Sterck: 73.000 Stimmen dürfen nicht ungehört bleiben
14.07.2011 Reden FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln
Rede des FDP-Fraktionschefs in der Ratsitzung
Rede von Ralph Sterck, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Köln, in der Ratssitzung vom 14.07.2011 anlässlich der gescheiterten Einwohnerbefragung zum Godorfer Hafen
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Die FDP hatte ebenfalls einen Antrag zu diesem Thema gestellt. Dazu jetzt Herr Sterck, bitte.
Ralph Sterck (FDP): Werter Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wie Sie spätestens seit dieser Kampagne wissen, spricht die FDP dem Ausbau des Godorfer Hafens seit mehr als 20 Jahren die Wirtschaftlichkeit ab. Die Chance, durch ein wirklich neutrales Gutachten das Gegenteil zu beweisen, ist leider nicht genutzt worden; es hat zwar entsprechende Initiativen gegeben, aber die jeweiligen Gutachten trugen immer die Handschrift der HGK. Im Gegenteil: Das Planco-Gutachten von 2008 hat uns zu der Erkenntnis verholfen, dass es in Niehl die Flächen für Containerumschlag gibt, die zu einer wirtschaftlich positiven Entwicklung der Stadt beitragen können.
Deswegen geht aus meiner Sicht auch der Vorwurf, der zum Beispiel im Kölner Stadt-Anzeiger geäußert wurde, die FDP sei ein schlechter Verlierer, wenn sie an der Ablehnung für den Hafenausbau festhält, in die falsche Richtung; denn er geht von falschen Voraussetzungen aus: Zum einen wird der Hafenausbau durch eine Einwohnerbefragung nicht wirtschaftlicher, egal, wie eine solche Befragung ausgeht. Zum anderen sind die sogenannten Spielregeln, von denen hier schon die Rede war, ohne uns gemacht worden. In der Ratssitzung am 1. März hatten wir beantragt, eine Einwohner- bzw. Bürgerbefragung ohne Quorum zu machen; Kollegin Moritz hat das eben angesprochen. Das waren die Spielregeln, an die wir uns halten wollten. Von daher ist es nur konsequent, dass wir in der heutigen Ratssitzung noch einmal den Planungsstopp für den Ausbau des Godorfer Hafens zur Abstimmung stellen.
(Beifall bei der FDP)
Herr Börschel, in dem Dank, den Sie hier eben verteilt haben, haben Sie uns Gott sei Dank nicht erwähnt. Hätten Sie das getan, hätte ich mich gefragt: Haben wir irgendwas verkehrt gemacht?
(Martin Börschel [SPD]: Ich wollte dir nicht schaden!)
- Danke, sehr rücksichtsvoll. - Im Grunde haben Sie mit der Idee, die ja Sie geboren und hier in Windeseile durchgesetzt haben, doppelten Schaden angerichtet: Zum einen haben Sie aus meiner Sicht der Stadt Köln einen sehr großen finanziellen Schaden zugefügt.
(Martin Börschel [SPD]: Ich denke, ihr wart auch dafür!)
- Ja, aber ohne Quorum. Dann gäbe es heute ein entsprechendes Ergebnis. - Es wurden allein über eine Million Euro an Sachkosten ausgegeben, wobei in dieser Summe - ich habe im Presseamt noch einmal nachgefragt - die Personalkosten noch gar nicht enthalten sind. Die von Ihnen erwähnte Bürgeraktion Mehr Demokratie e. V. hat die Meldung über die Einwohnerbefragung mit den Worten betitelt: „Mit Quorum eine Million Euro versenkt“. Genau das ist hier passiert.
(Beifall bei der FDP - Martin Börschel [SPD]: Es hätte ohne Quorum aber dasselbe gekostet!)
Durch das Quorum gab es kein klares Ergebnis.
Das Zweite ist: Sie haben dem Motto von Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen“ einen Bärendienst erwiesen.
(Martin Börschel [SPD]: Die FDP und Willy Brandt! Ausgerechnet!)
Das wiegt schlimmer noch als der finanzielle Schaden. Denn damit haben Sie das Instrument einer Bürger- bzw. Einwohnerbefragung in Köln für lange, lange Zeit unmöglich gemacht.
(Beifall bei der FDP)
Sie stoßen 73.000 Kölnerinnen und Kölner vor den Kopf und bestärken sie entweder in ihrer Politikverdrossenheit oder treiben sie in die Politikverdrossenheit, wenn Sie deren Stimme hier heute einfach vom Tisch wischen.
Der Kölner Stadt-Anzeiger hat kommentiert:
Die große Masse hat geschwiegen. Das war zu erwarten ...
Ja, das war zu erwarten. Das haben wir hier am 1. März besprochen. Wahrscheinlich haben auch Sie es erwartet, Herr Börschel. Wenn dem so ist, muss man sich allerdings fragen: Warum hat es diese Einwohnerbefragung überhaupt gegeben? Sicherlich nicht, um zu einem Ergebnis wie dem jetzt vorliegenden zu kommen; denn das hätte man voraussehen können.
(Martin Börschel [SPD]: Nein! Wer denn?)
Ich möchte auch die Kollegen von der CDU an-sprechen. Die Haltung, die Sie hier heute ein-nehmen, macht Sie aus meiner Sicht besonders unglaubwürdig. Nicht nur, dass Sie in dieser Frage zerstritten sind und viele Ihrer Anhänger sicherlich in der Frage mit Nein gestimmt haben,
(Widerspruch von der CDU)
Sie messen auch mit zweierlei Maß.
(Henk van Benthem [CDU]: Sie auch!)
- Herr Kollege, lassen Sie mich das ausführen. - Ich habe mir die Rede von Herr Klipper in der Ratssitzung vom 13. April 2010, in der es um das Schauspielhaus ging, herausgesucht. Damals hat Herr Klipper Folgendes gesagt:
... die Bürger dieser Stadt [haben] ein Recht und einen Anspruch darauf, dass ihr Begehren ernst genommen wird.
- Damals ging es um 50 000 Unterschriften. -
Die heutige Abstimmung soll ein erster Schritt dazu sein.
Das haben Sie gesagt, Herr Klipper, und zwar angesichts von 50 000 Unterschriften ohne eine Bürgerbefragung. Heute gibt es 73 000 Stimmen,
(Karl-Jürgen Klipper [CDU]: Es waren nur andere Regeln!)
und die werden von Ihnen einfach weggewischt. Während Sie bei 50 000 Unterschriften bereit waren, in der Schauspielhausfrage umzufallen,
(Beifall bei der FDP)
sind Sie angesichts von 73.000 Stimmen bei der Bürgerbefragung nicht bereit, Entgegenkommen zu zeigen.
(Karl-Jürgen Klipper [CDU]: Sie müssen schon die Regeln beachten! Sie können nicht so pfuschen, wie Sie wollen!)
Letzter Satz: Sorgen Sie dafür, dass die Millioneninvestition, die wir in diese Bürgerbefragung gesteckt haben,
(Karl-Jürgen Klipper [CDU]: Sie haben doch zugestimmt!)
richtig investiert waren und sorgen Sie dafür, dass die 73.000 Stimmen nicht ungehört bleiben! Stimmen Sie unserem Antrag zu! - Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Oberbürgermeister Jürgen Roters: Danke schön, Herr Sterck.