt (Drs. 0039/001), nachdem die HGK bei der Anhörung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens beim RP im Dezember 2000 erklärt hatte, sich außer Stande zu sehen, die Finanzierung des Overflys sicherzustellen. Die voraussichtlichen Kosten des Overflys wurden von der Stadt Köln mit ca. 7,5 Mio. € taxiert. Die Stadt Köln hält an der Forderung zur Errichtung des Overflys fest, wie sich aus der Beantwortung der Anfrage ergibt. Aus Sicht der FDP-Fraktion hat die offene Frage der Finanzierung des Overflys auch Auswirkungen auf den Aspekt der Wirtschaftlichkeit des gesamten Vorhabens. Daher muss die Investitionssumme für den Overfly in Höhe von ca. 7,5 Mio. € Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsberechnungen des Gesamtvorhabens werden und in das zu erstellende Gutachten mit einfließen. 1.1.3 Das Gutachten der Fa. Dornier aus den Jahren 1996/1997 hat zudem die aktuelle Situation der Flächenverfügbarkeit im Hafen Niehl I nicht berücksichtigen können. Es zeichnet sich ab, dass alsbald das Hafenbecken IVa in Niehl frei wird, da mit der KD Verhandlungen bezüglich eines Umzugs der KD-Flotte in den Hafen Mülheim geführt werden. Durch einen Umzug würden in Niehl beträchtliche Flächen freigesetzt (reine Flächen: ca. 7 ha Wasserfläche, ca. 3 ha Landfläche). Die Wasserflächen können durch (Teil-)Zuschüttung des Hafenbeckens umgenutzt werden. 1.1.4 Darüber hinaus ist durch das im April 2001 im Hafen Niehl I in Betrieb gegangene neue KLV-Terminal der HGK eine zusätzliche Betriebsfläche von 17.000m² entstanden. In der Mitteilung der Verwaltung zur Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 29. Mai 2001 (TOP 18.4) heißt es hierzu u.a.: „Die Zukunftsfähigkeit des Terminals wird auch durch seine Funktion als modernes marktorientiertes Logistikzentrum gesichert. ...“ Damit ist klargestellt, dass die HGK ihre Konzeption des Hafens der 4. Generation auch am Standort Niehl I verwirklichen kann und im wesentlichen bereits verwirklicht hat, so dass sie auf den Standort Godorf nicht mehr angewiesen ist. 1.1.5 In die gesamtstädtische Diskussion über die Neupositionierung und strategische Weiterentwicklung der Gesellschaften des Stadtwerke-Konzerns ist auch die HGK eingebunden. Der teilweise Wegfall bzw. der notwendige Neuzuschnitt von Geschäftsfeldern - z.B. Fahrweg - und das Erfordernis, neue Geschäftsfelder zu akquirieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich am Markt zu behaupten, unterstreicht den diesbezüglich bestehenden Handlungsbedarf. Eine strategische Weiterentwicklung muss aus unserer Sicht zwangsläufig für das gesamte Unternehmen über Köln hinausgreifen, wie die in jüngster Vergangenheit in der Sparte Güterverkehr seitens der HGK vereinbarten strategischen Allianzen - z.B. Short Lines, Zusammenarbeit mit der SBB - eindrucksvoll belegen. Im Hafenbereich bedingt die strategische Weiterentwicklung eine verstärkte Zusammenarbeit mit den übrigen Rheinhäfen, z.B. in Bonn oder Neuss. Die FDP-Fraktion ist der Ansicht, dass analog zu der Entwicklung bei der GEW hin zur GEW Rheinland langfristig auch bei der HGK eine - Sparten übergreifende - Abstimmung ihrer Geschäftstätigkeit mit dem gesamten Rheinland erfolgen muss, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Erste Schritte, die diese Entwicklung anstoßen, müssen alsbald in die Wege geleitet werden. 