Sterck: Köln braucht politische Führung

Interview mit Ralph Sterck aus der aktuellen Ausgabe der KölnLiberal

24.01.2020 Meldung FDP-Kreisverband Köln

Herr Sterck, seit zwanzig Jahren sind Sie jetzt ohne Unterbrechnung Vorsitzender der Ratsfraktion. So lange hat das bisher noch niemand sonst in Köln geschafft. Woher nehmen Sie die Kraft?

Ja, das stimmt, das ist eine verdammt lange Zeit. Es hat wohl in der Geschichte unserer eigenen Partei in Köln seit dem zweiten Weltkrieg keinen gegeben, der es auf der Position des Fraktionsvorsitzenden so lange ausgehalten hat. Und auch was unsere politischen Mitbewerber angeht, habe ich in den letzten 20 Jahren einen ordentlichen Verschleiß erlebt. Immerhin sitzt zum Beispiel auf der Seite der CDU heute der sechste Fraktionsvorsitzende seit 1999.

Ich bin waschechter Kölner, sogar meine Eltern sind beide in Köln geboren. Mein Vater auf der Hohe Straße. Sowas wird heute ja gar nicht mehr hergestellt. [lacht] Diese Stadt zu gestalten, war für mich immer Triebfeder meiner politischen Arbeit und natürlich ist es ein großes Privileg, am Fortkommen Kölns mitzuwirken. Mich hat es immer mehr interessiert, hier in Köln Dinge zu schaffen, die man anfassen kann, so wie den Wiederaufbau der Flora, den Rheinauhafen oder die Teil-Inbetriebnahmen der Nord-Süd-Stadtbahn, als auf anderen Ebenen nur Gesetze zu verabschieden, von denen man nicht genau weiß, wie sie sich zu Hause auswirken. Und in diesem Sinne gibt es noch viel zu tun in Köln.

In vier Legislaturperioden seit 1999 haben Sie vieles kommen und gehen gesehen. Wie hat sich die Ratsarbeit in dieser Zeit verändert?

Die größte Veränderung ist sicherlich, dass alle Vorgänge komplexer, digitaler und damit auch schneller geworden sind. Früher habe ich in der Vorbereitung einer
Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses bis zu zwei Aktenordner Unterlagen sortiert, gelesen und archiviert. Heute habe ich alle Informationen auf meinem
iPad. Aber auch die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern ist wesentlich direkter geworden. Da kommen schnell mal ein paar hundert Mails zu
einem Bebauungsplan, wenn der Bürgerschaft irgendetwas nicht gefällt. Die politische Arbeit ist viel transparenter geworden. So poste ich bei Facebook, was
im Rathaus so läuft, und kann so mit unseren Anhängern, aber auch mit politischen Gegnern direkt in Kontakt treten. Man muss aber auch sagen, dass die politischen
Inhalte wesentlich komplexer geworden sind. Das bestätigt meine These, dass man eine so große Stadt wie Köln eigentlich nicht mit einem ehrenamtlich arbeitenden
Rat führen kann. Ich hoffe das spätere Generationen mal die Kraft haben werden, dieses System umzustellen, um für fast 1,1 Millionen Einwohner,
17.000 städtische Beschäftigte und einen Fünf-Milliarden-Haushalt eine optimale Begleitung seitens der Politik zu ermöglichen.

Im September 2020 haben wir die Kommunal- und OB-Wahl am gleichen Termin. Sehen Sie das als Vor- oder Nachteil?

Ich sehe das auf jedenfall als Nachteil. Deswegen hat ja auch unsere alte Landesregierung von 2005 bis 2010 dafür gesorgt, dass diese beiden Wahlen auseinandergelegt werden. Das war mit der Hoffnung verbunden, dass wir ein neues Format von Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt der Oberbürgermeisterin
oder des Oberbürgermeisters finden. Diese Möglichkeit hat es leider nur einmal 2015 gegeben, weil die folgende rot-grüne Landesregierung diese
wieder abgeschafft hat. Somit ist Henriette Reker damals nur aufgrund unserer Gesetzesinitiative ins Amt gekommen. Hätte die Wahl ein Jahr vorher mit der
Kommunalwahl stattgefunden, wäre eine unabhängige Kandidatin, die von mehreren Parteien unterstützt worden ist, nicht möglich gewesen.

Für 2020 haben wir uns entschieden, uns auf die Wahl der Bezirksvertretungen und des Rates zu konzentrieren und die sicher sehr langweilige OB-Wahl, von
mehr oder weniger aussichtslosen Kandidatinnen und Kandidaten gegen die Amtsinhaberin, anderen zu überlassen. Die Musik spielt auch die kommenden
fünf Jahren in den Bezirksvertretungen und im Rat. Hier wollen wir möglichst stark vertreten sein, um unseren Ideen zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn ich mir ansehe, welche kontinuierliche, verlässliche und vernünftige Politik wir in den letzten Jahren hier im Vergleich auch zu unseren Mitbewerbern gemacht haben, müssten 10 % plus X für uns drin sein.

Was braucht Köln aus Ihrer Sicht jetzt am dringendsten?

