Im Gespräch mit Hans H.Stein

Interview mit Hans H. Stein, Leiter der NRW-Landesvertretung in Brüssel

24.05.2019 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Herr Stein, die Europawahl am 26. Mai liegt vor uns und mit den vielen Themenfeldern wie Flüchtlingsströme, drohenden Handelskriegen, Klimawandel, China, Putin und Trump sind die Herausforderungen für die Europäische Union größer denn je. Trotzdem scheint in Brüssel seit zwei Jahren nichts anderes auf der Tagesordnung zu stehen als der Brexit?

Stimmt. Aber es ist ja auch ein einschneidender Schritt, wenn ein Mitgliedstaat der Europäischen Union nach 46 Jahren Mitgliedschaft sagt: Wir wollen nicht mehr zum Club gehören. Erschwerend kommt hinzu, dass die britische Regierung und die sie tragenden Parteien keine klare Vorstellung davon haben, was denn nach dem Austritt kommen soll. Die einzigen, die von Anfang an eine klare Position hatten, sind die Liberalen: Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger nach den vielen Debatten in den letzten drei Jahren erneut befragen – und in der Europäischen Union bleiben. Die ganzen Brexit-Diskussionen haben auch etwas Gutes: Sie machen für jede und jeden klar und deutlich, was wir mit und in der Europäischen Union alles erreicht haben. Wir leben in Frieden und Freiheit, was weltweit und auch in Europa nicht selbstverständlich ist. Wir können reisen, wohin wir wollen, ohne aufwendig eine Visum beantragen zu müssen und an der Grenze kontrolliert zu werden. Wir können studieren, arbeiten, leben, wo wir wollen. Wir haben einen gemeinsamen Markt, der die Produktions- und Absatzmöglichkeiten für die Unternehmen verbessert und so Arbeitsplätze schafft und den Verbrauchern eine hohe Auswahl zu garantierten Mindeststandards bietet. In einem großen Teil Europas können wir mit dem gleichen Geld bezahlen. An all das haben wir gewöhnt; wir betrachten es als selbstverständlich, so wie das Telefonieren ohne Roaming-Gebühren. Wenn wir weiter so leben wollen, dann müssen wir uns dafür einsetzen, tagtäglich, wie uns der Brexit zeigt.

Ein Argument der Brexit-Befürworter lautet: Wir wollen wieder selbst bestimmen und uns nicht aus Brüssel vorschreiben lassen, wie wir leben sollen. Das hört man immer wieder, auch in Deutschland. Umfragen lassen erwarten, dass die Parteien bei der Wahl gestärkt werden, die auf nationalistische Lösungen setzen. Fällt die Union auseinander?

Ja, es ist ein gepflegtes Vorurteil, dass „die da in Brüssel“ über unser aller Köpfe hinweg bestimmen. Aber auch vom vielen Wiederholen wird das nicht richtiger: Zum einen sind da ja die demokratisch wählten Europaabgeordneten, die gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern rechenschaftspflichtig sind. Zum anderen sind die nationalen Regierungen an allen Entscheidungen von Anfang an beteiligt. Die Abgeordneten im Bundestag und die Bundesländer bekommen alle Dokumente, können sich eine Meinung bilden und diese der Bundesregierung mit auf den Weg geben. Keiner kann also sagen, es käme alles so überraschend und man habe sich nicht einbringen können. Im übrigen glaube ich nicht, dass nationale Alleingänge eine Lösung für die Herausforderungen von heute und morgen sind. Bei Migration, Handel, Energieversorgung, Klimaschutz oder den nächsten Quantensprüngen bei Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz erreichen wir nur gemeinsam etwas. Kriminelle und Terroristen machen nicht an Grenzen halt; die Verteidigung von Freiheit und Sicherheit gelingt uns nur zusammen. Dass das nicht nur notwendig, sondern auch bereichernd ist, erleben wir in Nordrhein-Westfalen bei der Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn in den Niederlanden und Belgien tagtäglich.

Sie sind „NRW-Botschafter“ in Brüssel
und vertreten dort das Land Nordrhein-
Westfalen. Was sind Ihre vornehmlichen
Aufgaben?

Wir analysieren zum einen, inwieweit Vorhaben, die auf europäischer Ebene diskutiert und beschlossen werden, Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalen haben. Zum anderen bringen wir unsere Ideen und Lösungsansätze in den europäischen Entscheidungsprozess ein. Und schließlich machen wir Standortwerbung, z.B. für unsere Forschungseinrichtungen oder auch im Rahmen des laufenden Offenbach- und des kommenden Beethoven-Jahres. Nordrhein-Westfalen hat auf allen Ebenen viel zu bieten; dies zeigen wir unseren europäischen Partnern.

Welche Veränderungen wünschen Sie sich nach der Europawahl?

Wir müssen in Europa schneller entscheidungs- und handlungsfähig werden. Das Europaparlament sollte ein Initiativrecht für gemeinsame europäischeLösungsvorschläge bekommen. Wir brauchen mehr Dialog zwischen den verschiedenen Ebenen. Miteinander zu reden ist besser als übereinander. Warum sollte eine nordrhein-westfälische Europaabgeordnete nicht auch bei einer europapolitischen Debatte im Bundestag oder im Landtag in Düsseldorf reden können, wie dies z.B. in Österreich der Fall ist? Umgekehrt könnten das Europaparlament und die Europäische Kommission sicher noch mehr von den praktischen Erfahrungen profitieren, die wir im Alltag bei der Zusammenarbeit mit anderen Regionen machen.

Was ist Ihr persönlicher Wunsch für ein zukünftiges Europa?

Unsere Zukunft liegt nur in einem starken Europa. Die Europäische Union war seit ihrem Bestehen unser Garant für Frieden, Wohlstand und Stabilität. Damit sie dies bleibt und wieder mehr Rückhalt gewinnt, brauchen wir aber Mut zur Veränderung. Veränderung für eine neue Begeisterung und ein neues Miteinander auf allen Ebenen – von gelebten Städtepartnerschaften, der Zusammenarbeit von Regionen z.B. bei der Gesundheitsversorgung oder der Förderung von Innovationen bis hin konstruktiven Lösungen ohne Blockadehaltungen im Europaparlament und Europäischen Rat.

Eine persönliche Frage: Sie leben in Köln
und in Brüssel. Welche Stadt gefällt
Ihnen besser und warum?

Beide Städte ähneln sich in vielem, im Guten wie im weniger Guten. So zeichnen sich beide nicht gerade durch fließenden Verkehr und Sauberkeit aus. Aber dennoch haben beide Charme und Flair; die Menschen machen beide Städte aus.

Haben Sie einen Lieblingsplatz in Köln und in Brüssel?

Ene Besuch im Zoo, dat es esu schön, dat es wunderschön: Die Seelöwen haben mich schon als kleiner Junge begeistert! Und in Brüssel bin ich immer wieder vom Grote Markt, der Grand-Place im Zentrum fasziniert. Ein belgisches Abtei-Bier in der Abendsonne auf einem der schönsten Plätze Europas zu genießen, hat wirklich was.

Herr Stein, herzlichen Dank für das Gespräch.

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Hans H. Stein

Hans H. Stein

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Stephan Wieneritsch

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