1.2 Sicherheit Die beabsichtigte Erweiterung des Godorfer Hafens berührt auch Sicherheitsaspekte. Rotterdamer Experten der im Ölhafen Godorf operierenden Fa. Shell weisen darauf hin, dass die geplante Anlage des neuen Hafenbeckens beträchtliche Sicherheitsrisiken in sich bergen; danach bestünde das größte Risiko in der Bewegung der Schiffe bei der Ein- und Ausfahrt, da die Shell-Hafenbecken genau gegenüber der Hafeneinmündung vom Rhein liegen (das neue Hafenbecken schließt sich nach den Planunterlagen nahezu rechtwinklig an das Hafenbecken der Shell an). Dies verursacht Gefahren, da die Steuerung der Schiffe erschwert wird. Nach Angaben der Shell wurden diese Bedenken der HGK mitgeteilt. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass künftig im Godorfer Hafen Vinylchlorid-Verladungen der Hoechst AG bzw. deren Nachfolgefirma Vintron aus Hürth-Knapsack stattfinden. Nach Einschätzung der FDP-Fraktion bergen diese Verladungen im Hinblick auf einen Ausbau des Godorfer Hafens zusätzliche Gefahren in sich. Derzeit findet das Genehmigungsverfahren nach § 19a Wasserhaushaltsgesetz zur Verlängerung der bestehenden Pipeline auf dem Hafengelände in Godorf statt, zu dem am 9. Juli 2001 der Erörterungstermin bei der Bezirksregierung erfolgte (vgl. Amtsblatt der Stadt Köln vom 2. Juli 2001, Nr. 33, S. 281). Es ist absehbar, dass die Verlängerung der bestehenden Leitung genehmigt werden wird, so dass die Verladungen beginnen können. Dies bedeutet aber ein erhöhtes Gefahrenpotential für den Godorfer Hafen, worauf die HGK im Rahmen der Anhörung zum Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Hafens Godorf am 13. Dezember 2000 selbst hingewiesen hat. Hierzu heißt es in der „Niederschrift über den Erörterungstermin“ (S. 5): „...Hier hebt die HGK insbesondere auf die Gefahrensituationen ab, die durch den Umschlag von explosiven Stoffen und Chemikalien auftreten können.“ Im Katalyse-Umweltlexikon ist Vinylchlorid wie folgt beschrieben (siehe auch www.umweltlexikon-online.de): „Vinylchlorid ist ein farbloses, narkotisch wirkendes Gas, das mit Luft explosive Gemische bildet. Es dient als Ausgangsprodukt zur PVC-Herstellung und wird daher in großen Mengen benötigt. Gelagert und transportiert wird V. als verflüssigtes Gas. Bei Beschädigungen der Behälter besteht daher Explosionsgefahr.“ 1.1.3 Umwelt Aus umweltpolitischer Sicht weist die Sürther Aue Charaktereigenschaften auf, die in der europäischen Umweltrichtlinie FFH (Flora-Fauna-Habitat) niedergelegt sind. Die Anhörung beim RP im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens im Dezember 2000 hat auch den Schluss nahe gelegt, dass für die Hafenerweiterung eine sog. FFH-Verträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach unserer Ansicht ist jegliches Projekt in diesen Gebieten jedenfalls ohne Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unzulässig. Für die Grünpolitik der Stadt Köln ist es von großer Bedeutung, dass ein Biotop-Verbund zwischen den vorhandenen Grünflächen bestehen bleibt. Die Sürther Aue ist dazu erforderlich, wie alle Karten des Grünflächenamtes ausweisen. Auch für die Kaltluftschneisen entlang des Rheins und damit das gesamte Kölner Klima ist das wichtig. Die vorgenannten Problembereiche sind nicht abschließend. Es stellen sich weitere Fragen, etwa zum Hochwasserschutz durch die Beschneidung wichtiger Retentionsflächen. Diese Fragen wurden bisher von den zuständigen Stellen nicht zufriedenstellend beantwortet. 