Köln braucht politische Führung. Das gilt für die Stadtspitze genauso, wie für die Ratsmehrheit. Hier wird zu viel vertagt und ausgesessen. Die meisten Unternehmen
gehen pleite, nicht weil sie die falschen Entscheidungen fällen, sondern weil sie gar keine Entscheidungen fällen, und wenn die Stadt Köln ein Unternehmen
wäre, wäre sie schon dutzendfach gegen die Wand gefahren. Was aber immer noch fehlt, ist einfach der ganz große Wurf.

Was wäre denn für Sie „der ganz große
Wurf“?

Das wäre für mich heute auf jeden Fall die Ost-West-U-Bahn. Am Besten direkt bis unter die Dürener Straße nach Lindenthal. Köln hat sich nun mal in den
60er Jahren dafür entschieden, nur seine Straßenbahnen unter die Erde zu legen, statt ein eigenes U-Bahnnetz zu bauen. Mit dieser Grundsatzentscheidung müssen
wir jetzt leben und arbeiten. Aber um ein leistungsfähiges und zuverlässiges Netz für diese Millionenstadt zu erreichen,

muss die zentrale Achse unter die Erde. Es kann nicht sein, dass wir irgendwann zwischen Moitzfeld und Widdersdorf eine Stadtbahn fahren lassen,
die dann im zentralen Bereich, der am höchsten belastet ist, romantisch an Straßencafés an der Aachener Straße vorbeizuckelt und sich dabei ihren Weg
zwischen Fußgängern, Radfahrern, Autofahrern und haltenden Paketwagen bahnen muss. Wie die Entscheidungen hier in der Vergangenheit gelaufen sind,
ist ein Paradebeispiel, wie schlecht politische Prozesse in Köln laufen. Obwohl es eine breite Mehrheit aus SPD, CDU und FDP für einen U-Bahnbau gibt, hat
die SPD versucht, an dieser Stelle mit linken Mehrheiten zu arbeiten. Sie ist damit zwar gescheitert, hat aber die CDU in die Arme der Grünen getrieben,
weswegen nun eine überflüssige und teure oberirdische Planung erstellt wird und auch so Blüten, wie die Busspur auf der Aachener Straße, entstanden sind.

Da kann ich nur an das Verantwortungsbewusstsein der Kolleginnen und Kollegen in allen Parteien appellieren, solche wichtige Themen nicht auf dem Altar des
politischen Taktierens zu opfern. Die SPD hat das schon mal gemacht bei der südlichen Teil-Inbetriebnahme der Nord-Süd-Stadtbahn. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten wir die Linie 17, die heute das Severinsviertel erschließt, nie bekommen.

Politisch sind Sie für die E ntwicklung der Stadt Köln mitverantwortlich, beruflich kümmern Sie sich um den Strukturwandel des Rheinischen Reviers. Greift
eine räumlich begrenzte Kommunalpolitik bei den vielen großen Problemen unserer Zeit oftmals nicht einfach zu kurz?

Ja, die Stadt Köln muss auf jeden Fall mit ihrem Umland, mit der ganzen Region zusammenarbeiten. So ist es zum Beispiel zur Zeit so, dass bei der Ausweisung von
Siedlungs- und Gewerbeflächen die Stadt nur ein Drittel des Bedarfes nachweisen kann, den die Bezirksregierung für den neuen Regionalplan vorgesehen hat. Allen
Menschen, denen wir in Köln keinen Wohn- oder Arbeitsplatz bieten können, werden so in der Zukunft zu Pendlern, die die Verkehrs- und Umweltprobleme in unserer Stadt weiter vergrößern. Ich würde mir wünschen, wir hätten für Köln so etwas wie es das in der Städteregion Aachen gibt. Also auch eine parlamentarische
Vertretung wo die Stadt mit dem Umland zusammen arbeiten kann, damit der Austausch der Stadt Köln mit den Umland-Kommunen nicht auf medienwirksame
Gruppenfotos der Bürgermeister beschränkt bleibt.

Last but not least eine persönliche Frage: Haben Sie einen Lieblingsplatz in Köln?

Das ist wahrscheinlich der Platz vor dem Eigelsteintor. Hier hat sich auch in den vergangenen Jahren die Gastronomie so toll entwickelt, dass es im Sommer ein
unheimlich südliches Flair ergibt, und ich stelle mir immer vor, wie früher im Mittelalter die Reisenden von Norden über die Neusser Straße zwischen den
Kappesfeldern, die ja hier früher waren, auf die Stadt Köln zukamen und diese mächtige Torburg gesehen haben, die schon damals den Machtanspruch und
die Größe der Stadt Köln dokumentiert hat. Von diesen historischen Zeugnissen haben wir leider nur noch sehr wenige in der Stadt, aber die gilt es entsprechend
zu pflegen und heraus zu stellen. Daher genieße ich es immer, dort vor dem Eigelsteintor ein Eis zu essen, denn die dortige Eisdiele gehört aus meiner Sicht zu einer der Besten Kölns.

Herr Sterck, herzlichen Dank für das
Gespräch.

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Ralph Sterck, MdR

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Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion

Stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion

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