Repgen: "Bürgerbegehren unzulässig!"

20.12.2001 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln

Rede des stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln anlässlich der Debatte über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zum Verkauf der Anteile von GAG und Grubo Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Vorweg eine Bemerkung, die Sie nicht überraschen wird: Die FDP-Fraktion wird dem Beschlussvorschlag der Verwaltung, wonach festgestellt wird, dass das Bürgerbegehren unzulässig ist, zustimmen. (Barbara Moritz [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein!) – Doch eine Überraschung, Frau Moritz? Dann bin ich froh, dass ich Ihnen so kurz vor Weihnachten eine Überraschung für das Fest übermitteln kann. (Zuruf Norbert Rüther [SPD]) Die FDP ist aber grundsätzlich, meine Damen und Herren, auch für eine sinnvolle Bürgerbeteiligung und für mehr Bürgerbeteiligung. Das kommt schon allein dadurch zum Ausdruck, dass unsere Fraktion im Landtag die Gemeindeordnung insoweit verändern will, dass die Quoren gesenkt werden. Man muss sich im Einzelnen über die Ausgestaltung dieses Instrumentes unterhalten. Frau Moritz hat das angedeutet. Dafür bin ich dankbar. (Zurufe von Ossi Helling und Barbara Moritz [beide Bündnis 90/Die Grünen] sowie Norbert Rüther [SPD]) Ich bin auch dem Oberbürgermeister dankbar, der eingangs die verschiedenen Punkte aufgeführt hat, auf die es ankommt und die uns zu dem Schluss kommen lassen, dass das Bürgerbegehren als unzulässig abgelehnt werden muss. Insofern war das von größerer inhaltlicher Qualität, als die Diskussion es bisher gezeigt hat. Der Fraktionsvorsitzende der SPD spricht über die Hälfte seiner ihm zur Verfügung stehenden Redezeit am Thema vorbei. (Zustimmung bei FDP und CDU) Das zeigt, dass die Hilflosigkeit in dieser Diskussion bei SPD und Grünen nicht mehr zu überbieten ist. (Zuruf Renate Canisius [SPD]) Die Fraktionsvorsitzende der Grünen verpasst es, zu dem Änderungsantrag seiner Fraktion, den sie hier eingebracht hatten, Stellung zu nehmen. Das hatte sich, meine Damen und Herren, erübrigt, weil dieser Änderungsantrag inhaltlich dermaßen Quatsch ist, dass man darüber gar nicht zu reden braucht; er geht fehl. (Zustimmung bei der FDP) Es kommt nicht nur auf das Sammeln von Unterschriften und darauf an, dass die entsprechende Anzahl gesammelt wird. Allein daraus kann man nicht auf die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens schließen. Insofern erleichtert ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung. Meine Damen und Herren, wir haben es mit einem dreistufigen Verfahren zu tun. Die erste Stufe ist das Bürgerbegehren als solches; mit anderen Worten das reine Sammeln von Unterschriften unter eine Fragestellung, die sich auf einen Ratsbeschluss bezieht. Was wir hier und heute tun, ist sozusagen eine Art Zwischenverfahren, in dessen Rahmen wir entscheiden, ob das Bürgerbegehren den formalen Anforderungen der Gemeindeordnung gerecht wird. Die dritte Stufe wäre der eigentliche Bürgerentscheid, zu dem es allerdings nur kommen kann, wenn das Bürgerbegehren vom Rat als zulässig betrachtet wird und der Rat inhaltlich dem Bürgerbegehren nicht entsprechen will. Dies scheitert allerdings schon an der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Ich möchte meine Argumentation auf zwei wesentliche Punkte beschränken. Das ist nun einmal ein Fakt, von dem eingangs gesprochen worden ist, den man hinzunehmen hat und mit dem man umzugehen lernen muss. Die Elemente der Bürgerbeteiligung in der Gemeindeordnung sind als Ergänzungen der Grundentscheidung unserer Verfassung für eine repräsentative parlamentarische Demokratie zu verstehen. Dass diese Grundentscheidung, die in Art. 20 des Grundgesetzes verankert ist, dazu führt, dass ergänzende Elemente der Bürgerbeteiligung sich an ihr messen lassen müssen, dürfte unstreitig sein. Das bedeutet, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheid unter bestimmten formalen Voraussetzungen durchgeführt werden müssen, um am Ende Rechtswirkungen entfalten zu können. Diese formalen Voraussetzungen sind im Wesentlichen in dem schon zitierten § 26 der Gemeindeordnung enthalten. Diese formalen Anforderungen an ein Bürgerbegehren und an einen Bürgerentscheid sind als Mindeststandard unerlässlich. Zu diesem Mindeststandard gehört es auch, dass die Formulie-rungen der Fragestellungen in sich widerspruchs-frei sind und keine wie auch immer geartete Beeinflussung der Willensbildung beinhalten; denn die Entscheidung, die die Bürger, wie es im Gesetz heißt, anstelle des Rates selbst treffen, muss auch unter formal einwandfreien Voraussetzungen zustande gekommen sein. Mit anderen Worten: Es dürfen keine missverständlichen Formulierungen verwandt werden, die unter Umständen eine Unterschrift erst herbeiführen. Selbstverständlich müssen die Fragestellungen nicht nach allen Seiten juristisch durchdekliniert sein. Die