2. Schlussfolgerungen 2.1 Fehlende Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Für die FDP-Fraktion ist die Frage der Wirtschaftlichkeit des Hafenausbaus vordringlich. Auf der zur Verfügung stehenden Fläche von 15 ha lässt sich kein zukunftsfähiger Hafen betreiben. Hinzu kommt, dass die Konzeption des Hafens der 4. Generation, mit der die HGK in Gestalt ihres Planfeststellungsantrages angetreten ist, nicht mehr trägt, nachdem der RP mitgeteilt hat, dass eine solche Konzeption auf dem Erweiterungsgelände nicht realisierbar ist. Die FDP verlangt daher eine unabhängige Überprüfung der Betriebswirtschaftlichkeit des Vorhabens. Dabei müssen vor allem bisher nicht oder unzureichend beachtete notwendige Infrastrukturmaßnahmen (Beispiel Overfly, s.o.) mit in die Betrachtungen einfließen. Ebenso muss die Zurverfügungstellung öffentlicher Mittel außerhalb der Renditebewertungen bleiben, da nach Meinung der FDP-Fraktion mit öffentlichen Subventionen jedes Großprojekt „schön gerechnet“ werden kann. 2.2 Fehlendes zeitgemäßes Hafengesamtkonzept. Der Ursprung der Fehlentwicklungen im Zusammenhang mit den Ausbauplänen zum Godorfer Hafen reicht aus Sicht der FDP-Fraktion bis in das Jahr 1988 zurück. Damals beschloss der Rat der Stadt Köln das sogenannte bipolare Hafenkonzept, das die beiden Häfen Niehl I und Godorf zu den zentralen Wirtschaftshäfen Kölns erklärte und damit der vermeintlichen Notwendigkeit des Ausbaus des Godorfer Hafens ein Fundament geben wollte. Dieses Fundament trägt nicht mehr, denn das bipolare Hafenkonzept ist nicht mehr zeitgemäß - wenn es das je war. Eine zukunftsorientierte Hafenpolitik darf sich nicht auf Köln beschränken, sondern muss mittel- bis langfristig über die Stadtgrenzen hinausgreifen. Dies erfordert die Erstellung eines zeitgemäßen und an der veränderten Wettbewerbslandschaft orientierten Hafengesamtkonzeptes seitens der Stadt Köln - selbstverständlich unter maßgeblicher Beteiligung der politischen Gremien. 2.3 Fehlende Ausnutzung des Hafens Niehl I. Die FDP fordert nach wie vor die optimale Ausnutzung vorhandener Flächen im Hafen Niehl I. Diese Forderung ist gerade deshalb unverändert aktuell, als dass sich durch den angestrebten Umzug der KD-Flotte vom Hafenbecken IVa in Niehl in den Hafen Mülheim neue Flächenoptionen ergeben, die bis zu 10 ha - bei Umwandlung der vorhandenen Wasser- in Landflächen durch Zuschüttung des Hafenbeckens - betragen. Überdies führt die bereits in die Wege geleitete Entwicklung des Standortes Niehl I zu einem Hafen der 4. Generation durch die Inbetriebnahme des neuen KLV-Terminals dazu, dass auf diese Konzeption am Standort Godorf verzichtet werden kann. Damit ist aber für die FDP-Fraktion das gesamte Ausbauprojekt hinfällig, da ein reiner Umschlaghafen betriebswirtschaftlich unsinnig ist. 2.4 Rechtliche Probleme. Die Art und Weise der Fortführung des förmlichen Planfeststellungsverfahrens stößt bei der FDP-Fraktion auf rechtliche Bedenken. Die Tatsache, dass der RP das Verfahren bisher nicht durch einen förmlichen, rechtsmittelfähigen Bescheid zum Abschluss gebracht hat, hat einen negativen Beigeschmack. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass durch eine „Hinterzimmer-Entscheidung“ der Planfeststellungsantrag in eine planfeststellungsfähige Form „umgegossen“ wird. Nach der ablehnenden Mitteilung des RP im März haben entsprechende Gespräche bis hoch in die Ministerebene stattgefunden, um ein politisch unerwünschtes Ergebnis zu korrigieren. Zwar lässt das Planfeststellungsrecht es auf Grund der Komplexität des gesamten Verfahrens zu, dass es noch vor Verfahrensabschluss zu Planänderungen kommt, jedoch ist die Mitteilung des RP aus unserer Sicht vor allem ein beredtes Zeugnis dafür, dass die HGK AG ihre „Hausaufgaben“ nicht gemacht hat. Die FDP-Fraktion ist deshalb nach alledem der Auffassung, dass die HGK ihren Planfeststellungsantrag komplett zurückziehen sollte. Redaktion: Dietmar Repgen