unter Juristen oft bemühte so genannte Parallelwertung in der Laiensphäre erfordert, dass der juristische Laie sich darüber klar ist, was und worüber er im Einzelnen entscheiden soll. Das bedeutet aber nicht, meine Damen und Herren, dass der Bürger im Unklaren darüber gelassen werden kann, welche Rechtsfolgen seine Entscheidung tatsächlich nach sich zieht. Dass die Anforderungen strikt sein müssen, ergibt sich bereits aus dem Gedanken, dass auch die Verwaltung ihre Entscheidungen mit der nötigen Bestimmtheit zu treffen hat. Der Bestimmtheitsgrundsatz ist ein aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbarer Grundsatz, der das Verwaltungsverfahren komplett durchzieht. Auch die Verwaltung darf ihre Entscheidungen nicht auf missverständliche Formulierungen stützen. Die erste Frage des Bürgerbegehrens beinhaltet eine solche missverständliche Formulierung. Die Mietwohnungen von GAG und Grubo befinden sich nicht im Eigentum der Stadt Köln. Dazu wurde schon Entsprechendes ausgeführt. Diese Formulierung lenkt auch von dem mietrechtlichen Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ ab und suggeriert, dass durch einen scheinbaren Eigentumswechsel an Wohnungen Mieterrechte mit verkauft werden sollen. Dass das nicht der Fall ist, verhindern allein schon diese mietrechtlichen Regelungen. Daran ändert auch ein Verkauf der Anteile an GAG und Grubo nicht, der von den Initiatoren sicherlich gemeint war. Hinzu kommt, dass den Initiatoren vollauf bewusst war – das ist auch schon gesagt worden –, dass ihre Formulierung ungenau gewählt war. Das ist von Seiten der Initiatoren zugestanden worden. Gerade aber dann, wenn man weiß, wie eigentlich richtig formuliert werden müsste, muss man sich nachlässiges Vorgehen zurechnen lassen. (Beifall bei der FDP) Ein Weiteres. Der Rat ist im Verfahren von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in der Regel daran gehalten, sich an die Fragestellung, die dem Bürgerbegehren zugrunde gelegen hat, zu halten. Ich könnte hier guten Gewissens nicht empfehlen, diese Fragestellung zur Grundlage eines Bürgerentscheides zu machen, weil ich über keine richtige Frage abstimmen lassen will. Auch damit würden wir, glaube ich, unsere Sorgfaltspflicht verletzen und rechtswidrig handeln, wenn wir das durchgehen ließen. Kurzum: Wenn der Bürger beantragt, anstelle des Rates zu entscheiden, müssen auch für ihn die gleichen Regeln gelten, die für eine Verwaltung und für einen Rat maßgeblich sind. Wenn die Verwaltung etwa eine Ordnungsverfügung gegen einen Bürger erlässt, muss sie inhaltlich bestimmt sein. Die Entscheidung muss auch widerstandsfrei sein. Die erste Frage des Bürgerbegehrens ermöglicht eine solche widerspruchsfreie Entscheidung nicht. Die zweite Frage des Bürgerbegehrens betrifft rein vorbereitende Handlungen, die in dem Beschluss vom 03.07.2001 der Verwaltung zur Aufgabe gestellt wurden. Es handelt sich nicht um einen Grundsatzbeschluss im klassischen Sinne, sondern es geht um einen Beschluss über ein Konzept, das die Verwaltung vorlegen muss. Wir haben nichts anderes gesagt als: Verwaltung, bring uns ein Konzept; dann entscheiden wir, ob wir damit einverstanden sind oder nicht. – Das Konzept sollte die wesentlichen Verkaufsbedingungen enthalten. Wenn ich einen Vertrag schließen will, meine Damen und Herren, kommt er erst dann zustande, wenn über die wesentlichen Punkte Einigung zwischen zwei Parteien erzielt worden sind. Zum Zeitpunkt des Ratsbeschlusses vom 03.07. bestand noch nicht einmal Klarheit über den Vertragspartner. Hier von einer bürgerbegehrensfähigen Entscheidung zu sprechen, geht daher eindeutig zu weit. Es handelt sich lediglich um den Anstoß eines zunächst internen Willensbildungsprozesses und die politische Bewertung, um dabei zunächst außen vor zu bleiben. Wenn wir auch hier eine Parallele zum Verwaltungsrecht ziehen, meine Damen und Herren, sind die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt erst dann erfüllt, wenn die Entscheidung der Verwaltung Außenwirkung hat. Eine solche Außenwirkung kommt aber dem Konzeptbeschluss vom 03.07. nicht zu. Rein verwaltungsrechtlich betrachtet läge kein Verwaltungsakt vor. Nach dem Verwaltungsrecht kann ein Bürger erst gegen den bekannt gemachten Verwaltungsakt vorgehen. Wieso dann im Kommunalverfassungsrecht im Rahmen der Bürgerbeteiligung anderes gelten soll, erschließt sich mir nicht. Fazit: Wir können heute alleine schon aus den beiden genannten Gesichtspunkten gar nicht anders, als das Bürgerbegehren als unzulässig zu bewerten. Ein kleiner Trost für die Gegner unserer grundsätzlichen politischen Haltung: Damit ist die Auseinandersetzung ja nicht zu Ende. Wir werden weitere Beschlüsse fassen. Ich glaube, dass die Initiatoren aus dieser Unzulässigkeit ihre Schlüsse ziehen werden. – Danke. (Barbara Moritz [Bündnis 90/Die Grünen]: Hoffentlich! – Lebhafter Beifall bei FDP und CDU)

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